Griaß di!
Deutschland ist schön: Im Allgäu / Wo Bayern und (Ober-)Schwaben offenbar gut miteinander können
Von Günther Koch/Life-Magazin
Typisch für die Region: Häuser mit Blumenschmuck und Fassadengemälden. Fotos: Koch
Garching/Oberjoch – Hört sich nicht gut an! „Dauerregen in der deutsch-österreichischen Grenzregion“, kündigt der Nachrichtensprecher im Radio an. Wir fahren trotzdem los, wollen von Garching bei München über Diessen am Ammersee und Landsberg am Lech durchs Allgäu an Kaufbeuren, Kempten, Immenstadt und Sonthofen vorbei erst nach Oberjoch und dann über Nesselwang, Schwangau, Murnau, Unter-, Oberammergau, Benediktbeuren, Bad Tölz, Holzkirchen, Vaterstetten und Ismaning wieder zurück. Zwei Tage. Vier Etappen. 530 Kilometer. Reine Fahrzeit rund neun Stunden.
„... kehrt als Bankerl zurück“
Dunkle Wolken. Nieselregen. Noch im Landkreis Fürstenfeldbruck haben sie gereimt: „In unserem Dorf, wie ihr seht, dank Corona heuer nur ein Stangerl steht, doch der alte Maibaum, welch ein Glück, kehrt als Bankerl hierher zurück. Und nächstes Jahr, so hoffen wir, steht wieder ein Maibaum hier.“ Die Pferde auf der Weide stört‘s wenig; sie grasen lieber.
Auf den Spuren des heiligen Rosso
Immer wieder finden sich Christus-Kreuze am Weg. Der Glaube wirkt gerade in Bayern wie später ebenfalls im Oberschwäbischen im Allgäu nach wie vor noch stark verbreitet. Die barocke Grafrather Wallfahrtskirche ist 1688 bis 1695 neu errichtet worden. Von hier aus kann man auf den Spuren des heiligen Rasso rund um den Ammersee pilgern.
Schöne Motive bis hin zum Kürbishof
Die Schafe in der noch immer nicht zuletzt landwirtschaftlich geprägten Gegend weisen eine besondere rötlich-braune Fellfarbe auf. Wer von der nördlichen Spitze des Ammersees von Inning Richtung Herrsching und weiter zum Südufer fährt, kann schöne Fotomotive entdecken. Die nächste Kürbisernte jedenfalls steht Im Herbst schon wieder bevor.
Der am weitesten nach Norden reicht
Zwischenstation im Seerestaurant St. Alban. Der Ammersee, gut 15 Kilometer lang, fast fünfeinhalb Kilometer breit, gut 80 Meter tief, ist nach Chiemsee und Starnberger See der drittgrößte in Bayern, jedenfalls unter den Seen, die ausschließlich in diesem Bundesland liegen. Darüber hinaus gilt er als der am weitesten nach Norden reichende Voralpensee.
Wo Kemptens Südumfahrung beginnt
Wir nähern uns dem Autobahndreieck Allgäu, wo die Südumfahrung von Kempten, dem Hauptort der Region, als A980 von der A7 abzweigt. Bis Füssen sind es von hier noch etwa 30, bis Memmingen zum nächstgelegenen Flughafen noch 35, bis Lindau am Bodensee noch 50 Kilometer. Die Sonne kommt raus, zumindest kurz. Die Landschaft wird hügeliger.
Heilklimatisch auf 1200 Metern Höhe
Willkommen in Oberjoch! Das nur rund 200 Einwohner zählende heilklimatische Pfarrdorf auf 1200 Metern Höhe in den Allgäuer Alpen sieht sich als „Deutschlands höchstgelegenes Ski- und Bergdorf“, auch wenn es bei uns Siedlungen geben soll, die höher liegen. Wir quartieren uns im Panoramahotel ein, das auch über luxuriösere alpine Chalets verfügt.
Eng mit Milch- und Käseaufstieg verbunden
Die Heiliggeist-Kirche ist neben Jakobs- und Salzfahrerkapelle das dritte Gotteshaus in oder bei Oberjoch. Braunvieh nennt sich die traditionelle Rinderrasse im Allgäu. Sie ist eng mit der Etablierung als Milch- und Käseregion verbunden, soll zuletzt aber nach einem 2018/2019-Vergleich um fast zwei Prozent auf unter 375 000 Exemplare geschrumpft sein.
Vorn welliges Voralpenland, hinten die Berge
Am nächsten Morgen. Der Regen ist Gott sei dank doch nicht zum Dauerzustand geworden. Die grauen Wolken sind weg. Stattdessen blauer Himmel und Sonnenschein. Gar nicht so weit entfernt sind hinter der welligen Voralpenlandschaft die Berge mit teils schneebedeckten Gipfeln zu erkennen. Und wieder ein Gotteshaus, diesmal ganz allein auf weiter Flur.
Auch als Ausgangspunkt für Alpenüberquerung
Füssen ist nicht nur wegen der Königsschlösser Neuschwanstein, Hohenschwangau und Linderhof bekannt. Die Ursprünge der 15 500-Einwohner-Stadt, historisches Zentrum, gut erhaltene Stadtmauer, viele Brunnen, Ausgangspunkt zur Alpenüberquerung, reichen bis in die Römerzeit. Seen und Weiher in der Umgebung bieten Ruhe und Entspannung.
Ein lohnender Abstecher zur Wieskirche
Bei Steingaden schon im oberbayrischen Landkreis Weilheim-Schongau lohnt ein Abstecher zur Wallfahrtskirche zum Gegeißelten Heiland auf der Wies, kurz Wieskirche. Deren Gründung geht auf eine seit 1739 bestehende Wallfahrt zurück. Ein Mast mit hölzernen Flaggen wieder an der Hauptstraße belegt, wie international Besucher hier sind.
„... dem gebe Gott zweimal so viel“
Ein altes Holzhaus mit Holz auch noch davor: Im 400-Seelen-Kirchdorf Schöffau im Landkreis Garmisch-Partenkirchen scheint „Es gönn mir einer was er will, dem gebe Gott zweimal so viel“ zu gelten. Wir sind im „Blauen Land“ um Murnau am Staffelsee, von Maler Wassily Kandinsky einst wegen wechselnd bläulicher Farb-/Lichtstimmungen so genannt.
Herrgottsschnitzer im Ammergau
„Griaß di!“ So wendet sich Herrgottsschnitzer Georg Meßmer in Unterammergau, gleich gegenüber unserer Zwischenstation am zweiten Tag, dem Restaurant Hieronymus im Hotel Lartor, am Zaun an Vorübergehende, die darüber rätseln, welcher hölzerne Ordensbruder da wohl mit den Tieren spricht. Der heilige Franz von Assisi vielleicht?
Barocke Benediktinerabtei in Ettal
In direkter Nachbarschaft vor dem Hotel geht es moderner zu. Größer können Kontraste kaum sein! Wir fahren weiter, erreichen hinter Oberammergau Ettal mit nicht einmal mehr 800 Einwohnern und der 1330 gegründeten Abtei der Benediktiner, zu der neben verschiedenen Betrieben und Bildungseinrichtungen auch Destillerie und Brauerei gehören.
Bis hin zum bäuerlichen Leben
Die vom Orden der sich auf Benedikt von Nursia berufenden Benediktiner gegründete Ettaler Abtei zu den heiligsten Herzen Jesu und Mariä wartet mit prächtigem Barock und vielen Statuen auf. Wandgemälde im Dorf selbst geben nicht weit vom Kloster anschaulich auch das bäuerliche Leben wieder. Offenbar mit Sonnenschein. Und ganz ohne Regen.
Info Allgäu I
Die teils in Bayern und teils Baden-Württemberg liegende Region, deren Name sich von „Alpengeäu“ (für „Alpenauen“) ableiten könnte, umfasst das Alpen- und Voralpengebiet zwischen Lech im Osten, Allgäuer Alpen im Süden, Bodensee im Westen und Memmingen im Norden. Höchste Erhebung ist mit 2656 Metern der Große Krottenkopf. Das 2224 Meter hohe Nebelhorn lässt sich per Seilbahn gut erreichen. Iller, Lech, Wertach, Obere und Untere Arge fließen durchs Allgäu. Großer Alp-, Forggen-, Grünten-, Hopfen-, Niedersonthofener-, Rottach- und Weißensee haben ihren Reiz. Bad Hindelang, Bad Wörrishofen, Füssen, Immenstadt, Isny, Kaufbeuren, Kempten, Marktoberdorf, Memmingen, Oberjoch, Oberstaufen, Oberstdorf, Pfronten und Wangen sind bekanntere Orte. Die Königsschlösser bei Füssen dürften mit am meisten besucht sein. Weitere touristische Ziele bei Pfronten sind die Burgruine Falkenstein, die Burgengruppe Eisen- und Hohenfreyberg sowie Schloss Kronburg. Die zweieinhalb Kilometer lange und 150 Meter tiefe Breitachklamm verbindet Oberstdorf und Kleinwalsertal, gilt als Europas tiefste Felsenschlucht. Sehenswert bei Sonthofen ist der Hinanger Wasserfall.
Info Allgäu II
Der Tourismus vom Wandern über Radfahren, Wasser-, Kletter- und Wintersport bis hin zu den Kultur- und Naturdenkmälern spielt das ganze Jahr über eine wichtige Rolle in der Region, durch die Alpen-, Bäder-, Barock-, Mühlen- und Romantische Straße verlaufen; hinzu kommen Fernwander- und Pilgerwege. Klimatisch geht es eher gemäßigt zu. Durch die Alpen ist das südliche Allgäu aber auch alpin geprägt. Zur Einquartierung können wir in Oberjoch das Panoramahotel (Vier-Sterne-Superior-Niveau, 113 Zimmer/Suiten, 14 Chalets, alpiner Stil, modern ausgestattet, Wellness-/Pistenhotel in 1200 Metern Höhe gelegen, https://panoramahotel-oberjoch.de) empfehlen, an möglichen Zwischenstationen in Diessen das Seerestaurant St. Alban am Ammersee (www.seerestaurant-ammersee.de), in Unterammergau im Boutique-Hotel Lartor (www.lartor.de) das Restaurant Hieronymus. Zur Allgäuer Küche gehören Gerichte wie Schwarzmus mit Röstkartoffeln, Rindfleischgröstl, mehlspeisige Kässpatzen, Krautspätzle, Kratzat-Schmarrn und Schleifernnudla sowie süße Teigknödel oder mit Most oder Wein übergossene Teigstückchen. Käsespezialitäten aus der Region sind Allgäuer Bergkäse, Allgäuer Emmentaler und schnittiger Weißlacker. Information: Allgäu GmbH, Gesellschaft für Standort und Tourismus, Allgäuer Straße 1, 87435 Kempten, Telefon 0831-5753730, www.allgaeu.de.
Service Anreise
Das Allgäu ist über die Autobahnen A7, A96 und A980 angebunden, wobei die A7 in den Grenztunnel Füssen mündet und in Österreich in die Fernpassstraße übergeht. Weitere wichtige Verkehrsadern in der Region sind die Bundesstraßen B19, über die man über Kempten, Sonthofen und Oberstdorf ins österreichische Kleinwalsertal gelangt, sowie die B12 etwa über Buchloe und Kaufbeuren nach Kempten. Wichtigster Zielbahnhof ist der in Oberstdorf. Nächste Flughäfen sind die in Memmingen und München. Die Reise ins Allgäu fand schon 2020 von Garching bei München aus nach Oberjoch und wieder zurück nach Garching in noch sportlicher orientierten John-Cooper-Works-Mini-Spitzenmodellen statt, die aktuell etwa als 231-PS-Dreitürer ab 32 800 Euro und als 306-PS-Clubman ab 45 300 Euro bei den Händlern stehen.
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KoCom/Fotos: Günther Koch
10. August 2021