Fürstlicher Komponist
In Eisenstadt / Die Esterházys und Haydn, Doktor der musischen Kunst / Mit dem DS4 im Burgenland (V)
Von Günther Koch/Life-Magazin
Das Esterházy-Schloss in Eisenstadt erstrahlt im ockergelben Glanz. Fotos: Koch
Eisenstadt – Sie zählt fast 16 000 Einwohner, strahlt den liebevollen Charme eines kleinen Landstädtchens aus – und passt vielleicht genau deshalb zum natürlichen, eher ruhig-stillen Charakter der gesamten Region. Eisenstadt ist die Hauptstadt von Österreichs östlichstem Bundesland, dem Burgenland. Wir sind mit dem Bus von Mörbisch aus dorthin gefahren.
Im Innenhof von Schloss Esterházy und Wappen im Treppenaufgang.
Wie auf einer Terrasse
Wir kommen aus der Ebene hinauf. Vom Neusiedlersee, Europas westlichstem Steppensee. Ganz allmählich steigt die Landschaft am südlichen Fuß des Leithagebirges an. Wie auf einer Terrasse liegt Eisenstadt da – auch für einen Streifzug durch ungarisch-österreichische Adels- und klassische Musikgeschichte. Denn das Burgenland ist Esterházy-Land. Was sich im Zentrum von Eisenstadt nicht übersehen lässt. Schloss Esterházy strahlt im ockergelben Glanz. Rebecca Varga führt durch die barocke Residenz, ein Wahrzeichen im Burgenland, das Einblicke ins höfische Leben von früher dort gibt.
Im großen Haydn-Saal des Schlosses. Prächtige Fresken zieren die Decke.
Ursprung im 13. Jahrhundert
Die Esterházys sind ein bedeutendes ungarisches Adelsgeschlecht, dessen Ursprung sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Erstmals urkundlich erwähnt wird der Name 1527 als Familie Zerház de Zerhásház. Als Stammväter der bis heute blühenden Hauptlinien gelten Nikolaus, Paul und Daniel. Vor allem Nikolaus soll es gewesen sein, der den Grundstein zum Aufstieg des ungarischen Kleinadels- zum führenden Herrscherhaus gelegt und den Weg der Erhebung in den Grafen- und Fürstenstand geebnet habe. „Vor allem“, so Varga, „durch strategisches und diplomatisches Geschick.“
Haydn-Büste mit Gedenkstein für den Fürstlich Esterházischen Kapellmeister.
Das eigentliche Schloss-Prunkstück
Im Treppenaufgang des Schlosses prangt das mächtige Wappen der Esterházys. Die Tür zum eigentlichen Prunkstück ist diesmal sogar offen. Ein Orchester probt für einen Auftritt im festlichen Saal, der, was Konzerte betrifft, vor allem wegen seiner Akustik immer wieder gelobt wird. Benannt ist er nach einem Mann, einem 1732 geborenen Niederösterreicher, Komponisten und führenden Vertreter der Wiener Klassik. Nach (Franz) Joseph Haydn (1732-1809). Die Esterházys, auch kulturell engagiert, haben schon das Talent von Franz Liszt entdeckt und Franz Schubert als Klavierlehrer für die jungen Gräfinnen an den Hof geholt. Ähnliches ist es damals auch bei Haydn gewesen. Den größten Teil seines beruflichen Lebens hat er laut Schlossführerin jedenfalls auf dem Landsitz der Esterházys verbracht, leitete deren Orchester und Oper.
Haydn-Sarkophag in der Bergkirche. Altar in der kleinen Schloss-Kapelle.
Sarkophag mit Gedenktafel in Bergkirche
Eine Gedenktafel bei einem Sarkophag in der Eisenstädter Bergkirche auf dem Kalvarienberg im Stadtteil Oberberg. Sie erinnert an den, wie er beschrieben wird, „Musiker seiner Zeit, einen frommen, rechtschaffenen, milden und besonders wohltätigen weltberühmten Kapellmeister des erlauchten Fürsten Nikolaus Esterházy de Galántha“, der die „Sieben Worte“ des Erlösers, die „Schöpfung“ der Welt und die „Vier Jahreszeiten“ erhaben „in der Musik dargestellt und sich unsterblichen Ruhm erworben“ habe. Er sei zudem unter den Künstlern, „die unsere Sorgen vertreiben und das Gemüt beruhigen“, der erste gewesen, der von der „hochangesehenen Universität der Wissenschaften Oxford zum Doktor der musischen Kunst ernannt worden ist“. Haydn („Meine Sprache versteht man durch die ganze Welt“) hat während seiner fast 30 Esterházy-Jahre eine Flut von Kompositionen geschrieben, ist mit Mozart eng befreundet gewesen. Es heißt: Nach dem Tod von Fürst Nikolaus soll der offenbar „völlig unmusikalische Nachfolger“ die gesamte Hofmusik, darunter den späteren, insbesondere für seine Oratorien, Messen und Streichquartette bekannten Beethoven-Lehrer, in Pension geschickt haben.
Wandtapete mit asiatischen Motiven. Hier rechts fanden sich früher die Stallungen.
Zuletzt noch gruselige Schädel-Geschichte
Haydn wechselt daraufhin nach England. Eine sich weiter verschlimmernde Krankheit sorgt zuletzt dafür, dass er nicht mehr komponieren und öffentlich auftreten kann. Er stirbt 1809 in Wien, wird im heutigen Haydn-Park in Meidling beigesetzt. Die Esterházys, die den Schilderungen nach zunächst kein Interesse daran gezeigt haben sollen, ihren ehemaligen Bediensteten und dessen Genie angemessen zu würdigen, ließen den Leichnam 1820 dann doch exhumieren, um ihn nach Eisenstadt zu überführen. Was beim Öffnen des Sargs freilich fehlte, ist offenbar der Schädel gewesen. Nachforschungen ergaben, dass ein Esterházy-Sekretär und Anhänger der Schädellehre Totengräber, Gefängnisverwalter und Beamte offenbar bestochen hatte, das Grab kurz nach der Beisetzung nochmal zu öffnen und den Kopf zu stehlen. Erst 1954 soll der mit Hadyns Totenmaske verglichene richtige Schädel wieder zurück nach Eisenstadt gekommen sein.
Fürst Nikolaus II. Esterházy de Galántha (1765-1833). Haydn-Kontor in Eisenstadt.
Torten, Gemüse, Rollbraten, Steaks, Gulasch
Und die Esterházys heute? Sie sind (nicht nur) im Burgenland fast allgegenwärtig. Torten, Gemüse, Rollbraten, Steaks, Gulasch verbinden sich mit ihrem Namen. In Frankreich hat man sogar ein Husarenregiment nach dem ungarischen Adelsgeschlecht benannt. Das Eigentum der Familie in Österreich ist auf Wunsch von Melinda Esterházy, Witwe des 1989 verstorbenen Fürsten Paul V, in Stiftungen eingebracht. In den einstigen Schlossstallungen in Eisenstadt wird inzwischen im Restaurant „Henrici“ (www.henrici.at) nach wie vor die hohe Kunst der mit mediterranem Touch versehenen burgenländischen Küche zelebriert. In Trausdorf, direkt vor den Toren Eisenstadts und in Sichtweit der Residenz, setzt das zur Lese 2006 eröffnete Esterházy-Weingut ein architektonisch modernes Zeichen in der pannonischen Ebene, Motto „Vom Fürstenhaus zur Marke“, „Alte Herrscher als neue Macher“ oder einfach nur „Tradition verpflichtet“. Schließlich ist 1758 schon Order gegeben worden, Reben aus dem Burgund im Burgenland anzupflanzen. Die Weisung kam von keiner Geringeren als Gräfin Maria Lunati-Visconti, Gemahlin von Fürst Paul II. Anton, einem Esterházy.
Vergangenheit trifft Gegenwart. Pestsäule in der burgenländischen Hauptstadt.
Museen, Kirchen und die Gloriette
Und was die burgenländische Hauptstadt sonst noch zu bieten hat: Da sind neben verschiedenen anderen Museen, beispielsweise dem jüdischen, unter anderem Haydn-Haus und Haydn-Mausoleum. Die Liste der Sakralbauten führt sieben Kirchen, darunter den Dom und das Franziskaner-Gotteshaus mit Kloster, weiter eine Synagoge sowie den alten und neuen jüdischen Friedhof auf. Zu Schloss Esterházy gehören Park und Leopoldinentempel. Bei der Gloriette handelt es sich um das ehemalige Jagdschloss des Fürsten. Es gibt die Martinskaserne mit mächtigem Hauptgebäude, Landhaus, Leinnerhaus, Margaretinum, Pulverturm und die Jubiläumswarte, den 16 Meter hohen Aussichtsturm oberhalb der Gloriette. Eine weiße Marmorskulptur ist dem auf einer Bank sitzenden österreichisch-ungarischen Pianisten und Komponisten Franz Liszt (1811-1886) gewidmet. Der Stadtteil Unterberg ist früher das jüdische Viertel gewesen. Im Stadtteil St. Georgen finden sich mehrere aus dem 17. und 18. Jahrhundert erhaltene Höfe mit, wie es heißt, „rustifizierten Einfahrtstoren für die Heurigenschenken“. Eine gute Sicht über die Stadt hat man beim Gedenkkreuz von 1660 oder vom Hetscherlberg.
Info Burgenland I
Österreichs östlichstes und mit 3965 Quadratkilometern kleinstes Bundesland zählt rund 301 250 Einwohner. Die Nord-Süd-Ausdehnung beträgt 166, die Ost-West 85 Kilometer. Mit 884 Metern über dem Adria-Niveau gilt der östlichste Ausläufer der Alpen, der Geschriebenstein im Ginsergebirge, als höchster Punkt, der mit 113 Metern tiefste soll sich in Andau bei Neusiedl am See finden. Hauptstadt ist Eisenstadt. Klimatisch geht es im Nord- und Mittelburgenland eher kontinental zu, im Südburgenland begünstigt das milde pannonische Klima im Verbund mit der Beschaffenheit des Bodens am Übergang zum mediterranen den Weinbau. Der Tourismus spielt eine große Rolle. Beste Reisezeiten sind April/Mai bis September/Oktober. Von Mörbisch lohnen Ausflüge etwa in die Storchen-Stadt Rust, in die Esterhazy- und Haydn-Stadt Eisenstadt, in den Nationalpark Neusiedlersee/Seewinkel, mit der Fähre hinüber nach Illmitz, zum Tor der Freiheit bei St. Margarethen sowie über die Grenze nach Ungarn. Festspiele finden jedes Jahr in Mörbisch auf der Bühne im See (2024/Musical „My fair Lady“) sowie in St. Margarethen im Römersteinbruch (2024/Oper „Aida“) statt. Das Burgenland ist Radfahrerland (Fahrradverleih Sonnenhof/Mörbisch, www.sonnenhof-moerbisch.at).
Info Burgenland II
Zur Einquartierung können wir in Mörbisch den Winzerhof Schindler (vier Sterne, 15 Doppelzimmer/Suiten, hell, freundlich eingerichtet, natürliche Materialien, gut ausgestattet, viel Grün, lauschig-romantischer Arkaden-Innenhof, großer Weinkeller, www.winzerhof-schindler.at) empfehlen. An Lokalitäten bieten sich in Mörbisch etwa das Gasthaus Csarda, Philipps Genussheuriger, Pizzeria Giovanni, Restaurant „Zum bunten Storch“, Steakhaus Pfeiffer und die Weinkantine Dió an, im Zentrum von Eisenstadt das Chez Paul. Als kulinarisch beliebte heimische Spezialitäten gelten Erdäpfelgulasch, Krautsuppe, Krautstrudel, Krautfleckerl, Paradeiserkraut und Bohnensterz. Was den Wein betrifft, werden etwa auf dem Winzerhof Schindler vorwiegend rote und weiße Weine produziert, die typisch sind fürs Burgenland. Traditionelle Sorten wie Blaufränkischer und Welschriesling gelten als gebietstypisches Basissortiment. Weine wie Merlot und Syrah sollen als international bekannte und gefragte Sorten den Bogen zum Zeitgeist spannen. Information: Burgenland-Tourismus, Johann-Permayer-Straße 13, 7000 Eisenstadt/Österreich, Telefon 0043-(0)-2628-633840, www.burgenland.info.
Die Reportagereise haben wir diesmal mit einen DS4-Langstreckentest verbunden.
Service Anreise
Die Reportagereise ins Burgendland haben wir diesmal mit dem 1800 Kilometer langen „Auto im Alltag“-Test eines DS4 Plug-in-Hybrids der französischen Stellantis-Premiumkonzernmarke DS Automobiles verbunden. Die Daten des kompakten, allerdings auch nicht ganz billigen Lifestyle-Crossover-Modells mit Pariser Chic, das für eine kleine Familie samt Gepäck sogar langstrecken- und damit urlaubstauglich ist, finden Sie gleich im Anschluss an diese Zeilen. Wer von Deutschland aus ins Burgenland will: Mit dem Auto sind es von Passau aus über die Autobahn an Linz und Wien vorbei bis zur Abfahrt St. Margarethen und dann weiter über Rust noch gut 345 Kilometer oder gut dreieinhalb Stunden bis Mörbisch. Wir haben im Mostviertel im niederösterreichischen St. Valentin im Gasthof Pillgrab (www.pillgrab.at) noch eine Zwischenübernachtung eingelegt. Bei Bus und Bahn sind Wien und Eisenstadt Umsteigeknoten. Der Flughafen Wien-Schwechat ist knapp über 40 Kilometer oder etwa eine dreiviertel Stunde entfernt.
Datenblatt
(DS4 E-Tense 225) Motor: Vierzylinder-Turbobenziner plus Elektromotor. Hubraum: 1,6 Liter. Leistung: (Verbrenner) 132/180, (Elektromotor) 81/110, (System) 185/225 kW/PS. Maximales Drehmoment: (Verbrenner) 300, (Elektromotor) 320, (System) 360 Newtonmeter. Beschleunigung: 7,7 Sekunden von 0 auf Tempo 100. Höchstgeschwindigkeit: 233 Stundenkilometer. Antrieb: Front. Getriebe: Acht-Stufen-Automatik. Umwelt: Testverbrauch laut Bordcomputer 5,6 Liter pro 100 Kilometer, nach WLTP kombiniert 32-36 Gramm Kohlendioxidausstoß pro Kilometer bei angegebenen 1,4-1,6/8,2-8,3 Litern Mixverbrauch. Elektrische Reichweite: 62, innerstädtisch 73 Kilometer. Abgasnorm: Euro-6e. Testwagengrundpreis: Laut Beiblatt 49 900, mit Sonderausstattungen 57 630 Euro.
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KoCom/Fotos: Günther Koch
27. Juni 2024