Im Tal der Nachtigall
Wie es früher war: Freilichtmuseum zeigt Leben, Wohnen und Arbeiten in vergangenen Jahrhunderten
Von Günther Koch/Life-Magazin
Hinweisschild auf die „Büreaustunden“ der Bürgermeisterei. Fotos: Koch
Bad Sobernheim – Der Name hat uns angezogen: Nachtigallental! Ein schöner Name für eine Adresse. Wir sind in Bad Sobernheim südwestlich von Mainz im rheinland-pfälzischen Landkreis Bad Kreuznach. An der Rezeption im ruhig in einem Jugendstilpark gelegenen Naturheilkunde-Resort und Wellnesshotel BollAnts haben sie uns das noch etwas oberhalb gleich in der Nähe gelegene malerische Tal empfohlen. „Das Freilichtmuseum da sollten Sie sich in jedem Fall anschauen!“
Sonnenblumenfeld am Eingang. Daneben die Dreschscheune.
Verschiedene Landschaften
In der Region kommen, wenn man den Blick noch etwas weitet, verschiedene Landstriche zusammen. Sie reichen vom Hunsrück über den Mittelrhein, das Naheland, die Pfalz, Rheinhessen, Rhein-Lahn und das Saarland bis hin zum Westerwald. Ein Großraum, mit dem sich auch das Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz befasst. Die Forscher da geben unter anderem ein regionalgeschichtliches Internetportal heraus, gehen darauf auch auf das mittelgroße rheinland-pfälzische Freilichtmuseum in Bad Sobernheim ein. Als zentrale Einrichtung für das Bundesland geplant, ist es heute zusammen mit dem etwa gleich großen Roscheider Hof in Konz und dem kleineren Landschaftsmuseum Westerwald in Hachenburg eines von drei Museen dieser Art in Rheinland-Pfalz.
Fachwerkhäuser der Baugruppe Mosel-Eifel. Schiffsschaukel gegenüber.
Vier Baugruppen, rund 40 historische Gebäude
„Erleben, wie es wirklich war“, überschreiben die Mainzer Wissenschaftler ihren digitalen Ausflug ins Nachtigallental des mittelalterlichen Städtchens Bad Sobernheim, lehnen sich dabei auch an die Beschreibung der Museumsbetreiber an. Sie meinen damit, wie die Menschen in der Gegend während der vergangenen Jahrhunderte gelebt, gewohnt und gearbeitet haben. Dazu sind für die einzelnen Landschaften die Baugruppen Mosel-Eifel, Pfalz-Rheinhessen, Mittelrhein-Westerwald und Hunsrück-Nahe entstanden, rund 40 historische Gebäude erst vor Ort Stein für Stein und Holz für Holz ab-, dann im Freilichtmuseum originalgetreu wieder aufgebaut und bis ins Detail eingerichtet worden.
Wegkreuz bei der Flurkapelle. Die schnatternden Gänse sind echt.
Von der Dorfschmiede übers Winzer- bis zum Bauernhaus
Wir machen uns auf den Weg. Dorfschmiede, Wassermühle, Friseursalon, Kaufmannsladen, Metzgerei, Schule, Backhaus, Kegelbahn, Tanzsaal, Winzerhäuser und Bauernhöfe reihen sich aneinander. Ein ausgeschilderter Rundkurs führt über zwei Kilometer von Baugruppe zu Baugruppe übers Museumsgelände. Es geht an Schauäckern, Wiesen, Weiden und Hausgärten vorbei, die nach historischen Vorbildern bestellt werden. Seltene Glanrinder, Weideschweine, Ziegen, Schafe, Stallhasen, freilaufende Hühner, Gänse, Enten und ein Lehrbienenstand geben lebendigen Einblick ins Landleben früher.
Fachwerk besteht aus Holz und Lehm. Blick auf einen Bauerngarten.
Vom Dreschschuppen über die Flurkapelle bis zur Töpferei
Entlang des Rundwegs kann man Dreschschuppen, historische Straßenbeleuchtung, Napoleonplatz/-bank, Lehmbaustelle, historische Druckerei, Grenzsteine, Flachsdörre, Wegkreuze, Weinberghäuschen und Flurkapelle sehen. Kelter- und Weinkulturguthaus sind Teil der kleineren Baugruppe Mosel-Eifel. Zur nahezu gleich großen für Pfalz-Rheinhessen gehören Gehöft, Uhrmacher, Friseur, Metzgerei und Kiosk am Stadtpark Kaiserslautern. Beispiele für Mittelrhein-Westerwald sind Back-, Schul-, Spritzenhaus und Scheune. Die Baugruppe Hunsrück-Nahe schließlich, die größte, fasst unter anderem Drechslerei, Poststelle, Schmiede, Gemeinde-, Schusterhaus und Töpferei zusammen.
Mit Moos viel los an der Strecke. Auch einen Kaufmannsladen gibt es.
Puppen- und Blechspielzeugsammlung
Einmal im Monat wird im Backhaus Museumsbrot gebacken. An vielen Sonntagen finden Aktions- und Thementage statt. Es gibt eine umfangreiche Puppen- und Blechspielzeugsammlung. Naturfreunde werden sich wohl auch für Heilkräutergarten, Museumsweinberg, Naturlehr- und Schmetterlingspfad interessieren. Ausstellungen zu Themen wie „Es klappert die Mühle“ oder „Ein Plenartisch und seine Geschichte“ werden angeboten.
In Mainz wird offenbar ebenfalls gebraut. Die gute (Wohn/Schlaf-)Stube.
Im eigenen Meiler gebrannte Kohle
Natürlich dürfen Museumsgaststätte mit regionaler Küche, lauschiger Biergarten, Picknickplätze für Selbstversorger und Museumsquiz für Kinder nicht fehlen. Museumsschoppen, Museumhonig und im eigenen Kohlemeiler gebrannte Museumsholzkohle sind als Souvenir zum Mitnehmen nach Hause gedacht. Nur der kleine Sperlingsvogel, die Nachtigall, wenn es sie nach ihrer Rückkehr meist im April aus dem Winterquartier in Afrika hier tatsächlich noch gibt, sollte in jedem Fall bleiben in dem nach ihr benannten Tal. Auf dass sie zur Balz auf hoher Warte im Gebüsch sitzt und aus voller Kehle ihre Lieder singt. Wie es zumindest früher wohl auch hier einmal war.
Alte Gerätschaften finden sich fast überall. Und es klappert die Mühle ...
Info Bad Sobernheim
Das rund 6500 Einwohner zählende Heilbad, bekannt unter anderem durch Fossilienfundstätten, Naturheilkundler Emanuel Felke und das nahe Freilichtmuseum (Nachtigallental 1, 55566 Bad Sobernheim, Telefon 06751-855880, www.freilichtmuseum-rlp.de), liegt südwestlich von Mainz im Landkreis Bad Kreuznach. Für die 60 Kilometer von der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt braucht man mit dem Auto 45 Minuten bis dahin. Von Bad Sobernheim sind es bis Idar-Oberstein 30, nach Simmern 35, nach Bingen/Rhein 35, bis Kaiserslautern 50, nach Traben-Trabach/Mosel 65 und bis Saarbrücken 110 Kilometer. Die Anbindung aus Richtung Koblenz, Ludwigshafen, Mainz und Frankfurt/Main erfolgt über die Autobahn A61 und die Bundesstraße B41, aus Richtung Saarbrücken und Kaiserslautern über die A6, B270 und B420. Bad Sobernheim ist Bahnstandort. Zum Flughafen Hahn sind es 50, zum Flughafen Frankfurt/Main 90 Kilometer. Sollten Sie länger bleiben, können wir zur Einquartierung das Naturheilkunderesort und Wellnesshotel BollAnts (www.bollants.de) empfehlen. Weitere Internet-Information: (Stadt) www.badsobernheim.de, (Hunsrück-Touristik) www.hunsruecktouristik.de, (Naheland-Touristik) www.naheland.net.
Die Ziegen haben mitunter was zu meckern. Kegelbahn „Elsens Garten“.
Lesen Sie auch
Auf einen Schoppen: In Würzburg und „Weinfranken“ am Main Mehr Heilige Euphemia! Von Pula nach Rovinj in Istrien Mehr "Deutschland ist schön"-Serie über die Nahe: Gut Hermannsberg, die Region als einstiges Grenzgebiet Preußens zum Königreich Bayern und der Wein Mehr Über 800 Jahre: Bedeutende Frauenpersönlichkeiten in Marburg/Lahn Mehr
KoCom/Fotos: Günther Koch
7. Mai 2022