Ritter, Räuber, Racing
Wo Allerheiligen nicht nur christlicher Glaube, sondern gleich ein ganzer Ort ist / Mit Toyota in der Steiermark
Von Günther Koch/Life-Magazin
Auch die Steiermark ist, wie hier bei Allerheiligen, katholisch geprägt. Fotos: Koch
Spielberg – Regen! Nichts als Regen. Fast den ganzen Tag. Ohne Unterbrechung. Kräftig. Ergiebig. Die düstere, grau-schwarze Wolkenlast scheint an diesem Tag im September eine ganze Region zu erdrücken. Das grüne Herz Österreichs.
Die A9 Richtung Graz führt in die Steiermark. Wolken wabern tief um die bewaldeten Hügel.
Gleich hinterm Inn
Wir reisen über Bad Füssing in Bayern an. Die Bedienung in der Gaststube des Posthotels Richstein hat am Vorabend noch gefragt, wo‘s denn hingehen soll. Weiter in die Steiermark, haben wir gesagt. „Dann fahren’s am besten bei Obernberg über die Grenze“, rät die Mitarbeiterin im Dirndl und mit, wegen Corona, durchsichtigem Nasen- und Mundschutzvisier, „keine drei, vier Kilometer von hier, gleich hinterm Inn". Da sei „eigentlich nie was los, aber auf der Autobahn hinter Passau, da scho!“ Obernberg, die 1600 Einwohner-Gemeinde in Oberösterreich, ist wohl einmal ein ganz normal besetzter, kleinerer Grenzübergang gewesen, scheint es aber schon länger nicht mehr zu sein. Große Brücke. Blaues „Republik Österreich“-Schild mit Europa-Sternen drumherum. Staatsflagge Rot-Weiß. Gebäude, die aussehen, als hätten sie einst – inzwischen mit großflächigen Werbeplakaten versehen – staatlichen Ein- und Ausreisekontrollen gedient. Das war’s! Nur die Hinweise auf die Tempolimits im Land und erneut auf die Vignettenpflicht haben noch was Offizielles.
Hochtauern wartet mit einem Pfahlbaudorf auf. Die Steiermark zeigt sich überaus ländlich.
Auf wichtiger Nord-Süd-Achse
Ein paar Kilometer Bundesstraße. Wechsel auf die Innkreis-Autobahn A8 bis zum Knoten Voralpenkreuz. Weiter auf die Pyhrn-Autobahn A9, auf der sich Richtung Süden, Richtung Steiermark, ein Lkw an den anderen reiht. Ihre Kennzeichen weisen die meisten von ihnen als in Ungarn, Slowakei, Slowenien, Kroatien, Rumänien, Bulgarien, Türkei und Griechenland angemeldet aus. Die bis nach Spielfeld an der Grenze zu Slowenien führende A9 ist eine wichtige Nord-Süd-Achse in Österreich. Wir fahren an Wels, Kirchdorf, Sankt Pankraz, Roßleithen, Spittal und Liezen vorbei. Hinter der Mautstation, wo wir 5,50 Euro bahlen müssen und man uns wissen lässt, dass die Vignette ungültig ist, wenn man sie nicht an die Windschutzscheibe klebt, biegen wir bei Rottenmann ab, um wenigstens das letzte Stück über Land unterwegs zu sein.
Die Region lebt vom Winter- und vom Wandertourismus. Alte Gehöfte sind schöne Fotomotive.
Sondern die mit Mur- und Mürztal
Die Steiermark einmal anders. Nicht die alpine im Nordwesten. Nicht die um Graz. Nicht die mit den vielen Thermen im Osten. Und auch nicht die weinselige mit dem lieblichen Hügelland im Süden an der Grenze zu Slowenien. Nein, die mit Mur- und Mürztal. Und mit Aussichten, die wettermäßig diesmal leider nicht ganz so rosig sind. Radio Steiermark jedenfalls meldet einen Kältesturz, dazu ein Italien-Tief und dass die Schneefallgrenze in anderen Teilen des Landes in den Alpen schon unter 1500, an manchen Orten bei minus 1 Grad sogar bis 1000 Meter gefallen ist. Was Corona betrifft, weist laut dem Sender aktuell zwar kein Bezirk an dem Tag, an dem wir in Österreich sind, die höchste rote Gefährdungsstufe auf, aber einige die orange. Wien etwa gelte schon etwas länger als Risikogebiet, zählt der Sprecher auf, danach seien die Bundesländer Vorarlberg und Tirol hinzugekommen. Die Steiermark ist nicht dabei! Vielleicht geht deshalb in den Orten, durch die wir fahren, alles doch vergleichsweise gemächlich zu. Trotz Maske. Und mit Abstand. Weil sicher eben sicher ist!
Heu scheint aufgerichtet besser zu trocknen. Die Mühle klappert auch bildlich am rauschenden Bach.
Zum Beispiel Hohentauern und Sankt Johann
Zum Beispiel Hohentauern. 400 Einwohner. Sportdorf vor allem mit Wander- und Wintertourismus. 1270 Meter hoch am Triebener Pass direkt an der Bundesstraße 114 gelegen. Mit Pfarrkirche, die dem heiligen Bartholomäus gewidmet ist. Die Bergbaustube, bei der es sich um eine Art Montanmuseum handelt. Der Weberteich, an dem sich ein Pfahlbaudorf mit Keltenberg und Naturerlebnispark ausbreitet. Zum Beispiel Sankt Johann am Tauern. 440 Einwohner. Etwa auf gleicher Höhe das hintere Pölstal von der Pölsquelle über Hohentauern und Schulterer Höhe bis nach Möggenbrugg umfassend. Der Osten des Dorfs die Sonn(en)-, der Westen die Schatt(en)seite. Die Pfarrkirche mit Spitzturm. Etwas außerhalb die Kalvarienbergkapelle. Alte Gehöfte, die schöne Fotomotive sind. Die Gegend einst Jagdrevier des Kaisers.
Im Tal geht’s rechts nach Pöls, das sichtbar von Industrie lebt, links nach Knittelfeld und Fohnsdorf.
Weiter nach Pöls und zum Schloss Sauerbrunn
Hinunter ins Tal. Nach Pöls. 2250 Einwohner. Früher Marktgemeinde. Unter anderem mit Österreichs ehemaligem Bundeskanzler Bruno Kreisky als Ehrenbürger. Zellstoff- und Papierindustrie, Holzverarbeitung. Schon von weitem sind die Schornsteine der Fabrik zu sehen und das, was dampfend aus ihnen entweicht. Auf einem Felsvorsprung des Geigerkogels der Rest des Bergfrieds der Offenburg. Am Falkenberg haben durchs Land ziehende Truppen Napoleons einst ein Lazarett aufgebaut. Schloss Sauerbrunn ist über zwölf Mineralquellen erbaut. Die Sternschanze da gibt noch immer Rätsel auf.
Alte Maschine zur Zellstoffproduktion in Pöls. „Verachtet mir die Meister nicht“, steht auf dem Relief.
Ein Gotteshaus, das allen Heiligen gewidmet ist
Allerheiligen. Eigentlich ein christliches Fest, an dem am 1. November aller Heiligen gedacht wird, der „verherrlichten Glieder der Kirche, die“, wie es heißt, „schon zur Vollendung gelangt sind“, der bekannten wie der unbekannten. In der Steiermark ist Allerheiligen jedoch ganz real. Mit 2000 Seelen. Und, natürlich, ganz in der Nähe in Kapellen mit einem Gotteshaus, das allen Heiligen gewidmet ist. Daher der Name des Orts im Mürztal.
Allerheiligen ist nicht nur ein christliches Fest, sondern auch ein 2000-Seelen Ort in der Steiermark.
In Judenburg zu Füßen der Burg Eppenstein
Kurzer Abstecher. Judenburg. 10 000 Einwohner. Die Mur, der größte Fluss der Steiermark, der über mehr als 450 Kilometer neben Österreich auch noch durch Slowenien, Kroatien und Ungarn fließt. Und eben durch Judenburg zu Füßen der Burg Eppenstein. Jüdische Händler spielen damals in der Zeit, als der Bau 1074 erstmals urkundlich erwähnt wird, im transalpinen Handel eine wichtige Rolle, gründen Handelsposten, verleihen Geld, wohnen in Judenburg im Bereich der heutigen Heiligengeistgasse nahe Judenbad und Synagoge. Die Nationalsozialisten wollen Judenburg in Zirbenstadt oder Adolfburg umbenennen. Die Diskussion darüber, so liest man, sei allerdings auf die Zeit nach dem Krieg verschoben worden, „sodass eine Änderung nicht zustande kam“. Die Liste über „Persönlichkeiten“ der Stadt, Untertitel „Töchter und Söhne“, ist lang. In ihr findet sich kurz vor Schluss übrigens auch der Eintrag über einen gewissen „Jack Unterweger (1950-1994)“, seines Zeichens „Schriftsteller, Sadist und (mutmaßlicher Serien-)Mörder“.
Die weiße Taube und der gekreuzigte Christus finden sich auf dem Weg nach Judenburg.
Im sagenumwobenen Fohnsdorf
Zurück auf der Strecke. In Fohnsdorf. 7650 Einwohner. Bekannt geworden vor allem durch den Braunkohlebergbau. Der Wodzicky-Schacht soll mit fast 1200 Meter tiefen Stollen sogar der tiefste zum Abbau dieser Art von Kohle in der Welt gewesen sein. Sagen ranken sich um den Ort. Von ehrenhaften Rittern, Räubern und Wegelagerern. Vom Schlossherren, der aus Dankbarkeit das Gabelhofer Kreuz errichten lässt, nachdem ein heftiger Platzregen dazu beiträgt, den Brand seines Schlosses zu löschen. Von Handels- und Kaufleuten, denen die Gegend plötzlich zu gefährlich wird und die deshalb ausweichen – wegen der Räuber. Von der von spielenden Jungen entdeckten Schatztruhe im Schloss. Vom Pestweg. Und vom Teufel, vor dem sich nicht alle im Ort fürchten. Die Fohnsdorfer Knappen damals schon gar nicht.
Auch Kühe gehören zum ländlichen Bild. Ein Brunnen ziert Judenburgs malerischen Hauptplatz.
Zwischen Zeltweg und Knittelfeld
Schließlich Spielberg, Ziel unserer Reise. 5400 Einwohner. Gleich hinter Rattenberg, wo nomen heutzutage hoffentlich nicht auch gleich omen ist, zwischen Zeltweg und Knittelfeld. Toyota Österreich führt hier, auf dem Red-Bull-, vorher Österreich-Ring, mit dem Supra GR seine Gazoo Racing Days durch, benannt nach der Motorsportabteilung der Japaner. Während die Kollegen im zweisitzigen Sportcoupé auf der Formel-1-Strecke üben, haben wir es alltagsmäßiger bei einer Fahrt über Land in die Umgebung kennengelernt. Leider bei Regen! Nichts als Regen.
Fassadengemälde in Judenburg. Die Lorenbahn deutet auf den Kohleabbau in Fohnsdorf hin.
Info Steiermark I
Der Name dieses Bundeslandes, eines von insgesamt neun in Österreich, leitet sich von der heute zu Oberösterreich gehörenden Stadt Steyr ab. Die Steiermark erstreckt sich von der Mitte südwestlich, grenzt an Kärnten, Salzburg, Oberösterreich, Niederösterreich und ans Burgenland sowie im Süden an Slowenien an, dehnt sich von Norden nach Süden gut 135, von Westen nach Osten gut 196 Kilometer aus, ist von seiner rund 16 400 Quadratkilometer großen Fläche her das zweitgrößte, von seinen mehr als 1,2 Millionen Einwohnern her das viertgrößte österreichische Bundesland. Hauptstadt ist Graz. Zu den nächstgrößeren gehören Leoben und Kapfenberg. Höchste Erhebung ist mit fast 3000 Metern der Hohe Dachstein. Das Übergangsklima zwischen pannonischen und alpinen Einflüssen reicht von warm etwa im Sommer in der von Obst- und Weinanbau geprägten Südsteiermark über mild bis hin eben zu alpin in der gebirgigeren Obersteiermark.
Sankt Michael wacht am Eingang der Kirche in Fohnsdorf. Die Wolkenschwaden wollen nicht weichen.
Info Steiermark II
Als Übernachtungsmöglichkeit kurz vor der Grenze können wir auf deutscher Seite in Bad Füssing Richsteins Posthotel (Drei-Sterne-Superior-Niveau, 42 Zimmer/Suiten, alpenländisch eingerichtet, www.richsteins-posthotel.de) sowie in der Steiermark selber in Zeltweg das Steirerschlössel, (fünf Sterne, 26 Zimmer/Suiten, Jugendstilbau, luxuriöser eingerichtet, Grandhotel-Service, www.hotel-steirerschlössel.at) empfehlen. Für einen Kaffeestopp unterwegs bietet sich etwa während einer Überlandfahrt in Hohentauern das Café Lanz (Drei-Sterne-Hotel mit angeschlossener Restauration, www.alpenhotel-lanz.at) an. Typische Gerichte sind die mit Kernöl verfeinerte und mit Bauernbrot servierte steirische Eierspeis, das Backhendl, das Gröstl mit Erdäpfeln und Blutwurst, Karpfen- und Forellengerichte sowie die Schilcherrahmsuppe. Als Zwischenmahlzeit eignet sich eine zünftige steirische Brettljause oder ein Kürbiskernweckerl. Information: Steirische Tourismus GmbH, Sankt-Peter-Hauptstraße 243, A-8042 Graz, Telefon 0043-(0)-316-40030, www.steiermark.com.
Der Red-Bull-Ring ist auch Formel-1-Rennstrecke. Wir haben die Region mit Toyotas Supra GR erkundet.
Service Auto
Wer die beschriebene Route mit dem Wagen nachfahren will: Von Bad Füssing an der deutsch-österreichischen Grenze nahe Passau aus sind es bis Spielberg noch etwa 240 Kilometer, für die man gut zweieinhalb Stunden reine Fahrzeit einplanen sollte. Wer es eiliger hat, kann an der Mautstation vor Rottenmann auf der Pyhrn-Autobahn bleiben, während die Route über Land die entspanntere und landschaftlich schönere ist. Autos dürfen in Österreich in Orten 50, auf Land- und Schnellstraßen 100 und auf Autobahnen, auf denen Vignettenpflicht herrscht, Tempo 130 fahren. Die Promillegrenze beträgt 0,5. Graz ist Eisenbahnknoten und verfügt über einen auch von Deutschland aus bedienten Flughafen. Die Reise in der Steiermark fand im Toyota Supra GR statt, der als 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner mit 258 PS aktuell bei uns ab 47 667 Euro und als 3,0-Liter-Sechszylinder-Turbobenziner mit 340 PS ab 61 314 Euro bei den Händlern steht.
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KoCom/Fotos: Günther Koch
16. Oktober 2020