In Österreichs Steppe
Im Nationalpark Neusiedlersee/Seewinkel / Zwischen Alpen und Puszta/ Mit dem DS4 im Burgenland (III)
Von Günther Koch/Life-Magazin
Die flache Weite ist eines der bestimmenden Merkmale rund um den Neusiedlersee. Fotos: Günther Koch
Mörbisch/Illmitz – Vor zehn Jahren, im Sommer 2014, sind wir das erste Mal im 1993 gegründeten Nationalpark Neusiedlersee/Seewinkel gewesen. Alois Lang war damals mit von der Partie. Als wir uns in Illmitz am Südostufer des Sees getroffen haben, hat der Mann vom Informationszentrum erst einmal seinen Strohhut aufgezogen und sein Spektiv geschultert, denn: „Ohne Beobachtungsfernrohr geht hier eigentlich fast gar nichts.“ Die Erinnerung ist wieder da: Im Burgenland, Österreichs kleinstem Bundesland an der Grenze zur Slowakei und zu Ungarn, ist es heiß gewesen an diesem Tag Mitte August. Kein Wunder: Touristisch werben die Burgenländer mit mehr als 2000 Sonnenstunden und 300 Sonnentagen im Jahr für sich. „Bei uns“, hat Lang geschmunzelt, „regnet’s deshalb eben meist nur im Fernsehen.“
Ohne Beobachtungsfernrohr geht fast nichts. Aus dem Gras ist Heu geworden.
Aus verschiedensten Regionen
Was hier in der pannonischen Ebene zwischen Puszta und Alpen rund um Europas westlichsten Steppensee zählt, ist vor allem die Natur – und deren Schutz. Grasland, Büsche, vereinzelt Bäume prägen die Fortsetzung der großen ungarischen Tiefebene, der Puszta. Es ist nicht nur aus geografischer, sondern auch aus biologischer Sicht ein „Grenzraum, in dem Pflanzen- und Tierarten aus den verschiedensten Regionen zu finden sind“. Aus alpinen, pannonischen, asiatischen, mediterranen, aus nordischen. „Ein Reichtum", so Lang, "der freilich ohne die Vielfalt an Lebensräumen wie Feuchtgebiet, Weideflächen, Wiesen, Trockenrasen, Sandsteppen-Areale und Salzstandorte so nicht möglich wäre.“
Wollschweine im Gehege. Achtung, wertvoller Tierbestand: Füttern verboten!
In Naturzone keinerlei Nutzung
Wir haben ihn hinaus in die Ebene und in den Park begleitet, der sich in die Zitzmannsdorfer Wiesen, die Illmitzer „Hölle“, Sandeck/Neudegg, „Lange Lacke“ und, schon auf ungarischem Territorium, den Waasen/Hanság unterteilt. In der Naturzone findet keinerlei Nutzung statt, in der Bewahrungszone ist Natur auch für Besucher über ein Leitsystem erlebbar. Es gilt das Wegegebot, was bedeutet, dass das Betreten der Wiesen, Wasser- und Schilfflächen streng verboten ist. Von unserem Standort aus haben wir im Westen die Ausläufer der Ostalpen sehen können. Im Norden grenzt die Parndorfer Platte an, im Osten das frühere Hanság-Niedermoor. „Bis vor wenigen Jahrhunderten ist es noch ein Teilbecken des Neusiedlersees gewesen“, hat Lang erläutert: „Alles hier ist eben ein ständiger, immer im Wandel begriffener Prozess.“
Im kleinen Holzturm ist die Aussicht besser. Dem stolzen Pfau scheint’s zu gefallen.
In einer Art Wanne ohne Abfluss
Der Seichtsee ist im Schnitt nur einen Meter tief. Sein südlicher Teil bildet zusammen mit den salzigen, periodisch austrocknenden Lacken den Hauptlandschaftsanteil am Nationalpark, während Reste des Weidelands, Wiesen und ehemalige Acker- oder Weinbauflächen den Kulturlandschaftsanteil prägen. Der Neusiedlersee selbst liegt an der tiefsten Stelle der kleinen ungarischen Tiefebene in einer Art Wanne, die keinen Abfluss hat. Das ganze Becken umfasst heute rund 320 Quadratkilometer, von denen knapp 180 auf den Schilfgürtel rundherum entfallen. Niederschläge und Verdunstung bestimmen den Wasserhaushalt. Das Klima ist leicht kontinental geprägt. Die Sommer sind trocken und heiß, wechseln mit kälteren, schneearmen Wintern. Die Region gilt als eine der wärmsten und mit einer Niederschlagsmenge von gerade einmal 600 Millimetern im Jahr zugleich als eine der trockensten Landschaften Österreichs. Durch die günstigen klimatischen Bedingungen sind rund 250 Tage Vegetationszeit dann aber doch ziemlich lang.
Kleine Schilfinseln im Neusiedlersee. Fähranleger im Seebad Mörbisch.
Auf dem einen oder dem anderen Ufer
Unsere Touren 2024 führen zunächst zu Fuß am südwestlichen Ufer des Sees von Mörbisch durch die Weinberge nach Rust in die Stadt der Störche und näher am See dann wieder zurück. Mit dem Rad sind wir später länger, fast einen ganzen Tag lang, unterwegs, setzen per Fähre zunächst vom Seebad Mörbisch aus nach Illmitz über, um dann nördlich erst Richtung Podersdorf, weiter schräg hinunter nach St. Andrä und durch Apetlon schließlich wieder zurück zur Fähre zu gelangen.
Weiße Esel in der Nähe von Illmitz. Ziehbrunnen östlich des Neusiedlersees und …
Sogar die südrussische Tarantel
Bei der Illmitzer „Hölle“ handelt es sich um ein Teilgebiet des Nationalparks, das Salzlacken, Wiesengebiete, Seevorgelände und Schilfgürtel umfasst. An den trockenen Uferbereichen der Lacken breiten sich ausgedehnte Sodaschnee-Felder mit entsprechender Salzvegetation aus. Im beweideten Uferbereich südlich von Podersdorf brüten, wenn die Zeit dafür ist, Graugänse und Stelzenläufer. An den Stinkerseen und in den Feuchtwiesen kann man durchziehende Watvögel beobachten. Am Unteren Stinkersee sind regelmäßig Flussseeschwalben zu sehen. An der Zicklacke ziehen Säbelschnäbler und Seeregenpfeifer ihren Nachwuchs groß. Im vegetationsarmen Uferbereich lebt mit der südrussischen Tarantel zudem eine der größten Spinnen Europas. Vereinzelt finden sich ungarische Ziehbrunnen im Nationalpark, die ihre Bedeutung als Viehtränken aber verloren hätten, macht eine Tafel darauf aufmerksam, dass man weiß, wenn man sie sieht, man in der Puszta angekommen sei und hier, östlich des Neusiedlersees, diese „einzigartige Landschaft“ auch beginne.
… Schilfhütte gleich daneben. Hier fühlt sich offenbar jemand im Schlamm sehr wohl.
Vom Aussterben bedroht
Rinder weiden in den Randbereichen der Zicklacke und des Kirchsees, halten so die Brutplätze offen. Vom Aussterben bedrohte pannonische Tierrassen finden sich im Nationalpark wieder - von den Mangalizaschweinen über Przewalski-Wildpferde, das graue ungarische Steppenrind mit den ausladenden Hörnern und die weißen Esel bis zum Zackelschaf.
Mit zwei PS in der Nationalpark-Region unterwegs. Ein Reiher im seichten Wasser.
Über 300 Vogelarten
Wir steigen in einen hölzernen Aussichtsturm hinauf, von wo aus man unterschiedlichste Vogelarten sehen kann. Über 300 sollen es sein, die im Jahresverlauf das Gebiet des Neusiedlersees als Rast- und Fressplatz nutzen. Etwa 150 davon brüten den Angaben zufolge auch hier. Die „internationale Bedeutung dieses einzigartigen Naturraums“ hat Nationalpark-Mann Lang schon damals auch auf die „unverzichtbare Funktion für den europäisch-afrikanischen Vogelzug“ zurückgeführt: „Hier rasten, fressen oder mausern abertausende Zugvögel auf ihrem Weg zwischen Winterquartier und Brutplatz.“
Hat sich da vielleicht jemand verirrt? Erfrischungen tun gut bei der Hitze.
Nahrung zieht an
Das Nahrungsangebot in der ganzen Region ziehe sie an, nicht nur Vögel. Von der Großtrappe über den Löffler bis zur Sumpfohreule. Vom Mondhornkäfer über den Steppenfrostspanner-Schmetterling bis zur Wolfsspinne. Vom Hamster über den Steppeniltis bis zum Wasserbüffel. Vom Balkan-Moorfrosch über den Donau-Kammmolch bis zur Smaragdeidechse. Vom Kaulbarsch über den Wels bis zum Wildkarpfen. Botanisch Kostbares soll vom Moorglanzstengel über den Meerstrand-Wermut bis zum Sumpfknabenkraut reichen. Wie es im Nationalpark wohl nach den nächsten zehn Jahren aussehen wird? Ob die Vielfalt an seltenen Tieren und Pflanzen erhalten bleiben, der Neusiedlersee in Zeiten des Klimawandels weiter austrocknen, die Verlandung noch schneller fortschreiten wird? „Es liegt auch und nicht zuletzt an uns“, hat Nationalpark-Mann Lang gesagt. Schon damals. Vor zehn Jahren.
Info Burgenland I
Österreichs östlichstes und mit 3965 Quadratkilometern kleinstes Bundesland zählt rund 301 250 Einwohner. Die Nord-Süd-Ausdehnung beträgt 166, die Ost-West 85 Kilometer. Mit 884 Metern über dem Adria-Niveau gilt der östlichste Ausläufer der Alpen, der Geschriebenstein im Ginsergebirge, als höchster Punkt, der mit 113 Metern tiefste soll sich in Andau bei Neusiedl am See finden. Hauptstadt ist Eisenstadt. Klimatisch geht es im Nord- und Mittelburgenland eher kontinental zu, im Südburgenland begünstigt das milde pannonische Klima im Verbund mit der Beschaffenheit des Bodens am Übergang zum mediterranen den Weinbau. Der Tourismus spielt eine große Rolle. Beste Reisezeiten sind April/Mai bis September/Oktober. Von Mörbisch lohnen Ausflüge etwa in die Storchen-Stadt Rust, in die Esterhazy- und Haydn-Stadt Eisenstadt, in den Nationalpark Neusiedlersee/Seewinkel, mit der Fähre hinüber nach Illmitz, zum Tor der Freiheit bei St. Margarethen sowie über die Grenze nach Ungarn. Festspiele finden jedes Jahr in Mörbisch auf der Bühne im See (2024/Musical „My fair Lady“) sowie in St. Margarethen im Römersteinbruch (2024/Oper „Aida“) statt. Das Burgenland ist Radfahrerland (Fahrradverleih Sonnenhof/Mörbisch, www.sonnenhof-moerbisch.at).
Info Burgenland II
Zur Einquartierung können wir in Mörbisch den Winzerhof Schindler (vier Sterne, 15 Doppelzimmer/Suiten, hell, freundlich eingerichtet, natürliche Materialien, gut ausgestattet, viel Grün, lauschig-romantischer Arkaden-Innenhof, großer Weinkeller, www.winzerhof-schindler.at) empfehlen. An Lokalitäten bieten sich in Mörbisch etwa das Gasthaus Csarda, Philipps Genussheuriger, Pizzeria Giovanni, Restaurant „Zum bunten Storch“, Steakhaus Pfeiffer und die Weinkantine Dió an, im Zentrum von Eisenstadt das Chez Paul. Als kulinarisch beliebte heimische Spezialitäten gelten Erdäpfelgulasch, Krautsuppe, Krautstrudel, Krautfleckerl, Paradeiserkraut und Bohnensterz. Was den Wein betrifft, werden etwa auf dem Winzerhof Schindler vorwiegend rote und weiße Weine produziert, die typisch sind fürs Burgenland. Traditionelle Sorten wie Blaufränkischer und Welschriesling gelten als gebietstypisches Basissortiment. Weine wie Merlot und Syrah sollen als international bekannte und gefragte Sorten den Bogen zum Zeitgeist spannen. Information: Burgenland-Tourismus, Johann-Permayer-Straße 13, 7000 Eisenstadt/Österreich, Telefon 0043-(0)-2628-633840, www.burgenland.info.
Die Reportagereise haben wir diesmal mit einen DS4-Langstreckentest verbunden.
Service Anreise
Die Reportagereise ins Burgendland haben wir diesmal mit dem 1800 Kilometer langen „Auto im Alltag“-Test eines DS4 Plug-in-Hybrids der französischen Stellantis-Premiumkonzernmarke DS Automobiles verbunden. Die Daten des kompakten, allerdings auch nicht ganz billigen Lifestyle-Crossover-Modells mit Pariser Chic, das für eine kleine Familie samt Gepäck sogar langstrecken- und damit urlaubstauglich ist, finden Sie gleich im Anschluss an diese Zeilen. Wer von Deutschland aus ins Burgenland will: Mit dem Auto sind es von Passau aus über die Autobahn an Linz und Wien vorbei bis zur Abfahrt St. Margarethen und dann weiter über Rust noch gut 345 Kilometer oder gut dreieinhalb Stunden bis Mörbisch. Wir haben im Mostviertel im niederösterreichischen St. Valentin im Gasthof Pillgrab (www.pillgrab.at) noch eine Zwischenübernachtung eingelegt. Bei Bus und Bahn sind Wien und Eisenstadt Umsteigeknoten. Der Flughafen Wien-Schwechat ist knapp über 40 Kilometer oder etwa eine dreiviertel Stunde entfernt.
Datenblatt
(DS4 E-Tense 225) Motor: Vierzylinder-Turbobenziner plus Elektromotor. Hubraum: 1,6 Liter. Leistung: (Verbrenner) 132/180, (Elektromotor) 81/110, (System) 185/225 kW/PS. Maximales Drehmoment: (Verbrenner) 300, (Elektromotor) 320, (System) 360 Newtonmeter. Beschleunigung: 7,7 Sekunden von 0 auf Tempo 100. Höchstgeschwindigkeit: 233 Stundenkilometer. Antrieb: Front. Getriebe: Acht-Stufen-Automatik. Umwelt: Testverbrauch laut Bordcomputer 5,6 Liter pro 100 Kilometer, nach WLTP kombiniert 32-36 Gramm Kohlendioxidausstoß pro Kilometer bei angegebenen 1,4-1,6/8,2-8,3 Litern Mixverbrauch. Elektrische Reichweite: 62, innerstädtisch 73 Kilometer. Abgasnorm: Euro-6e. Testwagengrundpreis: Laut Beiblatt 49 900, mit Sonderausstattungen 57 630 Euro.
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KoCom/Fotos: Günther Koch
24. Juni 2024