Big Wave
Surfer und Santa Senhora, Felsen und Festung / Mit Toyota in Nazaré an der portugiesischen Atlantikküste
Von Günther Koch/Life-Magazin
Ein Meeresvogel kreist über der Brandung unterhalb der Festung São Miguel Arcanjo. Fotos: Koch
Nazaré – Wer die große Welle reiten will, muss nicht unbedingt nach Australien, Hawaii, Kalifornien oder Südafrika reisen. Er könnte es auch in Europa versuchen. In Portugal zum Beispiel am Atlantik fast auf halbem Weg zwischen Lissabon und Porto. In Nazaré!
Nazaré liegt an einer engen Bucht am Atlantik. Die Häuser im modernen Teil sind weiß, die Dächer rot.
Über Obidos und Caldas da Rainha
Es ist Mitte November. Toyota stellt den neuen C-HR Hybrid vor, schon das zweite Modell in der Baureihe mit diesem Antrieb. Die Testfahrt am erstem Tag führt vom Flughafen der portugiesischen Hauptstadt nach Cascais, am zweiten Richtung Norden an Sintra, an Europas westlichstem Festlandspunkt, dem Cabo da Roca, und an Mafra vorbei durch Ericeira teilweise direkt ein Stück an der Küste entlang und weiter über Obidos und Caldas da Rainha nach Nazaré. Mit Kaffeestopp (und Pastéis-Vanilletörtchen!) im Ribeira d’Ilhas am Fischerstrand Praia dos Pescadores zusammen rund 165 Kilometer, für die wir über Land und weitgehend ohne Autobahn doch mehr als dreieinhalb Stunden brauchen.
Vor Nazarés Küste öffnet sich eine tiefe Schlucht unter Wasser. Der neue Toyota C-HR-Hybrid war Anlass der Reise.
Unterhalb der Festung São Miguel Arcanjo
In Cascais beginnt es regnerisch. In Obidos klart es auf. In Nazaré, windgeschützt an einem etwa zwei Kilometer langen Strand gelegen, scheint zwar die Sonne, aber der Wind mischt auch die Brandung schon wieder ganz schön auf. Bei einem Felsvorsprung unterhalb der Festung São Miguel Arcanjo brechen sich, wenn die Bedingungen stimmen, im offenen Atlantik draußen vor der Praia do Norte einige der mit über 23 Metern größten surfbaren Wellen der Welt, die Big Waves, die entstehen, weil sich vor der Küste ein Unterwasser-Canyon befindet, eine über 230 Kilometer lange, bis zu 5000 Meter tiefe Schlucht, die unmittelbar vor Nazaré endet. Die Wassertiefe unterscheidet sich hier auf relativ engem Raum doch ziemlich stark. Zudem macht eine am Strand ins Meer gelenkte Wasserströmung die Wellen nur noch größer, was laut dem Mitarbeiter der Festung, der am Eingang Eintrittskarten verkauft, die einen Euro kosten, aber auch schon zu vielen Unfällen geführt haben soll. Kein Wunder, wenn Einheimische mit Blick auf die meist männlichen Surfer die Sandbank vor Nazaré „Die Bank, die Witwen macht“ nennen. O banco que faz viúvas!
Der kleine, rote Leuchtturm ist oben in die Festung integriert, durch die enge Gängen führen.
Heiligtum auf der Hochterrasse oben in Sítio
An diesem Wochentag, einem ganz normalen Freitag, lässt die aufsprühende Gischt unterhalb der Festung nur erahnen, zu welchen turmhohen Gebilden sich Wellen aufbauen können. Surfer sind nur wenige zu sehen. Der Andrang der Touristen hält sich ebenfalls in Grenzen. Vereinzelt steigen sie die Treppen in den schmalen Gängen der Festung auf und ab, lassen sich im obersten Freibereich der Anlage an dem kleinen, feuerroten Leuchtturm fotografieren. Auf der Hochterrasse oben in Sítio, verbunden mit dem Strand durch eine 1889 eingeweihte Bergbahn, die auf einer 318 Meter langen Strecke mit 42 Prozent Steigung 110 Meter Höhenunterschied überwindet, geht es genauso gemächlich zu. Auch hier scheint sich neben dem Surfen (fast) alles um „Unsere Frau von Nazareth“ zu drehen.
Dieses Surfbrett im Ausstellungsraum ist handschriftlich signiert. Draußen gibt es Kunst über der Brandung.
Ausgangspunkt der Verehrung der Gottesmutter
Das nach ihr benannte Heiligtum Santuário de Nossa Senhora da Nazaré, Ausgangspunkt der Marienverehrung auf der iberischen Halbinsel und im portugiesischen Sprachraum, vor allem in Brasilien, gruppiert sich als Gebäude, natürlich, um den Platz Nossa Senhora da Nazaré herum. In der gleichnamigen Kirche zeigt das Abbild der Gottesmutter in Form einer kleinen dunklen Holzstatue Maria, wie sie Jesus stillt. Der Legende nach ist die Statue angeblich in Anwesenheit Marias hergestellt und später bei Nazaré in der Nische eines zum Strand hin abfallenden Felsmassivs gefunden worden. Was deren Finder betrifft, soll der laut Sage einmal bei der Jagd im dichten Nebel zu Pferd einem Hirsch nachgesetzt haben. Während der Hirsch plötzlich eine Steilwand herunterstürzte, hat die Senhora da Nazaré Dom Fuas Roupinho im letzten Augenblick gewarnt ... Es heißt, der Gerettete habe zum Dank eine Kapelle errichtet und Sítio der Senhora geschenkt.
Auch solche seltsame Wesen schauen in Nazaré aufs Meer hinaus. Darf’s vielleicht noch ein Souvenir sein?
Eine wichtige Wallfahrtsstätte im Land
Die Stadt selbst verfügt über einen Fischereihafen. Die Einwohner leben überwiegend vom Fischfang, der Fischverarbeitung und vom Fremdenverkehr. Sítio auf dem Plateau, das über der Bucht hinaus aufs Meer ragt, ist – eben wegen Nossa Senhora da Nazaré – bis Beginn des 20. Jahrhundert die wichtigste Wallfahrtsstätten im Land gewesen, noch vor dem etwa 30 Kilometer landeinwärts gelegenem Fátima. Der zweite Ortsteil, der ältere mit dem historischen Zentrum, heißt Pederneira. Und dann gibt es noch den moderneren, in dem mittlerweile der größte Teil der Bevölkerung lebt. Vorher soll diese Zone kaum besiedelt gewesen sein, weil das Meer immer wieder gegen die dort steil zur Küste hin abfallenden Felswände schlägt, Wellen, die ständig anrollen, die Felsvorsprünge schleifen. Als die Bucht versandete, entstand der Strand. Die Bewohner haben da früher nur ihre kleinen Hütten besessen, sich bei widrigen Witterungsverhältnissen und oft auch vor Piraten in ihren teilweise befestigten Siedlungen auf den Anhöhen in Sicherheit gebracht. Als die Überfälle zuletzt weniger geworden sind, ließen sich die Fischer schließlich unten näher am neuen Strand nieder, sich in ihren Boote erst mit der Brandung hinaus aufs Meer treiben und später nach Rückkehr vom Fang von Ochsen wieder an Land ziehen.
Platz und Kirche sind Nossa Senhora da Nazaré gewidmet. Bulli, Beach und Surfen passen zusammen.
Das Meer fordert oft noch seinen Tribut
So soll es gewesen sein, damals jedenfalls. Und heute? Der Kartenverkäufer von São Miguel Arcanjo erzählt, dass die zum Meer hin enge Lage der Bucht vor allem während der Herbst- und Winterstürme heute noch oft ihren Tribut fordert, Bewohner an der Uferstraße Läden, Restaurants und andere Einrichtungen gegen drohende Wassermassen verbarrikadieren müssen. Je nach Wetterlage. Und wenn die Wellen wieder kommen. Vor allem die großen.
Info Nazaré I
Die kleine portugiesische Stadt am Atlantik zählt etwas über 10 000 Einwohner, ist als Fischer-, Wallfahrts- und Tourismusort bekannt, wegen der Wellen inzwischen aber auch international als Treffpunkt für Surfer. Die Marienverehrung der Senhora da Nazaré spielt eine große Rolle. Über dem Strand der Bucht, an der Nazaré liegt, thront das Fort São Miguel Arcanjo, 1577 errichtet zum Schutz des Heiligtums Santuário de Nossa Senhora da Nazaré, der Bevölkerung der alten Stadt Pederneiera und des Hafens. Sehenswert sind neben der Marienkirche, der Festung mit dem kleinen Leuhtturm und dem Strand noch die Erinnerungskapelle Ermida da Memoriá, das Kloster Santa Maria, dazu der Hafen und das Fischerviertel Bairro dos Pescadores. Wir waren während dieser Reise in Cascais im Hotel Oitavos (fünf Sterne, 142 Zimmer/Suiten, moderne Einrichtung, Golfplatz, nicht weit zum Meer, www.theoitavos.com) untergebracht. Für Zwischenstopps können wir bei Ericeira das Ribeira d’Ilhas (www.ribeiradilhas.com), in Obidos den mit Namen „The History Man“ (www.thehistoryman.pt) und in Arelho das Rio do Prado (www.riodoprado.pt) empfehlen.
Info Nazaré II
Wer nach Nazaré will, reist von Süden am besten über Lissabon an, die Strecke ist dann auf schnellstem Weg über Autobahn noch 125 Kilometer lang, während es von Porto im Norden 210 Kilometer sind. Die Flugzeiten betragen von Deutschland aus zweieinhalb bis drei Stunden. Mit Englisch kommt man in touristischen Zentren wie Nazaré gut weiter. Währung ist der Euro. Die Zeitumstellung beträgt minus eine Stunde. Klimatisch geht es an der Küste maritim zu, im Landesinneren eher kontinental. Die Sommer sind warm, die Winter mild. Portugals Küche basiert auf Fisch und Meeresfrüchten, ergänzt um Fleisch, Gemüse, Reis, Kartoffeln und Bohnen. Spezialitäten sind etwa Tripas-Eintopf mit weißen Bohnen, Caldo-Verde-Suppe mit geschnittenen Kohlblattstreifen, Bacalhau-à- Gomes-de Sá“-Stockfisch und Francesinha-Sandwich mit würzigen Zutaten. Der Port dürfte zusammen mit dem Vinho Verde mit der bekannteste Wein auch außerhalb des Landes sein, in dem mehr Rot- als Weißweine angebaut werden. Information: Turismo de Portugal, Zimmerstraße 56, 10117 Berlin, Telefon 030-2541060, www.visitportugal.com.
Service Auto
Wer es sich mit eigenen Wagen zutraut: Von der deutsch-schweizerischen Grenze bis Nazaré kommen durch Frankreich und den Norden Spaniens doch noch fast 2000 Kilometer zusammen. In Ortschaften darf in Portugal nicht schneller als Tempo 50 gefahren werden, außerhalb sind 90/100, auf Autobahnen 120 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit erlaubt. Die Promillegrenze liegt bei 0,5. Die Reise in Portugal fand im neuen Toyota C-HR statt, der als Benziner mit 116 und als Hybrid im System mit 122 und 184 PS zu Einstiegspreisen ab 26 290 bis 38 690 Euro zu haben ist.
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KoCom/Fotos: Günther Koch
13. Januar 2020