Kelten, Kilt und Whisky
Ein Ausflug in die schottischen Highlands / Wo der eigene kulturelle Charakter noch bewahrt geblieben ist
Von Günther Koch/Life-Magazin
Mit Brückenblick in South Queensferry, einem Stadtteil von Edinburgh. Fotos: Koch
Edinburgh – Mal nicht nach Süden, sondern nach Norden, genauer gesagt in den Nordwesten, und zwar über den Kanal und über England nach Schottland in den oberen Teil der britischen Insel. Wir haben diesmal nach Edinburgh eingecheckt. Es regnet, klar. Graue Wolken hängen an der Ostküste Schottlands tief über der Mündung des Forth in die Nordsee.
Typische britisch-schottische Häuserzeile. Am Loch Lomand.
Am Ufer des Forth
In South Queensferry, einem Stadtteil von Edinburgh, bläst der Wind ganz schön aus Richtung des Fjord-ähnlichen Meeresarmes hinauf durch die Gassen und zwischen den kleinen Backsteinhäusern hindurch, so dass man sich lieber in Paul Stewards Boat House verzieht, von wo aus man auf zwei riesige Brücken schauen kann. Links die Forth Road Bridge für den Auto-, rechts die Forth Bridge für den Eisenbahnverkehr über den Mündungsbereich. 1890 errichtet, rund zweieinhalb Kilometer lang und aus drei massiven, jeweils 110 Meter hohen Fachwerk-Stahlträgern bestehend, an die sich vier kleinere Viadukte anschließen, verfügte sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts über die größte Spannweite der Welt.
Falkner Hallgarth mit Adler in den Highlands. Altes Herrenhaus.
An Linlithgow vorbei nach Stirling
Den Firth of Forth wollen wir erst am nächsten Tag überqueren. Von Edinburgh aus, Schottlands Hauptstadt mit rund einer halben Million Einwohner, machen wir uns erst einmal mit dem Auto auf den Weg in die Highlands. Zwischen den Mittelgebirgen im Norden und der sanften Heidelandschaft im Süden ist die Natur ursprünglich. An Linlithgow vorbei geht es zunächst nach Stirling mit der in der Tat eindrucksvollen mittelalterlichen Festung, die den Ort, ganz oben auf einem großen Hügel thronend, überragt. 1543 ist hier, in der royalen Residenz, Maria Stuart zur Königin von Schottland gekrönt worden – „im zarten Alter von neun Monaten“, wie es ein „Schottland“-Führer süffisant vermerkt.
Die Einrichtung ist typisch schottisch - und der Kilt ist es sowieso.
Menteith Hills und Trossachs Nationalpark
Wir fahren weiter, erreichen die Menteith Hills und den Trossachs Nationalpark. Nicht selten sind es erhabene Landschaften mit herrlichen Panoramen. Raue Berge, kleinere Wälder, Moorgebiete, dazwischen immer wieder sanfte Hügel, Seen mit kleinen Inseln und im Winter, ganz hinten am Horizont, mit Schnee bedeckte Gipfel. Die kalte Jahreszeit scheint hier, hoch oben im Norden, auf den schottischen Straßen ihre Spuren hinterlassen zu haben; irgendwann haben wir aufgehört, die teilweise nicht ganz ungefährlichen Schlaglöcher zu zählen.
Gotteshaus an der Strecke. Schafe dürfen nicht fehlen.
Beim Falkner und dessen Greifen
In Callander passieren wir malerische Häuserzeilen. Kunsthandwerk hat in dem nicht einmal 3000-Seelen-Ort offenbar noch goldenen Boden. Das Callander House, wo den Schilderungen zufolge im 16. Jahrhundert Queen Mary gewohnt haben soll, erzählt von 600 Jahren schottischer Geschichte. Loch Venachar und Loch Katrine liegen an der Strecke, ehe wir im nach Queen Elizabeth benannten Waldpark Adrian Hallgarth treffen. Der Falkner gilt als einer der bekanntesten auf der Insel. Seine Greife über den Uhu bis zum Seeadler hinauf sind regelrechte gefiederte Künstler; einer fliegt sogar durch das vom angewinkelten Arm geformte Loch, ohne Krallenkratzer an der Jacke des Kollegen zu hinterlassen.
Schottischer Whisky, natürlich. Festung bei Stirling.
In Aberfoyle und Dunbartonshire
Aberfoyle ist einer der typischen Orte der Region. Später, im Cameron House in Dunbartonshire am südlichen Saum von Schottlands größtem See, dem Loch Lomand, erfahren wir, warum das so ist. In dem alten Herrenhaus, das zum Hotel umgebaut worden ist, in das wir uns für eine Nacht einquartieren, wird auf das archaische Schottland hingewiesen. Die Highlands, so erfährt man, seien dem englischen Einfluss weniger ausgesetzt gewesen als die Lowlands. Dadurch hätten sie ihren eigenen kulturellen Charakter stärker bewahrt, insbesondere in Form der noch von den Kelten stammenden Clan-Strukturen. Die seien in den Highlands durchaus noch lebendig beziehungsweise wiederbelebt und für den Tourismus bewahrt worden. Nicht zuletzt die Clans machten demnach den Landstrich berühmt. Und die Whisky-Produktion.
Wegweisung auch zur Forth Road Bridge. Gästehaus unterwegs.
Auf den Spuren von Rob Roy
Die Erzählung von Rob Roy macht die Runde. Danach fand der in Glengyle am Ufer des Loch Katrine geborene Volksheld seinen letzten Rückzugsort in der Seen- und Seelenlandschaft der Highlands. Noch heute trifft man auf die Spuren des schottischen Robin Hood, denn Hotels etwa oder Pubs sind nach ihm benannt. Highlander sollen hier noch ihre Traditionen pflegen. Dudelsack, Schlösser, Hochlandrinder und Produkte aus Wolle gehören – neben dem Whisky – genauso dazu wie die von Männern getragenen Kilts; die individuellen Farben und Muster dieses knielangen Schottenrocks dienten zur Unterscheidung der Clans. Wie es sich anfühle, so gekleidet zu sein, nur mit Rock und nichts weiter darunter, wie es Brauch sei, haben wir am Nachmittag schon im Queen Elizabeth Forst Park einen Highlander im Kilt gefragt. Und ohne Zögern im gälischen Schottisch gleich die Antwort erhalten: It’s cool, man.
Info Schottland
Schottland ist der über 78 000 Quadratkilometer große Norden des britischen Königreichs einschließlich der vorgelagerten Hebriden sowie der Orkney- und Shetland-Inseln; von England ist dieser Teil Großbritanniens im Süden durch die Cheviot Hills und den Tweed getrennt, sonst ist er zu allen Seiten vom Meer umspült. Schottland zählt über fünf Millionen Einwohner, die Englisch oder eben Schottisch sprechen, eine nordengliche Mundart. Hauptstadt ist Edinburgh, die größte Stadt Glasgow. Weite Grasländer, Heiden und Hochmoore prägen das vielen schmalen Seen durchsetzte Landschaftsbild. Fjorde bis weit ins Landesinnere gliedern die Küste stark. Das Klima ist ozeanisch mit viel Nebel und Niederschlägen; die Sommer sind eher kühl, die Winter mild. Möglichkeiten der Übernachtung reichen von Luxusherbergen in alten Schlössern und Burgen bis hin zu preisgünstigen Bed-&-Breakfast-Quartieren. Internet-Information: www.visitscotland.com/de.
Info Highlands I
Unter den Highlands versteht man den gebirgigen Norden der britischen Insel. Die tiefergelegenen Lowlands grenzen das schottische Hochland nach Süden hin ab. Der tektonische Great-Glen-Graben unterteilt das Gebiet noch einmal in die Northwest Highlands und in die Grampian Mountains mit Großbritanniens größtem Berg, dem fast 1350 Meter hohen Ben Nevis. Am Graben liegen viele Seen, darunter Loch Ness. Mit dem Flieger reist man am besten über die Hauptstadt Edinburgh oder über Glasgow an. Der Flug dauert von Deutschland aus gut anderthalb bis zwei Stunden. Das Klima im Westen ist eher atlantisch mild. Im Osten sind die Bedingungen rauer.
Info Highlands II
In den Highlands kann es empfindlich kalt werden. Wir waren in Dunbartonshire am Loch Lomond im Cameron House (fünf Sterne, 128 Zimmer plus Lodges, altes Herrenhaus, unmittelbar am See gelegen), www.cameronhouse.co.uk) untergebracht. Die Landesküche ist eine Rind-, Lamm-, Rot- und Federwildfleisch-geprägte; beim Nationalgericht Haggis handelt es sich um im Schafsmagen gekochte Innereien. An den Küsten und Seeufern stehen Fisch- und Meeresfrüchte wie Lachs, Forellen, Muscheln, Krabben und Hummer auf der Karte. Es gibt gute Biere und, natürlich, eine Vielzahl von schottischem Whisky.
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KoCom/Fotos: Günther Koch
14. Mai 2022