Donnerstag, 28. März 2024

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GALERIA REISE Alla Marinara: Am Golf von Neapel. Foto: Michael-Müller-Verlag
GALERIA REISE In Lindgrens Heimat Südschweden. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE In der (Süd-)Pfalz an der Weinstraße entlang. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Die Bretagne ist Frankreichs nordwestlichste Region. Foto: Michael-Müller-Verlag
GALERIA REISE Freilichtmuseum Bad Sobernheim zeigt das Leben, Wohnen und Arbeiten früher. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE In den schottischen Highlands: Kelten, Kilt und Whisky. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Über geflügelte Löwen, trutzige Festungen und eine Märtyrerin in Istrien. Foto: Rainer Waldinger
GALERIA REISE Ein Italiener in der Provinz / Vom Comer See nach Deutschland ausgewandert. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Zwischen Burgwald und Wollenberg weist Wetter eine lange Geschichte auf. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Heimat Hunsrück: Auf den Spuren einer filmischen Familiensaga. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Bedeutende Frauen in 800 Jahren Marburger Stadtgeschichte. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Am Point Alpha in der Rhön: Eine deutsch-deutsche Geschichte. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Biegung für Biegung: Deutschland ist schön - an der Mosel entlang. Foto: Günther Koch

Gute Reise!

"Eine Dame lebt in Venedig, / die ist mit achtzig noch ledig. / Sie beklagt sich nicht, / sie lächelt und spricht: / „Vielleicht war das Schicksal mir gnädig.“

Die Limericks, die Sie an dieser Stelle immer lesen, stammen alle von Ole Haldrup. Sein „Buch der Limericks“ (2003), dazu „Lirum, Larum, Limerick“ (2004) und „Das Geheimnis der fünften Zeile" (2007) sind zu beziehen über: Nereus-Verlag, Susanne Happle, Johann-von-Werth-Straße 6, 79100 Freiburg, Telefon 0761-403802, nereus-verlag @gmx.de. (gk)

Wohlgefühl nach Felke

Deutschland ist schön: In Bad Sobernheim / Natürliche Heilkunde, Weinkultur und rauerer Hunsrück-Charme

Von Günther Koch/Life-Magazin

Sinnbildliche Darstellung für Pastor Felkes simples Heilrezept: Licht, Erde, Wasser, Luft. Fotos: Koch

Bad Sobernheim – Es wirkt wie ein Ritual. Sie treffen sich morgens draußen am Pool, machen ihre Übungen im Wasser – und singen dabei, um danach vielleicht noch ein Lehmschlammbad zu nehmen. So etwas wie Wohlgefühl stellt sich ein im BollAnts Spa im Park von Bad Sobernheim. Auch wenn das Wetter, was den Sommer betrifft, in diesen Tagen Anfang Juli noch immer nicht so richtig mitzuspielen scheint. Es regnet. Eine geschlossene Wolkendecke hängt grau und drohend-dunkel über der Region, in der die weinselige Landschaft der Nahe so langsam in die eher rauere des Hunsrücks übergeht.

Hinweistafel auf den Naturpark Soonwald-Nahe. Der frühere Tower des alten Fliegerhorsts Pferdsfeld steht noch.

Soonwald und Schinderhannes

Bad Sobernheim in Rheinland-Pfalz. 6500 Einwohner. Mittlere Nahe. Staatlich anerkanntes Heilbad. Bekannt durch Emanuel Felke (1856-1926), Pastor und Naturheilkundler. Fundort versteinerter Fossilien. Bis zur Edelsteinmetropole Idar-Oberstein ist es nicht weit. Nördlich fängt der Hunsrück an. Südlich das Nordpfälzer Bergland. Sogar ein Denkmal für den Jäger aus Kurpfalz findet sich überraschend hier. Deutsche Alleenstraße, Deutsche Edelsteinstraße und Nahe-Weinstraße verlaufen durch die Region. Ein Wald mit dem märchenhaft-verwunschen klingenden Namen Soonwald grenzt an. „Das war früher hier das Armenhaus im Land“, sagt ein Kollege aus Hermeskeil, mit dem wir an einer Toyota-Fahrveranstaltung in Bad Sobernheim und Pferdsfeld auf dem dort längst zu einem Test- und Eventzentrum umfunktionierten, alten Fliegerhorst teilnehmen. „Hier hat der Schinderhannes sein Unwesen getrieben“, erzählt der Kollege und meint damit den gegen Ende des 18. Jahrhunderts unter diesem Namen bekannt gewordenen Johannes Bückler (1779-1803). Ein „deutscher Räuber“, heißt es, „dem mindestens 211 Straftaten, zumeist Diebstähle, Erpressungen und Raubüberfälle, aber auch Raubmord und Mord“ hätten nachgewiesen werden können. Im Hox- oder Gaulsbachtal nahe Pferdsfeld liegt eine nach ihm benannte kleine Höhle, die dessen Versteck gewesen sein soll. Dieser Hannes!

Vorm Schinderhannes-Turm in Simmern (Foto: Eike Dubois/Hunsrück-Touristik GmbH), Gemälde in einem Hunsrück-Dorf.

Als Hunderttausende ausgewandert sind

Wir sind auf einsamen Straßen durch den dünn besiedelten Hunsrück unterwegs, der sich zwischen Rhein, Mosel, Saar und Nahe erstreckt. Hauptort ist Simmern, wo eine Statue vor dem Schinderhannes-Turm den Räuber beim Schweinediebstahl zeigt. Der Flughafen Frankfurt-Hahn bei Lautzenhausen hat zuletzt die Gegend noch stärker geprägt. Dörfer, durch die wir fahren, tragen Namen wie Dörre-, Winter- oder Tiefenbach, Hüffels-, Harges- oder Windesheim. Mit über 800 Metern ist der Erbeskopf die höchste Erhebung. Wie Schluchten durchziehen Täler die Region, aus dem im 18. und 19. Jahrhundert Hunderttausende ausgewandert sind. Aus wirtschaftlicher Not. Bei Selbach sprudelt die Nahe ans Licht, mündet bei Bingen in den Rhein. Wiesen, Wälder, Felswände und Rebhänge säumen den windungsreichen, fast 120 Kilometer langen Fluss,

Auf dem Weingut Wagner-Stempel in Siefersheim findet die Verkostung unter der mächtigen Kastanie im Innenhof statt.

An der Nahe entlang Richtung Siefersheim

Wir folgen dem Verlauf der Nahe Richtung Bad Kreuznach. In Siefersheim macht Chatrin Wagner vom 1845 gegründeten Weingut Wagner-Stempel klar: „Wir gehören schon zu Rheinhessen!“ Bruchsteinmauern grenzen den weitläufigen Innenhof ab. Oleander blüht. Mächtig und weit ausladend steht eine Kastanie da. Hügel vulkanischen Ursprungs um den Ort herum. Heidelandschaft. Kleine Bachläufe. Alte Steinbrüche. Überwucherte Felsmauern. Seit neun Generationen betreiben die Wagners Weinbau. Lagen wie Höllberg und Heerkretz haben ihnen auch überregional Bedeutung verschafft. Winzer Daniel hat auf ökologische Bewirtschaftung der rund 20 Hektar umfassenden Weinberge umgestellt, sich auf klassische Rebsorten wie Silvaner, Weißburgunder und vor allem Riesling konzentriert. „Wollen Sie denn mal probieren?“

Das Naturheilkunde-Resort und Wellnesshotel BollAnts in Bad Sobernheim liegt ruhig in einem Jugenstilpark.

Alte Bilder erzählen die BollAnts-Geschichte

Vielleicht nächstes Mal. Wir müssen schließlich noch zurück nach Bad Sobernheim. Zurück ins BollAnts. Alte Bilder wie das von Pastor Felke auf dem Weg zum Frühbad erzählen die Geschichte der Herberge. 1907 als Kurhaus gegründet. Heute von einer englischen Hotel-Management-Gesellschaft geführt. Gehobenes Naturheilkunde-Resort und Wellnesshotel. Ruhig und nicht weit vom Zentrum in einem Jugendstilpark gelegen. 120 Komfortzimmer, Suiten und alpine Lodges am Berg. Eingerichtet mit Möbeln im alten Vintage-Look. Gleich drei Restaurants mit legerer und gesunder Vitalküche, neben der historischen Villa und dem Hermannshof mit vielfältiger, bodenständiger, abwechslungsreicher, saisonaler und regionaler Küche auch noch das mit einem Michelin-Stern und 17 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnete Restaurant Jungborn. Dazu Linden Bar & Lounge und Bistro. Drei Pools, Sprudelbad, Spa, fünf Saunen, Dampfbad und Hamam.

Mit dem Kurhaus Dhonau fing 1907 alles an. Im Kloster Disibodenberg, heute Ruine, hat Hildegard von Bingen gewirkt.

Gesundheit, Entspannung oder einfach nur Auszeit

Im BollAnts herrscht schon wieder einigermaßen reger Betrieb „Wir haben seit 2. Juni 2021 wieder geöffnet“, verweist Hoteldirektor Jörg Stricker auf die coronabedingt siebenmonatige Schließung davor. Aktuell liege die Auslastung immerhin schon wieder bei 85 Prozent. Vor allem Ruhesuchende, Aktivurlauber und Wellnessgäste aus Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen kämen, um etwas für ihre Gesundheit und für ihr Wohlbefinden zu tun, sich zu entspannen oder sich einfach nur eine Auszeit zu gönnen. Die meisten blieben zwei bis drei Tage. „Wenn wir ihnen für einen Aufenthalt, egal ob am Wochenende oder unter der Woche, empfehlen sollen, was man hier in jedem Fall machen oder sich anschauen sollte, schlagen wir in der Regel den Barfußpark, das Freilichtmuseum, die Klosterruine Disibodenberg, wo die Mystikerin Hildegard von Bingen einst gewirkt hat, und das Edelsteinmuseum in Idar-Oberstein vor.

Landschaft mit Weinlage nahe Bad Sobernheim und Technikdenkmal vor einem Gebäude der Verbandsgemeinde.

Das hohe Ideal der Heilung Kranker

Anfang des vorigen Jahrhunderts. Metzger Andres Dhonau, Urgroßvater von Familie Bolland-Anton, hat hartnäckige Neurodermitis, lässt sich von Felke kurieren, steht auf der Internetseite des Hotels. Des Pastors Rezept klingt in der Tat simpel: Nur Licht, Erde, Wasser, Luft. Behandlungen mit Heilerde, sanfte Bewegung an der frischen Luft, eine leichte, entschlackende Ernährung und viel Wasser von innen und außen gehören demnach zur Therapie. Dhonau wird gesund, trotzt dem Naturheilkundigen ein Versprechen ab: Wenn er ein Kurhaus errichte, solle er, Felke, dort wirken und heilen. So kommt es. Dhonau verkauft seine Metzgerei. Ihre erste Wirkungsstätte an der Nahe entsteht. In einem Buch, in dem Dhonau über die Entstehung der Felke-Therapie, seine „wundersame Heilung“ und eine „innere Stimme“ schreibt, die ihn „unaufhörlich gemahnt“ habe, durch den Aufbau einer Heilstätte ein Werk zu beginnen, das dem „hohen Ideal der Heilung kranker Menschen“ dienen sollte, bekennt er: Nur durch das Eingreifen des Pastors habe er gerettet werden können ...  

Das Denkmal für den Jäger aus Kurpfalz im Hunsrück bei Pferdsfeld, wo auch Sonnenenergie gewonnen wird, überrascht.

Für die verschiedensten Leiden

Am nächsten Morgen. Wir haben gerade noch gelesen, Kuren nach Felke zur Behandlung etwa von Erschöpfungs-, Arthrose-, Arthritis-, Wirbelsäulen-, Venen-, Infekt-, Stoffwechsel- sowie Magen- und Darmleiden würden morgens mit einem Sitzbad beginnen, das möglichst im Freien unter Anleitung durchgeführt wird, ehe eine Bewegungseinheit in der Gruppe folgt. Ob früher da auch schon vom Singen die Rede gewesen ist und vom kompletten Ablegen der Badekleidung? 

Service/Information

Bad Sobernheim liegt südwestlich von Mainz im Landkreis Bad Kreuznach. Für die 60 Kilometer braucht man mit dem Auto vielleicht 45 Minuten bis dahin. Von Bad Sobernheim selbst sind es bis Idar-Oberstein etwa 30, nach Simmern 35. nach Bingen am Rhein ebenfalls 35, bis Kaiserslautern 50, nach Traben-Trabach an die Mosel 65 und bis Saarbrücken etwa 110 Kilometer. Die Anbindung mit dem Auto aus Richtung Koblenz, Ludwigshafen, Mainz und Frankfurt/Main erfolgt über die Autobahn A61 und die Bundesstraße B41, aus Richtung Saarbrücken und Kaiserslautern über die A6, B270 und B420. Bad Sobernheim ist Bahnstandort. Zum Flughafen Hahn sind es knapp 50, zum Flughafen Frankfurt fast 90 KIlometer. Internet-Information: (Stadt) www.badsobernheim.de, (Hunsrück-Touristik) www.hunsruecktouristik.de, (Naheland-Touristik) www.naheland.net, (Hotel) www.bollants.de sowie (Weingut Siefersheim) www.wagner-stempel.de.

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KoCom/Fotos: Günther Koch/Eike Dubois/Hunsrück-Touristik GmbH (1)

24. Juli 2021