Mineralisch spannend
An der Nahe (V) / Kellermeister Karsten Peter schaut voraus auf den Weinjahrgang 2021 / Serie endet
Von Günther Koch/Life-Magazin
Karsten Peter Ist der Kellermeister auf Gut Hermannsberg. Foto: Gut Hermannsberg
Niederhausen – Und? Hat alles geklappt in diesem Jahr? Kellermeister Karsten Peter sagt: „Ja, es brauchte zunächst Geduld, dann Schlagkraft!“ Gleich Anfang Oktober haben sie auf Gut Hermannsberg in Niederhausen an der Nahe mit der Weinlese begonnen. Sie hat bis Ende des Monats gedauert. 40 Mitarbeiter sind im Einsatz gewesen. Und auch wenn sie diesmal beim Lesegut „etwa 20 Prozent unter dem Vorjahr“ liegen, antwortet Peter auf unsere Frage, ob er dennoch zufrieden sei: „Sehr!“ In seinem Lesebericht 2021 stellt der Kellermeister kurz und bündig „Ernte gut, alles gut“ fest.
Verzögerter Austrieb
„Wir Winzer sind ja selten zufrieden mit der Witterung, meist hört man uns klagen, zu nass oder zu trocken, zu kalt oder zu warm“, verweist Peter in seiner Rückschau auf ausreichend Niederschlag im Winter und im zeitigen Frühjahr. „Nicht zu kalt oder zu warm, unspektakulär im besten Sinne.“ Der etwas verzögerte Austrieb habe vor größeren Frostschäden bewahrt und auf ein „normales Jahr mit nicht allzu frühem Lesebeginn“ hoffen lassen. Während der kühleren Phase gleich danach habe man große Entwicklungsunterschiede bei den jungen Triebe beobachtet. Noch augenscheinlicher sei die Spreizung der einzelnen Parzellen gewesen. „Ein Jahr für die wirklich großen Lagen schien zu kommen.“ Die Niederschläge im Frühjahr und während des Sommers seien „perfekt für die Reben auf unseren kargen Gesteinsböden“ gewesen. Die feucht-warme Witterung habe indes nicht nur ideale Bedingungen für Rebenwachstum geboten, „sondern auch für die Mehltaupilze“, spricht Peter von einer „großen Herausforderung, die jungen Triebe und ihre Trauben vital und gesund zu halten und die Laubarbeiten zeitgerecht zu erledigen“. Das alles sei nicht ohne „viel, viel harte Handarbeit“ gegangen.
Genug Zeit für die Böden
Winzer wissen, dass die letzten Wochen vor der Ernte oft alles entscheiden. „Und so kam die trockene Phase Ende August bis Mitte Oktober zum perfekten Zeitpunkt“, erinnert sich der Hermannsberg-Kellermeister: „Genug Zeit für die Böden, etwas abzutrocknen.“ Im sprichwörtlichen goldenen Oktober, der mit seiner Farbenpracht in den Wäldern rund um die Weinberge „so prächtig wie selten“ gewesen sei, habe man die Ernte des Rieslings, auf den sie in Niederhausen spezialisiert sind, endlich starten können. Durch die hohen Niederschläge sei eine gute Wasserversorgung gewährleistet gewesen, „toll für die Wurzeln, schwierig für die jungen Triebe“. Das Wasserhaltevermögen der Böden sei zwar gering, habe aber Vorteile gegen Staunässe. Das „gute Alter der Reben“ sorge zudem für eine gute Tiefenwurzelung und keine Mangelerscheinungen, was freilich 2021 „ohnehin nicht das Problem“ gewesen sei. Kein Trockenstress also für die Reben? „Absolut", hört sich das für die 2021er-Lese an, „besonders für unsere Junglage im Hermannsberg ein perfekter Start.“
Schlüssel für Traubenqualität
Anders als in den Jahren davor, Stichwort auch Extremwetter mit all seinen negativen Folgen ebenfalls im Weinbau, habe man diesmal die Sonne suchen und die Reife weinbaulich unterstützen müssen. Die Aufmerksamkeit gegenüber dem Jahrgang sei immer der Schlüssel für die Traubenqualität. „Ein Winzer“, so Peter, „erlebt denselben Jahrgang höchstens zweimal im Leben“. An der Nahe sei ihnen erneut die späte Lese zugutegekommen. Man habe das gute Wetter im Oktober nutzen können, während viele Kollegen südlicher mit schwierigerem Lesewetter im September hätten umgehen müssen. Es sei außerdem durchaus ein Vorteil, Riesling zu haben. Auch deshalb, weil andere Rebsorten weitaus komplizierter seien.
Wieder mit Energie geladener Säure
Und der neue Jahrgang? „Es wird ein wunderbar kühler mit toller Struktur, Länge und wieder mit Energie geladener Säure“, glaubt Peter. „Es werden Weine für ein langes Leben sein, nicht vordergründig und ausladend, eher mit mineralischer Spannung und Länge.“ Der Lagencharakter komme in Jahren wie 2021 viel deutlicher zur Geltung als in wärmeren. Die Steillagen mit alten Stöcken seien die Gewinner des Jahrgangs, setzt Peter auf „kleinbeerige, perfekt ausgereifte Trauben, keine Zuckermonster, sondern Trauben mit klassischer Säurestruktur und enorm energiegeladener Spannung“. Sie ließen die Vorfreude auf einen „wirklichen Riesling-Jahrgang“ steigen, lang ersehnt und nun eingetreten. „Kühle Weine mit riesigem Spannungsbogen, echte Langstreckenläufer“ – das sei das „Versprechen der 2021er“. Auf Gut Hermannsberg warten sie jetzt das Ende der Gärung ab, verfolgen den weiteren Verlauf der Reife. „Es bleibt spannend.“
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Das Weinanbaugebiet
... an der Nahe ist mit 4200 Hektar eines der kleinsten und doch vielfältigsten in Deutschland, vereint auf relativ kleiner Fläche die unterschiedlichsten topografischen und geologischen Charakteristika. Mit 8000 Litern pro Hektar steht die Qualität der Weine vor der Quantität. Über 100 Schilder weisen auf 130 Kilometern den Weg zu Winzern in 35 Weinbaugemeinden. Gut Hermannsberg, ehemals Weinbaudomöne, bietet Weine von sieben Einzellagen – Kupfergrube, Bastei, Hermannsberg, Felsenberg, Steinberg, Rotenberg, Rossel – an, dazu verschiedene Sekte. Die Preise beginnen bei 10, reichen hoch bis 55 Euro. Große Edelsüß- oder gereifte Schatzkammerweine als Raritäten wie die 2015er-Kupfergrube-Trockenbeeren-Auslese haben laut Gutsleiter Achim Kirchner bei Versteigerungen schon fünfstellige Euro-Beträge erzielen können. Zum inmitten von Weinbergen hoch über dem Tal der Nahe gelegenen Gut (www.gut-hermannsberg.de) gehört ein Gästehaus mit elf stilvoll eingerichteten Doppelzimmern/Appartements/Suiten.
KoCom/Foto: Gut Hermannsberg
3. Dezember 2021