Zwischen den Meeren
Unterwegs in Sønderjylland im Süden Dänemarks / Auf der einen Seite die Nord-, auf der anderen die Ostsee
Von Kurt Sohnemann/Life-Magazin
Natur und sanfter Tourismus spielen auch in Dänemark eine wichtige Rolle. Fotos: Sohnemann
Sønderborg – Bent steht mit seinem uralten, aber komfortablen Auto seit einer Viertelstunde am Fähranleger im dänischen Ballebro, um von Sønderjylland im Süden Jütlands auf die Insel Als zu kommen. „Wenn ich jetzt über Sønderborg fahre, dann bin ich zwar schneller dort, habe es aber nicht so gemütlich“, erzählt der lebenserfahrene Däne, während seine Frau auf dem Beifahrersitz in aller Ruhe Pullover für die Enkel strickt. Bent klischiert die Gelassenheit der Dänen, die in eine entspannte Lebensform zu führen scheint. Nördlich von Flensburg wird sie „hygge“ genannt.
Die Nordsee zeigt sich oft wilder. Auf Rømø sind die Strände kilometerlang und -breit.
So viel wie ein Fischbrötchen
Eine knappe halbe Stunde benötigt die kleine Fähre, kostet etwa so viel wie ein Fischbrötchen und ermöglicht einen Blick auf den Lillebelt, den kleinen Teil der Ostsee, wo schon einmal die eine oder andere Robbe den Kopf neugierig aus dem Wasser hebt. Doch manchmal kommen Urlauber nicht umhin, die malerischen Küstenstreifen Südjütlands zu verlassen. Insbesondere dann nicht, wenn sie Kinder an Bord haben in einem Alter, in denen Achterbahnen den Reiz eines jeden Naturschauspiels hinter sich verblassen lassen.
Ein Spaziergang am Strand tut gut. Schafe und Möven gehören zu Südjütlands Westküste
Aus Kartoffeln Strom gewinnen
Auf der Ostseeinsel Als hat das dänische Unternehmen Danfoss einen Unterhaltungspark gebaut. Spielerisch werden dem Nachwuchs hier die physikalischen Kräfte anschaulich erklärt, die beispielsweise von hydraulisch betriebenen Wasserkanonen über aktives Experimentieren mit Zentrifugalkraft und elektronischen, nachvollziehbaren Reaktionen bis hin zu Aktionen in Zusammenhang mit der Schwerkraft führen. Während sich eine Schar Besucher staunend um eine Station versammelt, an der Strom aus Kartoffeln gewonnen wird, testen andere Gäste des Wissenschaftsparks am Rand von Nordborg ihre Fähigkeiten in einem Hochseilgerüst aus. Danfoss will vor allem Kinder für Naturwissenschaften, Technik und Unternehmertum begeistern, was der Blick in die Altersstruktur der Kletternden verdeutlicht.
Im Innenhof von Schloss Sønderborg. Die Gassen in Aabenraa sind historisch geprägt.
Früher nicht immer friedliches Miteinander
Wer in Südjütland Attraktionen wie Museen oder eben den Technikpark günstig erleben möchte, kann sich mit einer kombinierten Eintrittskarte ausstatten, die dann den Besuchspreis erheblich reduziert. Darin enthalten ist auch der Eintritt ins Schloss Sonderburg, in dem übersichtlich die deutsch-dänische Grenzgeschichte veranschaulicht ist. In weiter Vergangenheit war das ein nicht immer friedliches Miteinander wie derzeit. Heute ist es sogar so, dass in Dänemark deutsche Kindergärten, Schulen und Gottesdienste für Integration sorgen, wie übrigens in Schleswig-Holstein umgekehrt auch für die dänische Minderheit. Entsprechend freundlich empfangen Südjütländer deutsche Gäste. Da die dänischen Gastgeber eine Vielzahl von Ferienhäusern vorhalten, stehen diese in der Beliebtheit bei den deutschen Urlaubern ganz oben. Das heißt nicht, dass Hotels oder Campingplätze vernachlässigt sind. Nur ist das überproportionale Angebot an Ferienhäusern, meist mit Whirlpool und Sauna ausgestattet, ziemlich groß.
Die komfortablen Ferienhäuser liegen oft idyllisch. Auch Sønderjyllands Natur lockt Touristen.
Eine halbe Stunde bis zur Nord- oder Ostsee
Wer Südjütland besucht, findet sich in der glücklichen Lage wieder, das Meer nicht in weiter Entfernung zu haben, egal, wo er wohnt. Mit dem Auto ist entweder die Ostsee oder die Nordsee nach einer halben Stunde erreicht. Die raue Nordsee unterscheidet sich merklich von der doch beschaulicheren Ostküste. Ob in der Naturschutzregion von Tonder oder auf der Insel Rømø, die mit kilometerlangen und breiten Stränden beeindruckt: Das wilde Meer prägt in seiner unverwechselbaren Art die Westküste. Mit Kiteschirm und Board oder mit dem Strandsegler ist der aktive Urlauber an der Nordsee gut aufgehoben. Unzählige Drachen am Himmel und Spaziergänger im weichen Sand ergänzen malerisch das Bild. Zum Angeln eignet sich eher die Ostsee. An ruhigen Buchten oder schilfbewachsenen Küstenstreifen lassen sich Plätze mit entsprechenden Fischvorkommen finden. Häufiger sind jedoch Gäste anzutreffen, die einen Fisch lieber haben, wenn er von einem der mittlerweile vielen dänischen Spitzenköche zubereitet ist. Eine recht hohe Anzahl an Restaurants mit ansprechender Gastronomie bietet vielseitige Gastronomie. Dabei bestimmt die Nähe zum Meer auch die Speisekarten.
Saftmixen geht im Wissenschaftspark von Nordborg auch per Rad. Einsame Strände bieten Entspannung.
Nicht nur hyggelig, sondern auch hügelig
Mitteleuropäischen Besuchern wird in Regionen wie dieser schnell deutlich, dass die Lebenshaltungskosten in Dänemark etwas höher als in Deutschland sind. So gestalten viele Familien ausschließlich die festlichen Anlässe in den Restaurants, während die komfortablen Ausstattungen der Ferienhausküchen ins Alltagsgeschäft der Gäste eingebunden sind. Durch eine unübersehbare Affinität der Dänen zum Fahrrad lassen sich die Landstriche aber auch auf zwei Rädern erkunden. Dabei ist es nicht von der Hand zu weisen, dass sich ein E-Bike in manchen Situationen sogar empfiehlt, weil Dänemark nicht nur hyggelig, sondern eben auch hügelig ist. Zudem bläst der Wind meist von vorn – jedenfalls, wenn man schnell genug in die Pedale tritt. Wer wandert, findet in Südjütland ebenfalls gute Bedingungen vor. Die landschaftliche Abwechslung bietet unterschiedlichste geologische Formationen und Vegetationen.
Uferstreifen fordern Biker heraus. Möglichkeiten zum Picknick gibt es an den Küsten genug.
Ausnahme für Schleswig-Holsteiner
Bedingt durch Corona hat Dänemark vorerst für deutsche Urlauber die Grenzen geschlossen. Nur die Einwohner Schleswig-Holsteins dürfen das Land besuchen. Wann sich die Situation wieder ändert, hängt vom Verlauf der Covid-19-Situation in Dänemark und Deutschland ab. Die dänische Regierung will bei entsprechender Lage reagieren.
Info Sønderjylland
Die dänische Bezeichnung für Süderjütland bezieht sich auf das Gebiet, auf dem sich von der Eider bis an den jütländischen Fluss Königsau, dänisch Kongeå, einst das ehemalige Herzogtum Schleswig erstreckt hat. Nach der Volksabstimmung 1920 in Schleswig ist der Nordteil des Herzogtums an Dänemark, der Südteil an Deutschland gefallen. Seitdem wird mit Sønderjylland meist nur noch das Gebiet von der deutsch-dänischen Grenze in der Höhe von Flensburg bis zur Königsau bezeichnet, auch wenn der Begriff im Prinzip die gesamte schleswigsche Region umfasst. Jütland selbst erstreckt sich im westlichen Teil Dänemarks auf der Kimbrischen Halbinsel von der deutsch-dänischen Grenze bis zur Landspitze Grenen nördlich von Skagen, ist im Westen umgeben von der Deutschen Bucht, im Norden vom Skagerrak, im Osten vom Kattegat und Kleinen Belt, bildet somit im Grunde das dänische Festland, während anderen Teile sich auf Inseln beziehen. Klimatisch geht es im Land kühl-gemäßigt zu mit frischeren Wintern und mäßig warmen Sommern. Währung ist die dänische Krone mit der kleinsten Einheit Öre.
Info Als
Die vom Kleinen Belt im Osten und Norden, vom Als-Sund und Als-Fjord im Westen und von der Flensburger Förde im Süden umgebene dänische Insel, in der Ostsee die achtgrößte des Landes, ist 312 Quadratkilometer groß, 35 Kilometer lang und 16 Kilometer breit, zählt rund 49 500 Einwohner. Hauptort ist Sønderborg. Die Menschen auf Als, deutsch Alsen, leben meist von der Landwirtschaft, bauen Weizen, Obst und Gemüse an, betreiben Fischerei. Die Insel verfügt über gute Badestrände und liegt im beliebten Segelrevier der „dänischen Südsee“. Wichtigstes Unternehmen ist Danfoss in Nordborg, spezialisiert auf Wärme- und Kältetechnik sowie Hydraulik und Elektromotoren. Information: Sonderjylland, Perlegade 48, 1. Sal, 6400 Sønderborg/Dänemark, Telefon 0045-(0)-81824570, www.visitsonderjylland.de. Dänisches Fremdenverkehrsamt, Glockengießerwall 2, 20095 Hamburg, Telefon 01805-326463, www.visitdenmark.com.
Service Essen/Trinken
Was Essen und Trinken betrifft, sind in Dänemark das wie Joghurt mit Buttermilch-Note schmeckende Milchprodukt Ymer, mit Fisch, Krabben, Kaviar, Wurst oder Käse belegtes Smørrebrød, Rød pølse genannte Hot-Dog-Wurst, gebratener Schweinebauch Stegt flæsk, süße Risalamande aus kaltem Milchreise und Schlagsahne, der Kümmelschnaps Akvavit und vor allem zu Silvester der Kranzkuchen Kransekage aus in mehreren Lagen übereinander geschichteter Marzipanringe bekannt. An Restaurants können wir in der Region Aabenraa das Knapp in Aabæk empfehlen mit typisch dänischer Stjerneskud-Sternschnuppe als Schwarzbrot mit dreierlei Sorten Fisch und Krabben. In Sønderborg weist das „Huset Blom“ eine erlesene Küche mit Gerichten auf, die auf Tellern serviert und dann am Tisch geteilt werden. Ein beliebtes Spezialitätenlokal für Fisch und sonstige Meeresfrüchte ist in Havneby auf der Insel Rømø „Holm’s Smokehouse“. Was Konserven und alkoholische Getränke betrifft, gilt generell, dass Sie diese lieber von zu Hause mitbringen sollten, da sie in Dänemark in der Regel doch deutlich teurer sind.
Service Auto
Der Süden Dänemarks ist relativ leicht über die A7 an Flensburg vorbei zu erreichen. Wer westlich der Autobahn die Region von Deutschland aus besuchen will, fährt über Diebüll und die kleine Grenzgemeinde Rosenkranz oder östlich der Autobahn von Kupfermühle in Richtung Krusau. Möglich ist auch, ab Sylt die Fähre direkt zur Insel Rømø zu nehmen. Von Flensburg bis Sønderborg sind es mit dem Auto etwa 50 Kilometer. In Orten ist in Dänemark 50, außerhalb und auf Schnellstraßen 80, auf Autobahnen 130, teilweise aber auch nur Tempo 110 erlaubt. Die Promillegrenze liegt bei 0,5. Zwei Straßenbrücken führen über den Alsensund. Auch von Flensburg aus verkehren regelmäßig Fähren nach Sønderborg, im Volksmund wegen der Fahrt über die Flensburger Förde gern Fördedampfer genannt. Nördlich befindet sich auf der Landzunge Arnkill zwischen Augustenborgfjord und Alsensund der Flughafen mit Verbindungen mehrmals täglich in die mit dem Auto etwa 230 Kilometer entfernte dänische Hautstadt Kopenhagen.
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KoCom/Fotos: Kurt Sohnemann
18. Dezember 2020