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"Eine Dame lebt in Venedig, / die ist mit achtzig noch ledig. / Sie beklagt sich nicht, / sie lächelt und spricht: / „Vielleicht war das Schicksal mir gnädig.“

Die Limericks, die Sie an dieser Stelle immer lesen, stammen alle von Ole Haldrup. Sein „Buch der Limericks“ (2003), dazu „Lirum, Larum, Limerick“ (2004) und „Das Geheimnis der fünften Zeile" (2007) sind zu beziehen über: Nereus-Verlag, Susanne Happle, Johann-von-Werth-Straße 6, 79100 Freiburg, Telefon 0761-403802, nereus-verlag @gmx.de. (gk)

Über 800 Jahre hinweg

Professorin stellt bedeutende Frauenpersönlichkeiten in Marburg vor / Kalender zum Stadtjubiläum 2022

Von Günther Koch/Life-Magazin

Die Heilige Elisabeth in ihrer Grabeskirche mit einem Modell des Gotteshauses auf dem Arm. Foto: Koch

Marburg – Als Stadt wird Marburg 1222 erstmals urkundlich erwähnt. Das entsprechende Jubiläum wollen die Marburger 2022 feiern. Dazu widmet sich ein Kalender auch bedeutenden Frauenpersönlichkeiten durch 800 Jahre Stadtgeschichte, die im kulturellen Gedächtnis Marburgs Spuren hinterlassen haben. „Es wurden ihnen Bauwerke, Denkmäler und andere Erinnerungszeichen für ihre besonderen Verdienste und Lebenswege zugeeignet, mit denen sie nach wie vor im Stadtbild präsent sind“, sagt Marita Metz-Becker. Von den vielen bedeutenden Marburgerinnen seien zwölf ausgewählt worden, „die stellvertretend für die vielfältigen Leistungen von Frauen in der Geschichte stehen“, so die Marburger Professorin am Institut für Europäische Ethnologie und Kulturwissenschaft der Philipps-Universität mit Schwerpunkt Frauen- und Geschlechterforschung, Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts, Medikalkulturforschung und Biographieforschung.

Von wo bis wo spannt sich der Bogen berühmter Frauen aus Politik, Wissenschaft, Kunst, Zeitgeschehen in Marburg?

Metz-Becker: Vom Mittelalter über frühneuzeitliche Landgräfinnen und Schriftstellerinnen aus der Epoche der Romantik bis hin zu den Frauen des 20./21. Jahrhunderts.

Welche Rolle haben Frauen in der Geschichte Marburgs gespielt? Welche Bedeutung hat die Universität dabei gehabt?

Metz-Becker: Für die ältere Marburger Frauengeschichte hatte die Universität eher eine untergeordnete Bedeutung, ließ sie doch Frauen erst seit 1908 zum Studium zu. Aber sie haben durch alle Jahrhunderte eine Rolle in der Politik gespielt, darüber hinaus in Kunst und Literatur. Im 20. Jahrhundert dann auch in Wissenschaft und Forschung.

Marita-Metz-Becker forscht über Frauen, hat einen speziellen Kalender zusammengestellt.

Zwölf Frauenpersönlichkeiten für 800 Jahre Marburger Stadtgeschichte: Wie schwer ist die Auswahl gefallen?

Metz-Becker: Sehr schwer, da ich auch hundert Frauen oder mehr hätte benennen können, die in der Marburger Stadtgeschichte Bedeutendes geleistet haben.

Was haben die ausgewählten zwölf Frauen gemeinsam, worin unterscheiden sie sich?

Metz-Becker: Gemeinsam haben sie, dass sie in Marburg lebten und wirkten und für die Geschichte der Stadt bedeutungsvoll waren. Sie unterscheiden sich natürlich in vielfältiger Hinsicht. Einige lebten im Mittelalter, andere in der Frühen Neuzeit oder in der Epoche der Aufklärung. Auch Frauen des 20. und 21. Jahrhunderts spielen eine Rolle im Kalender, da nun auch Akademikerinnen auf den Plan traten, die selbstbewusst ihren Weg gingen und eine wichtige Rolle im universitären Betrieb spielten.

Neben der Heiligen Elisabeth, der ungarischen Prinzessin und Landgräfin (1207-1231), die sich der mittelalterlichen Armutsbewegung verschrieben hat und Namensgeberin der Elisabethkirche ist: Wer findet sich noch im Kalender?

Metz-Becker: Zum Beispiel Sophie von Brabant (Landgräfin, 1224-1275), Tochter Elisabeths, eine selbstbewusste Herrscherin, der wir die Gründung des Landes Hessen zu verdanken haben. Aber auch Schriftstellerinnen aus der Epoche der Romantik oder Marie Anne Boivin-Gillain (Medizinerin, 1773-1841), der die Philipps-Universität lange vor Einführung des Frauenstudiums den Ehrendoktortitel für ihre Forschungen in der Geburtshilfe verliehen hat.

Informationstafeln und Straßennamen weisen auf bedeutende Frauen in Marburg hin, ...

Und sonst?

Marita Metz-Becker: Sonst sind es Hedwig Sophie von Hessen-Kassel (Landgräfin, 1632-1683), Caroline Schlegel-Schilling (Romantikerin, 1763-1809), Auguste von Hessen (Kurfürstin, 1780-1841), Bettina Brentano (Schriftstellerin, 1785-1859), Elisabeth Selbert (Politikerin, 1896-1986), Marie Luise Kaschnitz (Schriftstellerin, 1901-1974), Hannah Arendt (Philosophin, 1906-1975), Ingeborg Weber-Kellermann (Wissenschaftlerin, 1918-1993) sowie Margot Käßmann (Theologin, 1958).

Wer ist wegen der notwendigen Beschränkung nicht dabei, hätte es aber genauso verdient, aufgeführt zu werden?

Metz-Becker: Deutschlands erste Berufsschriftstellerin, Sophie Mereau (1770-1806) hätte es verdient, die jüdische Dichterin Mascha Kaleko (1907-1975), die Marburger Widerstandskämpferin Cilly Schäfer (1898-1961) ... Wie gesagt, ich könnte hier noch zahlreiche andere Frauen aufführen, aber das Jahr hat nun einmal nur zwölf Monate.

Wie hat sich das Frauenbild in den Jahrhunderten verändert? Was war früher wichtig, heute aber nicht mehr?

Metz-Becker: Das Frauenbild hat sich enorm verändert durch die Jahrhunderte. Es sind Hunderte von Büchern dazu verfasst worden. Klar ist, dass die Entwicklung zu einer demokratischen Gesellschaftsform und die Proklamation der Menschenrechte nach der Französischen Revolution auch Frauen zu mehr Gleichberechtigung verholfen hat. Im Mittelalter brauchte Elisabeth von Thüringen nach dem frühen Tod ihres Mannes noch einen männlichen Vormund. So etwas ist natürlich heute nicht mehr denkbar.

... etwa über Elisabeths Tochter Sophie von Brabant bis hin zu Theologin Margot Käsmann.

Und umgekehrt: Was hat früher keine Rolle gespielt, was heute wichtig ist?

Metz-Becker: Frauen fordern heute die gleichen Karrierechancen wie Männer sie haben, und gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Sie prangern das Gender Pay Gap an, das geschlechtsspezifische Lohngefälle zwischen Männern und Frauen. Das hat früher keine Rolle gespielt, da sie ohnehin nicht berufstätig sein konnten und ihre gesellschaftliche Stellung im Wesentlichen über ihren Ehemann bezogen. Zumindest galt dies für das Bürgertum. Heute ist zum Beispiel das Wahlrecht von Frauen nicht mehr wegzudenken. Früher war ihnen das verwehrt. Dass Frauen wählen oder studieren durften, war ein langer Kampf, der bis ins 20. Jahrhundert hinein angedauert hat.

Was raten Sie Frauen generell heute für ihr persönliches Leben?

Metz-Becker: Ich rate jeder jungen Frau oder jedem Mädchen einen guten Schulabschluss zu machen, nach dem Motto der frühen Arbeiterbewegung. „Wissen ist Macht“. Und ich rate ihnen, sich selbstbewusst zu verhalten und sich nicht vom eigenen Weg abbringen zu lassen. Das fängt schon in der Schule an, wo die Mädchen sogar die besseren Noten haben, geht dann aber in der Lehrzeit oder an der Universität häufig verloren. Haben die jungen Frauen, wenn sie ihr Studium beginnen, noch genauso viel Elan wie die jungen Männer, so lässt dies bei den Promotionen schon erheblich nach und erst recht bei den Habilitationen, wo Frauen sehr viel seltener anzutreffen sind. Das Problem ist natürlich nicht von jeder einzelnen Frau zu lösen, sondern muss politisch angegangen werden mit mehr finanzieller Förderung während des Studiums, der Promotions- und Habilitationszeit, mit mehr Kitaplätzen, gleichmäßiger Aufteilung der Hausarbeit ...

Und was für ihr berufliches?

Metz-Becker: Im beruflichen Leben müssen sich Frauen ihre Karrierechancen härter erkämpfen als Männer. Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, ist in Deutschland für eine Frau immer noch ein schwieriges Unterfangen. Auch die Arbeitgeber müssen endlich lernen umzudenken und qualifizierte Frauen einstellen, was aber häufig daran scheitert, dass Frauen immer noch unterstellt wird, sie könnten wegen der Familienarbeit zu oft ausfallen. Man sollte sich an den skandinavischen Ländern ein Beispiel nehmen, wo beide Geschlechter die gleichen Rechte und Pflichten haben und auch von den Männern Familienarbeit erwartet wird. Das stärkt die berufliche Stellung der Frau enorm und eröffnet ihr Karrierechancen. Es kann auch nicht angehen, dass in Deutschland Frauen immer noch weniger verdienen als Männer. Hier liegt politisch noch vieles im Argen und es gibt eine Menge zu tun.

Wie könnte das Frauenbild der Zukunft aussehen? Vielleicht sogar in den nächsten 800 Jahren?

Metz-Becker: Schwierig. In 800 Jahren kann sehr viel passieren. Hoffen wir zuerst einmal, dass unsere Welt dann überhaupt noch besteht. Wenn die Menschheit klug ist, wird sie in Zukunft keinen Raubbau mehr an der Natur betreiben und auch die Geschlechterkonflikte lösen. „Nur gemeinsam sind wir stark“, heißt es in einem Lied. Es gilt für die Zukunft, hierarchische Strukturen abzubauen und aneinander und miteinander zu wachsen, insbesondere auch, was das Verhältnis der Geschlechter betrifft.

„800 Marburg – Berühmte Frauen durch acht Jahrhunderte“, Marita Metz-Becker, 2021, 14 Seiten, 9,80 Euro. Marburger Haus der Romantik, Markt 16, 35037 Marburg/Lahn, Telefon 06421-917160, www.romantikmuseum-marburg.de.

Info Marburg I

Marburg, an der Lahn im mittelhessischen Landkreis Marburg-Biedenkopf gelegen, zählt rund 76 500 Einwohner, ist damit die achtgrößte Stadt in Hessen. Über Stadtrechte verfügt sie seit 1222, hat durch das Wirken Elisabeth von Thüringens schon früh große Bedeutung später auch als Pilgerort gewonnen. Die Landgräfin, 1207 als ungarische Königstochter geboren, hat in Marburg (der Name leitet sich von der damals als „mar(c)“ bezeichneten Grenze zwischen den Thüringer Landgrafen und den Mainzer Erzbischöfe ab), ein Hospital bauen lassen, sich dort um Alte, Gebrechliche und Kranke gekümmert, bis sie 1231 im Alter von erst 24 Jahren gestorben und schon 1235 heiliggesprochen worden ist. Die 1283 fertiggestellte und ihren Namen tragende Grabeskirche, das erste rein gotische Gotteshaus in Deutschland, gehört neben der Alten Universität (die nach Landgraf Philipp, dem Großmütigen, benannte und 1527 gegründete Hochschule ist die älteste noch existierende protestantische der Welt), dem Schloss und der fachwerksanierten historischen Oberstadt zu den wichtigsten touristischen Sehenswürdigkeiten der Stadt. Medizinisch haben die von Nobelpreisträger Emil von Behring (1854-1917) begründeten Marburger Behringwerke den Namen der Universitätsstadt weltweit bekannt gemacht.

Info Marburg II

Die Liste von Persönlichkeiten, die in Marburg geboren sind, hier gelehrt, gewohnt, sich länger aufgehalten haben, reicht etwa von Kanzleramtsminister Friedrich Bohl über Chemiker Robert Wilhelm Bunsen, Marburgs erste Professorin Luise Berthold, Theologe Rudolf Bultmann, Rechtschreibwörterbuch-Herausgeber Konrad Duden, Schriftsteller José Ortega y Gasset, die Märchen-Brüder Grimm, Otto Hahn, Entdecker der Kernspaltung des Urans, Widerstandskämpfer Ernst von Harnack, Philosoph Martin Heidegger, Bundespräsident Gustav Heinemann, Bundesjustizminister Gerhard Jahn, Komponist und Dirigent Gustav Jenner, Wilhelm Liebknecht, SPD-Mitbegründungsvater und radikaldemokratischer Revolutionär, Reformator Martin Luther, zusammen mit Ulrich Zwingli Teilnehmer des Marburger Religionsgesprächs 1529, Historiker Ernst Nolte, Dampfmaschinen-Erfinder Denis Papin, Schriftsteller Boris Pasternak, Theaterintendant Erwin Piscator, Pädagoge Adolf Reichwein, Chirurg Ferdinand Sauerbruch, Staatsmann Friedrich Carl von Savigny, Reichskanzler Philipp Scheidemann, Konstantinos Simitis, griechischer Regierungschef, und Justizminister Hans-Jochen Vogel bis hin zu Polarforscher Alfred Wegener. Städtepartnerschaften gibt es mit Poitiers/Frankreich, Maribor/Slowenien, dem früheren Marburg an der Drau, Sfax/Tunesien, Eisenach/Thüringen, Northampton/England und Sibiu/Rumänien.

Info Marburg III

Der Tourismus stellt auch für Marburg einen nicht unwesentlichen Wirtschaftsfaktor dar. Es gibt in der Stadt, den Stadtteilen und in unmittelbarer Umgebung verschiedene Hotels, Pensionen, Jugendherberge und Campinglatz. Stadtführungen auch zu Sonderthemen wie Romantik oder „Hexen, Huren, Heilige“ finden statt. Rundfahrten in die Umgebung zu den von Maler Otto Ubbelohde illustrierten Orten der Grimmschen Märchen oder auf der Deutschen Märchenstraße sind möglich. Wer will, kann in die Welt der Marburger Kasematten, der unterirdischen Festungsanlagen des Landgrafenschlosses, eintauchen. In unmittelbarer Nähe befindet sich die Freilichtbühne. Höhepunkte im jährlichen Veranstaltungskalender sind etwa Sommerfest der Universität, Elisabethmarkt, die Stadtillumination „Marburg b(u)y Night“ sowie vor Weihnachten die Märke unten an der Elisabethkirche und oben vor dem Rathaus. Das Stadtjubiläum „Marburg 800“ ist 2022 von Ende März bis Ende des Jahres vom Kinderchor bis zum Sportverein, vom Fotoprojekt bis zum Wandervergnügen, von der Stadtautobahn bis hoch zum Landgrafenschloss vorgesehen, wird in Kirchen, auf Plätzen, in Gärten, an der Lahn und auf den Bergen beiderseits des Tals gefeiert. Information: Marburg Stadt & Land Tourismus GmbH, Erwin-Piscator-Haus, Biegenstraße 15, 35037 Marburg/Lahn, Telefon 06421-99120, www.marburg-tourismus.de.

Service Anreise

Verkehrsmäßig ist Marburg auch ohne direkten Autobahnanschluss über die Bundesstraßen 3, 62 und 252 ganz gut angebunden. Nördlich nach Kassel sind es mit dem Auto etwa 90, südlich bis nach Frankfurt/Main etwa 100 Kilometer. Was die Schiene betrifft, liegt Marburg an der Main-Weser-Bahn. Der nächstgrößere Flughafen ist der in Frankfurt/Main.

KoCom/Fotos: Günther Koch/Marburger Frauenkalender 2022

2. November 2021