See, Berg, Dorf
Im Süden Südtirols (II): Der Tourismus / Jung-Hotelier Markus Huf im Interview / "Malerisch wie die Toskana"
Von Günther Koch/Life-Magazin
Blick auf Kaltern an der Weinstraße in Südtirol. Foto: Koch
Kaltern – Auf die Frage, was ihm persönlich ganz besonders an Südtirol, an der Südtiroler Weinstraße und an Kaltern gefällt, muss Markus Huf nicht lange überlegen: „An Südtirol die Dolomiten“, sagt der Junior-Chef des Vier-Sterne-Designhotels Panorama in Kaltern, „an der Weinstraße die malerische Landschaft und an Kaltern der gemütliche Dorfplatz.“
Was macht aus Ihrer Sicht sonst noch generell den Reiz von Südtirol aus?
Markus Huf: Die Vielfalt an Natur und Kultur. Von hohen Bergen über mediterrane Landschaften und urige Täler bis hin zu modernen Städten.
Worin unterscheidet sich die Südtiroler Weinstraße von anderen Gegenden der Region?
Markus Huf: Wir sind der mediterrane Teil. Uns zeichnet ein über das ganze Jahr recht angenehmes Klima aus. Bei schönem Wetter kann man zum Beispiel auch im Winter noch tolle Radtouren machen. Unsere Berge gehören zwar nicht zu den markantesten, jedoch haben wir eine sehr malerische Landschaft, die ich gern mit der Toskana vergleiche, mit sanften Hügeln und kristallklaren Seen.
Und was hat Kaltern, was andere Orte nicht haben?
Markus Huf: Natürlich den Kalterer See als großen Anziehungspunkt, eingebettet in eine sehr unverbaute und malerische Landschaft. Aber Kaltern hat nicht nur den See. Auch das historische Zentrum des Dorfs ist einmalig. Mit seinen Restaurants, Geschäften und Weinbars bietet es die perfekte Kulisse für einen Bummel nicht nur an einem lauen Sommerabend.
Wie läuft es touristisch?
Markus Huf: Eigentlich ganz gut. Viele Einheimische würden aber wahrscheinlich sagen zu gut.
Was könnte denn da besser sein?
Markus Huf: Zum Beispiel die Verteilung der Gäste über das ganze Jahr hinweg.
Das heißt?
Markus Huf: Etwas weniger Gäste in den Sommermonaten, dafür mehr im Frühling und Herbst, das wäre sicher für alle eine Entlastung.
Der Tourismus in Südtirol hat so richtig in den 1960er-Jahren angefangen. Wie sah das damals aus?
Markus Huf: Ganz einfach – und das im wahrsten Sinn des Wortes: Anfangs hat man sein eigenes Bett vermietet und selber auf dem Dachboden geschlafen. Nach und nach hat sich der Tourismus dann aber früh und sehr schnell so entwickelt, wie wir ihn heute kennen. Es wurde mehr und mehr. Selbst wir in Kaltern haben 2023 insgesamt schon rund 152 000 Gäste und über 686 000 Übernachtungen bei einer Verweildauer von im Schnitt fünf Tagen gezählt. Zum Vergleich: In ganz Südtirol sind es zuletzt 8,4 Millionen Gäste und 36 Millionen Übernachtungen mit ähnlicher Aufenthaltsdauer gewesen.
Was war auffällig in den letzten Jahren, wenn Sie beispielsweise auf die Gäste in Ihren Hotels schauen?
Markus Huf: Früher war das Hotel fast so etwas wie eine Gemeinschaft. Es wurde viel zusammen gegessen und gefeiert. Das hat sich nun komplett gedreht.
Inwiefern?
Markus Huf: Mittlerweile bleibt jedes Paar, jede Familie mehr oder weniger für sich. Man nimmt leider nur noch selten Kontakt zu anderen Gästen auf.
Wer sind denn Ihre Gäste? Woher kommen sie? Wie lange bleiben sie?
Markus Huf: Hauptsächlich sind bei uns Gäste aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Im Schnitt bleiben sie viereinhalb Tage. Es sind in der Regel Gäste, die gern wandern, mit dem Rad fahren oder einfach nur Wein genießen.
Ist der Qualitätsanspruch gestiegen?
Markus Huf: Ja, ganz klar. Und das in allen Bereichen. Ob es das größere Zimmer ist oder die besondere Wellnessanlage.
Und die Kulinarik?
Markus Huf: Da haben wir für uns entschieden, nicht mehr die großen Halbpension-Menüs anzubieten, sondern auf wenige, dafür aber qualitativ hochwertige Gerichte zu setzen.
Welchen Trend stellen Sie fest? Grundsätzlich kürzere und spontanere Urlaube oder nach wie vor längere und auch länger geplante??
Markus Huf: Das hängt meist auch von der Saison ab. In der Hochsaison wird meiner Erfahrung nach noch früher gebucht und die Urlaube sind länger. In der Nebensaison wird hingegen kurzfristig gebucht und die Aufenthalte sind auch kürzer.
Südtirol, die Weinstraße, Kaltern: Wofür steht die Region?
Markus Huf: Für Natur, Kultur und Wein. Die drei Schlagwörter beschreiben diese Region eigentlich ganz gut. Natur und Kultur sind bei uns natürlich sehr vom Wein geprägt und mit ihm verbunden. Und das versuchen wir auch die ganze Saison hindurch zu vermarkten. Von der Blüte bis zur Ernte.
Wie würden Sie den Tourismus beschreiben, den Sie hier im südlicheren Südtirol praktizieren? Noch Saison- oder schon Ganzjahrestourismus?
Markus Huf: Schon eher Saisontourismus. Im Winter ist bei uns leider nicht viel los. Einzelne Betriebe versuchen durch große Investitionen beispielsweise in den Spa-/Wellnessbereich die Saison bis Neujahr zu verlängern. Aber das sind Einzelfälle.
In Südtirol gibt es einen Bau- und Bettenstopp für neue Hotels. Warum?
Markus Huf: Weil der Tourismus für die Politik offenbar ein Ausmaß erreicht hat, der für die Bevölkerung möglicherweise vielleicht nicht mehr tragbar ist.
Das heißt: Die Grenze ist erreicht und die Südtiroler wollen gar nicht mehr Gäste, setzen eher auf kleinere bis mittelgroße familiengeführte Beherbergungsbetriebe?
Markus Huf: Genau das. Der Stopp betrifft vor allem größere Hotels. Das Gesetz sieht vor, dass in touristisch eher schwächer entwickelten Gemeinden vor allem kleine Betriebe wenigstens noch in kleinerem Rahmen erweitern dürfen, um ein gewisses Gleichgewicht zu erreichen und so dazu beizutragen, dass kleinere Betriebe nicht schließen müssen.
Wenn Sie vorausschauen: Wie sollte sich die Region 2030 touristisch präsentieren?
Markus Huf: Ich selbst wünsche mir auf alle Fälle einen Tourismus, der nicht so saisonabhängig ist. Wir haben in Südtirol sehr oft außerhalb der Saison ausgestorbene Dorfkerne. Ein sanfterer Tourismus, eben übers ganze Jahr verteilt, würde dagegen bedeuten, dass im Dorf immer Leben herrscht.
Kaltern wirbt damit eines der „schönsten Weindörfer“ zu sein. Wenn Sie einen neuen Slogan für Ihre Region kreieren müssten: Wie sollte der lauten?
Markus Huf: See, Berg, Dorf. Soll heißen: Kalterer See. Der Mendel, unser Hausberg. Und Kaltern.
Was empfehlen Sie einem Urlauber ausflugsmäßig in Kaltern, der länger bei Ihnen bleibt?
Markus Huf: Dann ist Kaltern eigentlich der perfekte Ausgangspunkt, um neben der Südtiroler Landeshauptstadt Bozen etwa auch die Dolomiten und/oder den Gardasee zu erkunden. Beides erreichen Sie in ungefähr nur einer Stunde Fahrzeit.
Was sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen, um der Region, speziell Kaltern, wirklich ein Stückchen näher zu kommen?
Markus Huf: Kaltern hat etwa 25 größere und kleinere Kellereien. Fast alle bieten einmal wöchentlich eine Führung an, bei der man unsere Winzer und unsere schöne Landschaft noch besser kennenlernen kann.
Und welchen persönlichen Geheimtipp haben Sie?
Markus Huf: Das Val di Non. Sie fahren einfach über unseren Hausberg, den Mendel, und schon sind Sie in einem wunderbar unberührten Tal mit Seen, Canyons – und sehr wenig Tourismus.
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Info Südtirol I
Die (zusammen mit Bozen) autonome Provinz Südtirol, 1919 zu Italien gekommen, ist die nördlichste des Landes. Sie grenzt an Österreich, an Nord- und Osttirol, dann an Venetien und die Lombardei sowie an den Schweizer Kanton Graubünden, ist 7400 Quadratkilometer groß, zählte zuletzt mehr als 532 600 Einwohnerinnen und Einwohner, die vor allem Deutsch und Italienisch, in wenigen Gegenden aber auch sogar noch Ladinisch sprechen. Landeshauptstadt ist Bozen, höchster Berg mit 3343 Metern die Marmolata, wichtigster Fluss die Etsch. Das Klima ist kontinental, meist gemäßigt und angenehm mild, im Sommer nicht zu warm, im Winter nicht zu kalt, in höheren und höchsten Lagen wie den Dolomiten dann aber doch alpin. Beste Reisezeiten sind Frühling, Sommer und – nicht zuletzt wegen der Weinlese – Herbst.
Info Südtirol II
Kulinarische Spezialitäten reichen etwa von Speck und Knödel über Ravioli-ähnliche Schlutzkrapfen sowie die einer gemischten Wurst-, Schinken-, Käseplatte ähnliche Marende mit Schüttelbrot bis hin zum bekannten Strudel und Kaiserschmarrn. Südtirol ist Weinland. Dazu gehören im Süden Südtirols etwa die weißen Vernatsch, der Lagrein-Rosé und der Rote vom Kalterer See. Mit dem im Zimmerpreis der teilnehmenden Betriebe enthaltenen Gästepass ist es möglich, auch in Kaltern und an der Weinstraße öffentlichen Verkehrsmittel wie die Mendelbahn kostenlos zu nutzen. Information: Südtirol-Tourismus, Pfarrplatz 11, 39100 Bozen, Südtirol/ItalienTelefon 0039-(0)-471094000, www.suedtirol.info.
Info Kaltern
Als Möglichkeit zur Einquartierung empfehlen können wir für einen Aufenthalt im Süden Südtirols in Kaltern das Designhotel Panorama & Dependance (vier Sterne, 38 Zimmer/Suiten, noch oberhalb des dörflichen Zentrums gelegen mit Blick auf die Marktgemeinde und die andere Talseite gegenüber, inspiriert von der örtlichen Weinkultur, Motto „Zwischen Design und Wein“, genauso modern-minimalistisch wie praktisch-funktionell, dank Eichenholz-Verwendung helle und freundlich-gemütliche Anmutung, Spa sowie Pool-Garten mit mediterraner Vegetation, www.designhotel panorma.com). An Lokalitäten mit besonderem Charakter bieten sich in Kaltern die Jausenstation Drescherkeller am Maria-von-Buol-Platz 3, das Landgasthaus Gasthaus Schwarzer Adler am Krumbachweg 15 und der Torgglkeller am Bichl 2 an. Information: Tourismusverein, Marktplatz 8, 39052 Kaltern am See, Südtirol/Italien, Telefon 0039-(0)-471963169), www.kaltern.com.
Service Anreise I
Wer mit dem Auto aus Deutschland anreist: Für die Strecke ab Innsbruck nach Kaltern über die Brennerautobahn A22, Ausfahrt Bozen-Süd, Ausfahrt Eppan und dann weiter die Weinstraße entlang sollte man noch etwa 135 Kilometer oder eindreiviertel Stunden Fahrzeit einplanen. Über den Reschenpass geht’s über Meran und Bozen. Auch Busverbindungen von Deutschland aus gibt es. Bozen ist Bahnknotenpunkt. Von dort verkehren Busse dann regelmäßig nach Kaltern. Nächstgrößere Flughäfen über Bozen hinaus sind auch mit internationalen Verbindungen Innsbruck, Bergamo und Verona.
Service Anreise II
Ein Aufenthalt im oberbayerischen Lenggries bei Bad Tölz hat unsere in diesem Fall relativ lange Anreise von fast 720 Kilometern wenigstens auf zwei Tage verteilt. Der 10 500-Seelen-Voralpenort wartet mit Geierstein (1491 Meter), Brauneck (1556 Meter), Eng-Alm (1277 Meter), Heimatmuseum, Schloss Hohenburg, dem letzten bestehenden Lenggrieser Kalkofen, dem Barock der Jakobs- und der Moderne der Waldkirche sowie dem Sylvensteinspeicher auf. Einzel-/Doppelzimmer sind aktuell ab 55/85 Euro pro Person/Nacht zu haben im Gästehaus Heiß (www.gaestehaus-heiss.de), einem altes Flößerhaus aus dem Jahr 1619 im urig-gemütlichen Landhausstil.
KoCom/Fotos: Günther Koch
4. November 2024