Im Kleinen Belt
Dänemark II: Die Insel Aarö traut sich hochzeitsmäßig was / Reben gedeihen / Letzte Fähre vor Mitternacht
Von Kurt Sohnemann/Life-Magazin
Das Aarösund, erst Poststation, dann Badehotel, findet sich noch auf dem Festland am Fähranleger. Fotos: Sohnemann
Aarösund – Wie eine optische Sperre liegt das Badehotel Aarösund vor dem Ziel, die dänische Insel Aarö aufzusuchen. Es gibt wohl keinen Inselbesucher, der nicht schon einmal einen Blick hinter die gläserne Front dieses Prachtbaus mit Sicht auf die Ostsee geworfen hat. Spätestens, wenn der Zeitpunkt für ein außergewöhnliches Dinner auf dem Plan steht, gerät die Herberge ins Rampenlicht der Dänen, die sich den Geschmackssinn bewahrt haben. „Weil wir jetzt eine Spitzenküche aufgebaut haben, ist das Restaurant zumindest an Wochenende sehr gut gebucht“, ist Hoteldirektor Hans Harvest stolz auf das Bauwerk, das schon mehreren politischen Auseinandersetzungen standhalten musste, Deutschlands Kaiser Wilhelm als Lieblingshotel für einen Badeurlaub diente und als Station für Postschiffe lange Zeit für die dänischen Machthaber unentbehrlich war.
Mit Kaisercharme
Wenn schon der Außenbereich dieses markanten Wahrzeichens der kleinen Stadt Aarösund einen unwiderstehlichen Ausdruck ausübt, wird das Innenleben des Hotels die Vorstellungen noch toppen. Die Symbiose aus dänischer und ursprünglich preußischer Bäderkultur hatte es dem Reeder Hans Michael Jepsen derart angetan, dass er gleich mehrere dieser Bauwerke an der dänischen Ostseeküste kaufte und aufwändig restaurierte. „Allerdings haben wir unseren Charme der Kaiserzeit bewahren wollen“, lenkt Harvest ein. Auch wenn es fließend heißes und kaltes Wasser in den Zimmern des Hotels gibt, sucht man vergeblich nach Fernsehern oder ähnlicher Elektronik. Hier hat die Vergangenheit ihren Platz bewahrt, was die Ausstattung deutlich macht. Sie spiegelt mit viel Liebe zum Detail und historischen Einrichtungsgegenständen den kaiserlichen Charme eindrucksvoll wider. Die Küche hat Sterne-Niveau.
20 Minuten braucht die Fähre nach Aarö. Restaurant-Chefin Marianne Weiman ist treibende Kraft der Inselentwicklung.
Vorher eher zurückgezogen
Wer sich in den Plüschsesseln niederlässt, ist dem Reeder dankbar, dass er als Hobby architektonischer Kulturgüter bewahren wollte. Die Gäste haben vornehmliche Plätze an den Glasfronten, durch die eine pendelnde Fähre von Aarösund zur kleinen Insel Aarö zu sehen ist. War diese Insel vor wenigen Jahren noch touristisch wenig bedeutend und führten die Bewohner des Eilandes noch ein zurückgezogenes Leben, hat sich das Blatt mit jener Dynamik gewendet, die von den Inselbewohnern heute an den Tag gelegt wird.
Jakob Lei baut Wein auf der Insel an. In Aarös Weihnachtskirche finden oft Blitzhochzeiten statt.
Mit Blitzhochzeiten am Wochenende
Wie die weitaus bekanntere Insel Aero hat sich Aarö nicht nur die Ähnlichkeit des Namens zu Nutze gemacht, um beispielsweise „Speedweddings“ anzubieten. So wird die kleine Kirche der Insel manches Wochenende für Blitzhochzeiten genutzt, was den Inselpfarrer offenbar auch an die Grenzen seiner Belastbarkeit bringt. „Der führt seine Handlungen in aller Regel aber mit großartigen Humor durch“, erklärt jedenfalls Marianne Weiman von Brummers Gard, dem größten Restaurant der Insel im Kleinen Belt. Dass Weiman unter den gut 150 Einwohnern des Eilands in der dänischen Ostseeinsel eine besondere Stellung einnimmt, verrät schon ihr engagierter Umgang mit der Entwicklung der Insel. In der Rolle einer verkappten Bürgermeisterin setzt sie immer wieder Zeichen für die wirtschaftliche Entwicklung, bietet Gästen von Brummers Gard neben Restaurant und Zimmern auch Kräuterwanderungen und Kochkurse. Ihr Engagement hat die Gästezahlen auf der Insel innerhalb von wenigen Jahren hochschnellen lassen.
Das Aarösund spiegelt außen Bäderarchitektur, innen kaiserlichen Charme wider, was etwa auch ...
Wie wär‘s mit Wein von der Insel ...
Einen nicht unwesentlichen Anteil daran haben aber auch Winzer Jakob Lei und Bierbrauer Ole Dam. Nachfahren der Wikinger sind nun einmal keine Kostverächter alkoholischer Flüssigkeiten, was sich im Absatzmarkt des Weinbauers bemerkbar macht. Er hat die Marktlücke für das für diese Breitengrade ungewöhnliche Produkt erkannt, baut seit 2015 Weine aus 18 unterschiedlichen Rebsorten aus, die durch ihren frischen, fruchtigen Geschmack überraschen. Im vergangenen Jahr sind 25 000 Flaschen der Lohn der Arbeit gewesen. Gäste haben sie alle als Mitbringsel gekauft.
... für den Festsaal im dänisch-preußischen Stil gilt. Ole Dam braut Bier auf Aarö.
... oder auch mit heimischem Bier?
Da im Süden Dänemarks der Gedanke, Produkte möglichst lokal zu kaufen, ein ausgeprägter Trend ist, setzt auch Bierbrauer Dam seine vier Biersorten gut ab. An den Theken von Aarösund und Haderslev wird der Gerstensaft von Aarö gern getrunken. Statt kitschiger Andenken bringen die Besucher gern eine Geschenkpackung des Biers mit nach Hause. „Die steht nicht lange nutzlos irgendwo rum“, denkt Dam über die Vergrößerung seiner kleinen Brauerei nach. Zu viel Bier auf der Insel zu trinken, könnte aber verhängnisvoll enden: Die letzte Fähre zum Festland legt noch vor Mitternacht ab.
Info Aarö I
Die rund 5,7 Quadratkilometer große, vier Kilometer lange und drei Kilometer breite dänische Insel im Kleinen Belt ist zwar durch den 750 Meter breiten Aarösund vom süderjütischen Festland getrennt, aber mit einer ständig pendelnden Fähre mit dem Festland verbunden. Gut 150 Einwohner sind auf Aarö zu Hause. Im Westen befindet sich die gleichnamige Ortschaft mit dem Hafen für den Fährbetrieb und der eingedeichten Anlage mit Liegeplätzen für Sport- und Fischereiboote. Südwestlich von Aarö steht der 13 Meter hohe Leuchturm Aarö Fyr, der 1905 entstanden ist. Aarö gehört zum Verband der dänischen Kleininseln, wird weitgehend landwirtschaftlich genutzt. Fischhandel findet statt, es gibt eine Farm mit Galloway-Rindern, sogar ein kleines Weinanbaugebiet, da das Klima mild und damit für Reben geeignet ist.
Info Aarö II
Ein am Tourismus orientiertes Gastgewebe hat sich parallel zum etwa 1500 Meter vom Fährhafen in östlicher Richtung entfernt liegenden Campingplatz mit zuletzt etwa 100 Stellplätzen entwickelt. Zwei Sandhaken-Nehrungen sind unter Naturschutz gestellt. Die Vogelschutzgebiete dürfen von April bis Mitte Juli nicht betreten werden. Zwar werden auf Aarö inzwischen auch einige Hotelbetten angeboten, die größere Kapazität bietet aber das Aeroesund-Badehotel direkt am Fähranleger des Festlandes. Information: Dänisches Fremdenverkehrsamt, Glockengießerwall 2, 20095 Hamburg, Telefon 01805-326463, www.visitdenmark.com. Hotel: www.aaroesundbadehotel.dk. Naturprogramme: www.brummersgaard.dk. Aarö-Wein: www.aaro-vin.dk. Aarö-Bier: www.aaroebryg.dk.
Service Auto
Die Anreise nach Aarö empfiehlt sich mit dem Auto, da es keine Bahnverbindung in die nächstnähere Stadt Haderslev gibt. Über Hamburg am besten die Autobahn A7 Richtung Flensburg nehmen, wobei schon die letzte Abfahrt in Flensburg genutzt werden sollte, um den kleinen dänischen Ort Krusoe anzufahren. Dabei ersparen sich Autofahrer Staus an der Grenze nach Dänemark. Wer die in Kauf nehem will, sollte die Ausfahrt Haderslev nutzen. Durch Haderslev führt der Weg nach Aaroesund zum Fähranleger. Für die Fähre zahlen Erwachsene 2,80 Euro, je nach Saison auch das Doppelte. Der Pkw kann für 7 beziehungsweise 9, 50 Euro mitgenommen werden. Die Insel lässt sich aber auch gut zu Fuß erkunden.
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KoCom/Fotos: Kurt Sohnemann
4. Januar 2020