An der Biskaya
Im Land der Basken / Warum Kaiser Napoléon III. mit zum Aufschwung in Biarritz beigetragen hat
Von Günther Koch/Life-Magazin
Weiß und Rot, hier an einem Hotel im Hinterland, könnten durchaus die Farben der Basken sein. Fotos: Koch
Biarritz – Ein kleiner Punkt nur auf der großen Landkarte Frankreichs. Direkt am Atlantik ganz unten links im äußersten Südwesten, von wo aus es nur noch wenige Kilometer bis hinüber auf die iberische Halbinsel nach Spanien sind. Das ist Biarritz an der Küste der Basken, wo wir – lange vor Corona – unterwegs gewesen sind. Auch mit diesem Beitrag wollen wir eine Reiseempfehlung geben – für die Zeit nach Corona.
Das Baskische ist nicht nur vor Hotels und Restaurants, sondern auch auf Wegweisungen zu finden.
Wo die Winde wehen
Air-Dolomiti-Charterflug EN 5055 hat seit dem Start in München ganz schön mit Turbulenzen zu kämpfen. Die Stewardess lässt auf Reiseflug-Höhe über Lautsprecher vorsorglich wissen, dass der Bordservice daher wohl nicht stattfinden kann. Selbst unmittelbar vor dem Aufsetzen auf der Landebahn des Regionalairports Biarritz-Anglet-Bayonne schaukelt die neue Embraer 195 noch ziemlich heftig. „Ja“, sagt der Flughafen-Mitarbeiter später im Terminal, „die Winde hier bei uns am Golf von Biskaya können es mitunter ganz schön in sich haben.“ Das Seegebiet der Bucht, die sich von Galicien bis hinauf zur Bretagne erstreckt, ist für schlechtes Wetter, starke Stürme und für extremen Seegang bekannt.
Frankreichs äußerster Südwesten hat prächtige historische Gebäude, teils sogar noch automobile Nostalgie zu bieten.
Zweisprachige Ortsnamen
Auch an diesem Tag in der zweiten April-Woche hängen dunkle Wolken tief über der Küste und dem Hinterland. Es regnet mal mehr, mal weniger. Nebelschwaden wabern über die schon überraschend grünen Wiesen und Hügel. Erste Baumtriebe brechen auf, Sumpfdotterblumen blühen, Schafe grasen, Kühe weiden, Pferde laufen über die Koppel. Von der futuristischen Cité de L’Océan im Süden von Biarritz geht es los durch ein Grenzland, in dem die Häuser rot und weiß angestrichen sind und Ortsnamen zweisprachig auf den Schildern stehen, erst auf Baskisch und Französisch, dann auf Baskisch und Spanisch. Mit der historischen Provinz Béarn bildet der französische Teil des Baskenlandes das Département Pyrénées-Atlantique, zu dem auch Biarritz gehört.
Das prunkvolle Hôtel du Palais in Biarritz hat Napoléon III. von 1854 bis 1856 errichten lassen, ...
An Saint-Jean-de-Luz und Hendaye vorbei
Die Region, in der wir uns auf französischer Seite noch immer befinden, ist Aquitanien. Wir fahren an Saint-Jean-de-Luz mit dem einzigen geschützten Hafen zwischen Arcachon und Spanien vorbei. Dämme sollen dem 13 000-Einwohner-Städtchen, das sich inzwischen sogar zu einem berühmten Badeort an der Côte Basque entwickelt hat, mehr Sicherheit vor den wuchtigen Wellen des Atlantiks. Hinter dem gut 15 000 Einwohner zählenden Hendaye am anderen Ufer des Bidassoa beginnt Spanien. Der Grenzbahnhof ist wichtig, weil jeder Bahnreisende hier oder in Irun umsteigen muss. Der Grund ist: Die französischen Züge rollen auf Normal-, die spanischen auf Breitspur.
... und zwar als Sommerresidenz auch für seine Eugénie, die Kaiserin. Vom Hotel geht der Blick über die Stadt.
Über den 450 Meter hohen Alto de Jaizkibel
Zwischen Hondarribia und San Sebastián überqueren wir den rund 450 Meter hohen Pass Alto de Jaizkibel, Radsportlern eher als Klassiker der Baskenrundfahrt bekannt. Eigentlich sollten wir hier „herrliche Aussichten“ genießen. Regen und Nebel mit Sichtweiten bis höchstens 50 Meter machen uns jedoch einen Strich durch die Rechnung. Auch noch in San Sebastián mit der baskischen Bezeichnung Donostia davor. Über 185 000 Einwohner leben in der Hafen- und Europas Kulturhauptstadt 2016. La Concha nennt sich die muschelförmige Bucht, an der San Sebastián liegt, begrenzt von den Felsmassiven Monte Igueldo und Monte Urgull. In der Ausfahrt selbst hat die kleine Insel Santa Clara ihren Platz gefunden. Der weitläufige Bogen der Bucht mit der Strandpromenade und der zwischen La Concha und der Mündung des Urumea gelegenen Altstadt ist Touristenattraktion. Kulinarisch sollen in der Stadt gleich mehrere Michelin-Sterne vertreten sein.
Das Meer kann sich auch von seiner sanften Seite zeigen. Statuen und stattliche Gebäude bezeugen die Geschichte.
Vom Fischerdorf zum schmucken Erholungsort
Auf der Rückfahrt legen wir, wieder in Frankreich, im nicht einmal 1500 Einwohner zählenden Guéthary an der Küste einen Zwischenstopp ein. Bei dem kleinen Ort handelt es sich um einen ehemaligen Walfanghafen, von dem aus die Fischer damals ebenfalls vor allem zum Thunfisch- und Sardinenfang hinaus aufs Meer gefahren sind. Biarritz bleibt lange ein eher unbedeutendes Fischerdorf. Erst als Eugénie 1854 kommt, Kaiser Napoléon III. ihr eine Residenz errichten lässt, beide regelmäßig stets im Sommer wiederkehren und den Ort bekannter machen, wandelt sich Biarritz zum mondänen Erholungsort für Könige aus Belgien, Portugal und Deutschland, für englische Lords und spanische Granden; selbst Sis(s)i, Österreichs Kaiserin, soll ihren Weltschmerz hier kuriert haben.
Typische Häuserreihe im Hinterland. Die Wege lohnen: Rechts geht’s etwa nach Bayonne, links nach Saint Palais.
Einst eine Hauptstadt des Charleston in Europa
In den 1920er-Jahren gilt Biarritz in Sachen Tanz als eine Hauptstadt des Charleston in Europa. Noch nach dem Zweiten Weltkrieg zieht es den Adel hierher. Ernest Hemingways erster größerer Roman „The Sun also rises“ wird in Biarritz verfilmt, wo Surfer danach eines ihrer neuen Paradiese entdecken – wegen der hohen Wellen und der Strände.
Der Landstrich hinter der Küste ist sattes, tiefgrünes Hügelland. Das malerische Hotel Euzkadi steht in Espelette.
Die schöne Geschichte vom Mädchen Miarritze
Über die Stadt selbst gibt es die Geschichte vom baskischen Mädchen Miarritze, dem Gott im Traum verspricht, die Seele seines Dieners Martin in ein entlegenes Land zu schicken. Er erscheine als bunter Vogel, trage als Zeichen des Reichtums, den die armen Leute an der Küste dann geschenkt bekämen, einen Fisch mit goldenen Schuppen im Schnabel. Laut Erzählung finden die Bewohner einige Tage später tatsächlich einen Eisvogel, französisch Martin-Pêcheur. Die „Martinsfischer“ bauen, veranlasst durch Miarritze, Schiffe, um auf Walfang zu gehen. „Eines Tages“, so die Legende weiter, „strandet ein Schiff, Miarritze nimmt die Seefahrer, die sich Biarrins nennen und aus der Gascogne kommen, auf – und wird die Frau des Anführers.“ Woraus schließlich der Name Biarritz entstanden sein soll ...
Unterwegs auf der Platanen-Allee bei Sare. Zu den besonderen regionalen Produkten gehört auch Honig.
Info Biarritz I
Biarritz, baskisch Miarritze, zählt rund 25 000 Einwohner. Die Stadt im Département Pyrénées-Atlantique im äußersten Südwesten Frankreichs ist ein bekanntes See- und Heilbad am Atlantik, das zuletzt nicht zuletzt vom Kongresstourmismus gelebt hat. Auf dem Felsriff Rocher de la Vierge, erreichbar über eine von Gustave Eiffel konstruierte Brücke, ragt ein über 70 Meter hoher Leuchtturm empor. Sehenswert sind Asiatica-, Meeres-, Geschichts-, Schokoladenmuseum und Orthodoxe Kirche. Es gibt ein Casino. Der Flug dauert von Deutschland anderthalb bis zwei Stunden. Biarritz teilt sich den Regionalairport mit Anglet und Bayonne. Das Klima an der Küste ist maritim, im Hinterland eher gemäßigt.
Info Biarritz II
Wir waren im Hôtel du Palais (fünf Sterne, 153 Zimmer/Suiten, luxuriös eingerichtet, Gourmetrestaurant, www.hotel-du-palais.com) untergebracht. Die baskische Küche reicht vom Stockfisch Bacalao a la Vizcaina über Thunfisch/Kartoffel-Eintopf Marmitako bis zur Txangurro-Seespinne. Regionale Spezialitäten sind schwarze Alubias-Bohnen, Paprikawurst Chorizo de Orozko, Idiazabal-Schafskäse, grüne Pimientos-Paprika aus Gernika und Jambon-Schinken aus Bayonne. Der Txakoli ist ein trockener Weißwein, der Izarra ein Kräuterlikör aus der Gegend. Rioja-Wein kommt aus Álava. Information: Atout France, Zeppelinallee 37, 60325 Frankfurt/Main, www.atout-france.fr.
Service Auto
Wer mit dem eigenen Wagen anreisen will: Von der deutsch-schweizerischen Grenze sind es bis Biarritz noch rund 1050 Kilometer. Die Strecke führt durch die historische Region Burgund, die Franche Comté, das Limousin und Nouvelle-Aquitaine. Für die reine Fahrzeit quer durch Frankreich sollte man etwa elfeinhalb Stunden einplanen. In Orten darf 50, auf Landstraßen 80, auf Schnellstraßen 110, auf Autobahnen Tempo 130 gefahren werden. Die Promillegrenze liegt bei 0,5.
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KoCom/Fotos: Günther Koch
22. April 2020