Im Oste-Land
Deutschland ist schön: Zwischen Weser und Elbe / Eher stille Region / In Bremervörde mit Ausflug nach Stade
Von Günther Koch/Life-Magazin
Bäume spiegeln sich im Natur- und Erlebnispark Vörder See bei Bremervörde. Fotos: Koch
Bremervörde/Stade – Richtung Norden. Und dann – wir haben „Autobahn meiden“ in die Navigation unseres Wagens eingegeben – aus Richtung Süden kommend eigentlich immer nur geradeaus. Grob erst an Porta Westfalica und dann bald östlich bereits an Bremen vorbei. Und schon sind wir da. Im Oste-Land.
Im kleinen Hafen der Oste-Stadt Bremervörde. Schilfgras am Vörder See.
Am Vörder See
Es ist Karfreitag. Das Osterwochenende, fast immer irgendwie mit Reisen und Unterwegssein verbunden, steht bevor. Das Wetter ist schön. Die Sonne scheint. Wenn nur – selbst kilometerweit von der Küste entfernt im Inland – dieser Wind nicht wäre, der die Oberfläche des Vörder Sees bei Bremervörde fast schäumen, das Schilfgras am Ufer wild sich biegen lässt.
Gruppenskulptur im Park am Vörder See. Bachmann-Museum in der Alten Canzley.
„Der alles hat“
Im Oste-Hotel auf der „grünen Insel im Fluss“ herrscht kaum Betrieb. Eine kleinere Familienfeier. Nur zwei, drei Zimmer, die belegt sind. Und das am „Fluss, der“, so jedenfalls ein Plakat am kleinen Bremervörder Hafen, „alles hat“: Großsegler und Stör-Denkmal in Oberndorf. Fischkutter auf dem, Sportfischer am Unterlauf. Klappbrücke in Geversdorf. Ausflugsschiff bei Balje. Prahmfähre in Brobergen. Museum und Brutanlage in Sittensen. Rudern an der Schwebefähre. Fahrgastschiff „Mocambo“. Alter Hafen in Neuhaus. Sportboote in Hechthausen. Shanty-Chor in Hemmoor. Wassermühle in Eitzte. Oste-Zufluss in Wertzen. Und sogar Seehunde an der Mündung in die Elbe bei Cuxhaven. Das blaue Netz der Oste verbindet.
In Bremervörde lässt Wilhelm Busch Max und Moritz grüßen. Poetische Pharmazie an der Bahnhofsapotheke.
Weniger bekannt
Es ist eine stille Region, durch die sich der Fluss von Tostedt am Rand der Lüneburger Heide über 156 Kilometer gemächlich bis zur Vereinigung mit seiner großen Schwester schlängelt. Ein „ursprüngliches Stück Niedersachen, ideal für Wassersportler und Radfahrer“, wie es im Internet steht. Eine in der Tat eher wenig bekannte Region. Ruhiges Bauernland. Viel Landwirtschaft. Äcker und Wiesen. Alleen, die kilometerlang schnurgerade verlaufen und wegen der Wildwechsel-Gefahr in Teilabschnitten auf Tempo 50 reduziert sind, während in geschlossen Ortschaften mitunter sogar 70 erlaubt ist.
Noch in Bremervörde: Wassertrinker in der Brunnenstraße. Schon in Stade: Seminarturnhalle.
Vor über tausend Jahren
Bremervörde. Stadtrundgang. Es gibt in dem vor über tausend Jahren aus einer Burg mit einer kleinen Ansiedlung entstandenen Ort Vörde, dem die Furt der Oste ihren Namen gegeben hat, einiges zu sehen, das Stadtgeschichte erzählt:
Im alten Stader Hansehafen. Der nachgebaute Tretkran hat keine innere Mechanik.
Das Alte und Ehemalige
Da ist zum Beispiel das Alte Posthaus. Oder das Alte Rathaus. Die Alte Apotheke. Die Burg am Kreishaus. Germelmann-Haus. Landvolk-Haus. Tiedemann-Haus. Kleensches Haus. Haus des Waldes. Haus am See. Villa Thieß. Dann Liborius-Kirche. Ehemaliges Arbeitsamt. Ehemaliges Hotel Rosenbusch. Ehemaliges Katasteramt. Dazu Amtsgericht. Christliches Jugenddorf. Bachmann-Museum in der Alten Canzley. Auen-, Bürgerpark. Rekonstruiertes Hüttendorf aus der Mittelsteinzeit. Gerichtsherren-, Ochsenzollbrücke. Ochsenweg. Aussichtspunkt Oste-Wiesen. Seebühne. Welt der Sinne. Garten im Natur- und Erlebnispark. Riesen-Ei. Oder die Umweltpyramide des Naturschutzbundes. Was wohl die Wassertrinker in der Brunnenstraße, die Menschen im Moor am Rathausmarkt oder der alte Liborius, Bischof und Heiliger, mit Kind bei der gleichnamigen Kirche, allesamt in Skulpturen verewigt, über Bremervörde früher und heute denken? Wilhelm Busch, einst Gast bei der Hochzeit seines Bruders hier, würde sich schmunzelnd wohl seinen Reim darauf machen.
Schmucke Hausfassade in Stades Altstadt. Frauenskulptur mit Fisch in der Hand.
Wie bei den Buddenbrooks
Freunde in Bremervörde empfehlen einen Ausflug ins knapp 30 Kilometer entfernte Stade, der Hansestadt, deren Name sich mit einem natürlich entstandenen Anlegeplatz für kleinere Schiffe beziehungsweise auch einfach nur mit Ufer, Küste oder Hafen verbindet. Klar, der Wind dreht auf. Die engen Altstadtgassen scheinen ihn wie in einem Katalysator nur noch zu beschleunigen. Stade ist für seine Fachwerkhäuser meist aus dem 17. Jahrhundert bekannt, der Hafen samt Schwedenspeicher, heute Museum, wirtschaftliches Herz gewesen. Wo der Salzkran stand, ist nach altem Lüneburger Vorbild ein Tretkran ohne Innenmechanik errichtet worden. Kaum zu glauben, dass Mitte der 1970er-Jahre die Stadtwaage abgerissen, zugleich der ganze Hafen, über 1000 Jahre alt, zugeschüttet werden sollte – für einen Parkplatz! Hafen und historische Bausubstanz sind erhalten geblieben. Auch im Fall der Löwenapotheke, deren Kaufmannstreppenhaus als Beispiel für eine Diele in einem mittelalterlichen Gildehaus gilt und „Buddenbrook’sche Reminiszenzen“ weckt. Das Zeughaus am Pferdemarkt ist in Stades Schwedenzeit zwischen 1697 und 1699 als Waffenarsenal entstanden.
Stade war einst auch bewehrt. Wieder in Bremervörde: Weg rund um den Vörder See.
Im Natur- und Erlebnispark
Zurück in Bremervörde. Am Vörder See. Buchtenreiches Flachgewässer. Über einen Kilometer lang. 800 Meter breit. Umfang etwa 3,8 Kilometer. Mittlere Tiefe zwei Meter. Natur- und Erlebnispark in den Geestniederungen im Norden der Stadt. Östlich verläuft die Oste. Wer will, kann angeln, rudern, segeln oder surfen. Oder am Ufer im Haus am See einkehren, einem 1986 wieder aufgebauten Fachwerkhaus mit Reetdach aus dem Jahr 1861. Auch Remise und Scheune sind originalgetreu erstellt worden. Später ist noch ein Backhaus dazugekommen. Heute beherbergt die Hofstelle ein Restaurant, in dem nach dem Smachtmooker und den Vörwech-Gerichten noch Mit’n-Leppel-to-eten-Suppen, Solot, Greuntüch, Speisen ut’n See und ut’n Meer, von’n Buurnhoff, for de Görn und for Leckermuul’s zur Wahl stehen.
Nachgebautes Haus am (Vörder-)See. Ein Steg führt hinaus aufs Gewässer.
Kaum Windstille
Egal ob Wind weht oder nicht: Es soll Segler in der Region geben, die sagen „Wir haben kaum windstille Tage hier“ - und freuen sich natürlich aus gutem Grund darüber. Nicht selten wahrscheinlich in geselliger Runde bei einer dieser gemischten Fischplatten, die individuell selber zusammengestellt worden sind. Vielleicht sogar mit Fischen aus dem Oste-Land.
Info Oste
Der mit immerhin 156 Kilometern längste linke Nebenfluss der Unterelbe in Niedersachsen, der nahe Otter im Landkreis Harburg entspringt und bei Cuxhaven in die Elbe mündet, durchfließt zusätzlich die drei Landkreise Rotenburg, Stade und Cuxhaven. Er hat entsprechenden Angaben zufolge bei Bremervörde ein Einzugsgebiet von fast 1000 Quadratkilometern, das am Ende auf über 1714 Quadratkilometer zunimmt. Der Abschnitt von Bremervörde bis zur Mündung ist etwa 75 Kilometer lang. Bei Bremervörde befinden sich ein Sperrwerk und ein kleiner Hafen, sodass die Oste von dort aus nach mittlerem Hochwasser mit kleinen Booten und Schiffen mit bis zu zwei Metern Tiefgang befahren werden kann.
Info Bremervörde/Stade
Der im Norden des Landkreises Rotenburg/Wümme an der Oste zwischen Bremerhaven und Hamburg befindliche staatlich anerkannte Erholungsort Bremervörde zählte zuletzt rund 19 000 Einwohner. Sehenswert in der Kleinstadt und deren Umgebung sind über die im Haupttext bereits genannten Touristenziele hinaus noch Oste-Wehr, Heimathausanlage Plönjeshausen, Heimathaus Hesedorf, Heimathaus Mehedorf, Holländer-Windmühle Henriette in Elm, Kornspeicher Nieder-Ochtenhausen und die ehemalige Ziegelei in Bevern. Touristikinformation Bremervörde, Rathausmarkt 1, 27432 Bremervörde, 04761-987142, www.bremervoerde.de. In der Hanse- und Kreisstadt des gleichnamigen Landkreises in Niedersachsen, Stade, lebten zuletzt - rund 45 Kilometer westlich von Hamburg und etwa 60 Kilometer südöstlich von Cuxhaven am Rand des Alten Landes und zur Metropolregion Hamburg gehörig - gut 50 000 Einwohner. Sehenswert hier sind über die im Haupttext hinaus bereits genannten Touristenziele noch Baumhaus, Heimatmuseum, Kunsthaus, Freilichtmuseum auf der Insel, Museumsschiff Greundiek, Festung Grauerort sowie ehemalige Klöster und Stifte. Touristikinformation Stade, Hansestraße 16, 21682 Stade, Telefon 04141-776980, www.stade-tourismus.de.
Service Anreise
Mit dem Auto reist man aus Bremerhaven am besten über die A27 Richtung Bremen an. Aus Hamburg über die A26 und B73 Richtung Stade oder über die A1 Richtung Bremen. Aus Bremen/Hannover über die A27 Richtung Bremerhaven und die B71. Von Rotenburg/Wümme über die B71. Bremervörde und Stade lassen sich beide auch mit der Bahn erreichen. Die nächstgrößere Flughäfen auch international sind die in Bremen, Hamburg und Hannover.
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KoCom/Fotos: Günther Koch
6. Juni 2023