Bis nach Pinhão
Eine kleine Port(o)-Geschichte / Steile Lagen, edle Tropfen: Im Tal des Weins am Douro entlang
Von Günther Koch/Life-Magazin
Hinter dem Douro bauen sich terrassenförmig schon die Weinlagen auf. Fotos: Koch
Porto – Eine Stadt, ein Land: Porto, Portugal! Die Ähnlichkeit dieser beiden Namen kommt nicht von ungefähr. „Es war nämlich Porto, die Hauptstadt des Nordens, Cidade Invicta, die ‚unbesiegte Stadt‘, die unserem Land seinen Namen gegeben hat“, sagt Simone Carvalho, die portugiesische Kollegin, die uns – lange vor Corona – im Rahmen einer Opel-Fahrvorstellung bei einer Reise von Porto durchs Douro-Tal begleitet.
Ein Zeichner hat Porto mit der Bogenbrücke so festgehalten. Die alte Straßenbahn fährt noch.
Brücke und Altstadt als Weltkultur
Im Zentrum von Porto. Die Clérigos-Kirche mit dem barocken Kirchturm. Der bunte Bolhão-Markt. Der Bahnhof São Bento mit den charakteristischen Wandfliesen in der Halle. Die berühmte Bogenbrücke über den Douro, konstruiert von einem Schüler des Eiffelturm-Erbauers Gustave Eiffel, die genauso Weltkulturerbe ist wie Ribeira, die historische Altstadt Portos, deren schönste Ecken laut Carvalho am Flussufer liegen. Dazu zeitgenössische Bauten wie die Casa da Música oder das Museum Serralves. Wer durch Portos Straßen schlendert, ist auf einer Zeitreise unterwegs. Die als eine der schönsten Buchhandlungen der Welt ausgezeichnete Livraria Lello ist für unsere Begleiterin in jedem Fall ein Muss.
Schnell fangen die terrassierten Weinlagen an. Melrinhos bittet um Beistand, vielleicht für eine gute Lese.
Handelsbeziehungen seit dem Mittelalter
Atlantik, Douro-Mündung: Porto und Wasser gehören zusammen. An der Küste öffnen sich immer wieder kleine Buchten, eingerahmt von imposanten Felsen. Es gibt geschäftige Häfen wie in Matosinhos, alte Fischerdörfer wie Póvoa do Varzim. Der Douro mündet zwischen Porto und Vila Nova de Gaia ins Meer, bildet damit die Grundlage der zurück bis ins Mittelalter reichenden Handelsbeziehungen zwischen Stadt und Tal. Erst habe man, so Carvalho, mit Nüssen, Trockenfrüchten und Olivenöl gehandelt. So richtig Fahrt aufgenommen habe der Handel danach aber erst mit einer anderen Ware: Mit Wein!
Blauer Himmel, der Turm eines Gotteshauses am Weg. Die Palme steht genauso für den Süden wie die Reben.
Transport auf traditionellen Rabelo-Booten
Die Weingüter liegen alle in den Anbaugebieten entlang des Douro, während sich die Kellereien in Vila Nova de Gaia befinden. Das Küstenklima da ist mild und feucht, der Fluss nah. In den großen Lagerhäusern aus Wänden mit Granit und hohen Decken bleiben Feuchtigkeit und Temperatur das ganze Jahr über konstant. Bei der Alterung von Portwein sei das ganz entscheidend, betont Carvalho. Nur so könnten sich nach und nach die komplexen Aromen der Reife entfalten. Seit den ersten Tagen des Handels habe man den Wein in traditionellen Rabelo-Booten den Fluss hinuntergebracht und dann in großen Fässern in den Kellereien eingelagert, einige mehr als 300 Jahre alt.
Bei Entre os Rios führt die Ponte de Pedra über den Douro. Mächtiges Gestein sichert manche Terrassen ab.
Meist auf steilen, hügeligen Hängen in Terrassen
Das Douro-Tal selbst liegt eingebettet zwischen den Gebirgszügen Marão und Montemuro. Die gesamte Region erstreckt sich über 250 000 Hektar. Auf 45 000 davon gedeihen Reben auf meist steilen, hügeligen Hängen in von riesigen Schiefermauern abgestützten Terrassen. 55 Prozent aller weltweit in Bergen angebauten Weine sollen aus dieser Region stammen. Was Wein betrifft, so Carvalho, gleichzeitig eine der ältesten der Welt. 1756 hat der Marquês de Pombal das anfangs nur 40 000 Hektar große, einst von 333 Granitsteinen umgebene Anbaugebiet abgrenzen lassen, das sich heute von Mesão Frio bis Barca d’Alva erstreckt, unterteilt in Baixo Corgo, Cima Corgo und Douro Superior. „Hier werden“, glaubt unsere Begleiterin sogar, „die vermutlich teuersten Trauben der Welt angebaut!“
Immer wieder wird der Glaube offenbar. Das Kloster Alpendurado findet sich an der Rota do Románico.
Briten steigen ins Geschäft mit portugiesischem Wein ein
Von Barca d’Alva bis Porto ist der Douro auf 210 Kilometern befahrbar. „Wer will“, rät Carvalho, „kann sich hier auf Reisen unterschiedlicher Länge einlassen.“ Tagesfahrten werden meist für die Routen Porto-Régua-Porto, Régua-Pinhão-Régua und Régua-Barca d’Alva angeboten. Es gibt Stauseen, Dämme und Schleusen, die den wilden Fluss zähmen. Die Schönheit des Douro-Tals rührt aber in der Tat vor allem von den Weinbergen her. Jedes Glas mit Wein aus der Region, findet Carvalho, sei gefüllt mit jahrhundertealter Geschichte. Erste, in Mühlen gefundene Spuren von Weingläsern führten bis ins dritte Jahrhundert zurück. Was die besten Trauben für Douro- und Portweine angeht, zählen Experten Touriga Nacional, Tourige Franca, Tinta Barroca, Aragonez und Tinta Cão auf. Allein vom Port soll es mehr als 40 Sorten geben, der beste von den eher trockenen Hängen nahe am Fluss. Dass der Port eigentlich ein portugiesischer Wein sei, habe die Briten nicht davon abgehalten, in Portugal ins Portwein-Geschäft einzusteigen, erzählt Carvalho die Portwein-Geschichte:
Die beiden Steinmosaike stellen Traditionelles dar, ein Boot auf dem Douro und einen Ochsenkarren.
„Häufig im Austausch gegen heißgeliebten Kabeljau"
1388. Der Vertrag von Windsor stärkt die Handelsbeziehungen zwischen England und Portugal. Viele Briten siedeln sich in Viana da Castelo an, dem Zentrum des damaligen Handels mit Wein, wechseln später nach Porto. Ein 1654 geschlossenes Abkommen gewährt in Portugal lebenden englischen und schottischen Geschäftsleuten Privilegien – und die Weinexporte steigen an, „häufig im Austausch gegen den heißgeliebten gesalzenen Kabeljau“. Als Frankreich 1667 die Einfuhr von britischen Waren begrenzt, revanchieren sich die Briten mit dem Importverbot für französische Weine. Für Simone Carvalho beweisen die britischen Kaufleute aus Viana do Castelo in dieser Zeit ein Händchen für gute Geschäfte, reagieren schnell auf die gestiegene Nachfrage, haben zudem den Vorteil, den Geschmack der britischen Kunden zu kennen. „Daher haben sie sich auf die kräftigen, vollmundigen Weine von den Hängen des Alto Douro konzentriert.“
Durch die Rebstöcke geht der Blick hinunter zum Douro mit einem Anleger für kleine Boote bei Baião.
Durch Branntwein-Zugabe zufällig Rezept entdeckt
Die Weine stammen zwar aus der Region Alto Douro, aber sie werden schon damals nach der sie exportierenden Start Porto benannt. Um sie für die lange Schifffahrt frisch und haltbar zu machen, experimentieren die Briten, geben Branntwein zu. „So entdecken sie zufällig das Rezept für Portwein“, sagt Carvalho. Alles beginnt mit den Trauben. Die verschiedenen Sorten werden im September von Hand geerntet und gären zusammen – „wie ein Orchester, in dem jeder Musiker dazu beiträgt eine Sinfonie zu kreieren“. In kleinen Kisten gelangen sie zur Kellerei. Der Winzer begutachtet sie. Sie werde auf einer Matte handverlesen, anschließend von den Stielen gepickt. Traditionell kommen sie dann in große Granitfässer, wo sie später mit den Füßen ausgepresst werden.
Auch moderne Kunst findet sich mitunter genauso am Ufer wie blumige Aussichten auf den biegungsreichen Fluss.
Mit hochgekrempelten Hosen Schulter an Schulter
Die Männer, die das tun, stellen sich mit hochgekrempelten Hosen Schulter an Schulter, laufen in einer Reihe vorwärts durch die Presse, zerdrücken die Trauben, um den Saft und das Fruchtfleisch von der Haut zu lösen. Nach der ersten Etappe, der „Corte“ (für Schnitt), beginnt mit „Liberdade“ (für Freiheit) die zweite. „Jeder hat dabei seine eigene Choreographie“, erzählt Carvalho, „einige tanzen zu David Guetta, andere wiegen sich zu Balladen von Adele.“ Entscheidend sei, dass die Haut unter dem Traubenmost bleibe. Ein paar Stunden später setzt die Gärung ein. Ist etwa die Hälfte des natürlichen Zuckers aus dem Traubensaft in Alkohol umgewandelt, fängt die Anreicherung an. Durch die Zugabe von Branntwein mit 77 Prozent Alkohol wird der Port so besonders. Normalerweise beträgt das Mischungsverhältnis rund 115 Liter Branntwein auf 435 Liter gärenden Wein. Das tötet laut Carvalho die Hefe ab und unterbricht damit die Gärung, ehe der gesamte Zucker in Alkohol umgewandelt wird. So behält der Port etwas von der natürlichen Traubensüße, ist zudem stärker und dadurch länger haltbar. Port lässt sich länger in Holzfässern lagern als viele andere Weine. Je nach Farbe, Note, Zusätzen und Alter gibt es verschiedene Sorten.
Viel schmaler geht's wahrscheinlich nicht mehr. Blaue Azujelos-Kacheln dürfen auch am Douro nicht fehlen.
Danach in Zügen, heute im Tanklaster
Zurück auf der Strecke. Pinhão, das 650-Seelen-Dorf, schon früh mit Telefonanschluss und fließendem Wasser versehen, Vorreiter in Sachen Stromnetz und Straßenbeleuchtung, befindet sich mitten in der Douro-Region, eingerahmt vom Douro und vom Pinhão. Die Lage hat den Ort zu einem wichtigen Handelspunkt gemacht, besonders für den Transport von Port, zunächst eben auf Rabelo-Booten, später in Zügen entlang des Douro, heute, weniger malerisch, in Tanklastern. In Pinhão sind viele Gutshöfe entstanden, auf denen die edlen Tropfen hergestellt werden. Hier befinden sich auch die von Gustave Eiffel selbst entworfene Brücke und der Bahnhof, der auf Kacheln typische Szenen von früher zeigt. Vom Wein. Vom Douro. Mit einem Stückchen Porto. Mit einem Stückchen Portugal.
Porto ist samt Douro-Tal malerisch und bunt. Wieder zurück in der Stadt mit der Bogenbrücke.
Info Porto/Douro I
Porto im Norden Portugals an der Mündung des Douro in den Atlantik ist mit 240 000 Einwohnern – im Großraum 1,3 Millionen – nach Lissabon und dem benachbarten Vila Nova de Gaia drittgrößte Stadt im Land, bekannt geworden durch den im Hinterland angebauten Süßwein, dem Porto seinen Namen gab. Der Flug nach Porto dauert von Deutschland gut zweieinhalb Stunden. Der internationale Flughafen liegt zehn Kilometer nordwestlich. Leixoes ist der Überseehafen. Der Zeitunterschied beträgt eine Stunde. Amtssprache ist Portugiesisch. Mit Englisch kommt man gut weiter. Währung ist der Euro. Klimatisch geht es an der Küste maritim, im Landesinneren im Sommer warm, im Winter mild zu. Das Douro-Tal ist wie Portos Altstadt Weltkulturerbe. Mit die schönsten Gegenden finden sich um Sabrosa und Pinhão. Der Fluss Douro ist mit 897 Kilometern nach dem durch Spanien und Portugal fließenden Tajo/Tejo (1007 Kilometer) und dem nur in Spanien verlaufenden Ebro (925 Kilometer) der drittlängste Fluss auf der iberischen Halbinsel, entspringt im Norden Spaniens, mündet zwischen Porto und Vila Nova de Gaia in den Atlantik. Von der Grenze bis Mesão Frio bildet die Gegend um den Douro die Weinregion Alto Douro, das 1756 weltweit erste geschützte, streng abgegrenzte Anbaugebiet des Ports.
In der Kellerei Graham in Vila Nova de Gaia: „Porto, die Stadt, die dem Wein aus Porto seinen Namen gegeben hat“.
Info Porto/Douro II
Wir waren in Baião im Douro Royal Valley (fünf Sterne, 70 Zimmer/Suiten, modern außen und innen, direkt am Douro, www.douroroyal.com) untergebracht. Weingüter, Kellereien und Portwein-Hersteller wie Croft (draußen schöne Terrasse, drinnen schöner Kamin), Cockburn’s (landestypisch-malerische Hauptzufahrt aus weißem und schwarzem Basalt), Kopke (1638 von Deutschen gegründet), Real Companhia Velha (nach eigenen Angaben ältester portugiesischer Portwein-Produzent) oder Quinta do Bomfirm (im Besitz der seit 1882 im Douro-Tal wohnenden schottischen Familie Symington) lohnen einen Besuch. Als Restaurant können wir in Vila Nova de Gaia das Vinum (historische Lodge, zum 1820 gegründeten Portwein-Unternehmen Graham gehörend, eigenes Weingut Quinta de Malvedos, lokale Weine/Gerichte, www.vinumatgrahams.com) empfehlen. Spezialitäten sind Tripas-Eintopf mit weißen Bohnen, Caldo-Verde-Suppe mit geschnittenen Kohlblätterstreifen, Stockfisch Bacalhau à Gomes de Sá und Francesinha-Sandwich mit viel Fleisch und würzigen Zutaten. Der Port ist der bekannteste Wein der Region, es werden aber mehr Rot- und Weißweine angebaut. Information: Turismo de Portugal, Zimmerstraße 56, 10117 Berlin, Telefon 030-2541060, www.visitportugal.com.
Die wertvollsten Tropfen lagern gut gesichert. Kulinarisch geht es auch im Norden Portugals eher herzhaft zu.
Service Auto
Bequemer ist die Anreise nach Porto von Deutschland aus natürlich mit dem Flieger. Wer es dennoch mit dem Auto wagen will: Ab Basel sind es durch die Schweiz über Bordeaux in Frankreich sowie an Bilbao und León in Nordspanien vorbei noch über 1860 Kilometer. Die Strecke ab Lissabon über Coimbra ist rund 315 Kilometer lang. In Ortschaften darf in Portugal 50 gefahren werden, außerhalb 90/100, auf Autobahnen ist Tempo 120 erlaubt. Die Promillegrenze liegt bei 0,5. Die Fahrt von Porto durchs Douro-Tal fand im Rahmen der Fahrvorstellung des Opel-Kombis Astra Sports Tourer statt, der aktuell zu Einstiegspreisen ab 21 190 Euro bei den Händlern steht als Turbobenziner mit 110, 130 und 145 sowie als Turbodiesel mit 105 und 122 PS. Mit diesem Beitrag setzen wir unsere Reihe von Reiseempfehlungen für die Zeit nach Corona fort.
Portos Flughafen verfügt über ein modernes Terminalgebäude. Der Douro, rot das Douro-Tal, fließt quer durchs Land.
Das könnte Sie auch interessieren
Mondän an der Bucht: Im polnischen Seebad Zoppot Mehr Auf dem Königsweg: In der Freien und Hansestadt Danzig Mehr An der Biskaya: Im Land der Basken Mehr Al-garb: An Europas südlichster Festlandsküste, der Algarve in Portugal Mehr Deutschland ist schön: An der Mosel Mehr Das andalusische Erbe der Mauren: In der südspanischen Provinz Granada Mehr
KoCom/Fotos: Günther Koch
18. Juni 2020