Mit Spannung erwartet
Spät, aber immerhin: Audi geht mit e-tron nun ebenfalls rein batterie-elektrischen Serienweg
Von Günther Koch/Life-Magazin
Audis kommissarischer Chef Bram Shot stellt den 408-PS-e-tron mit über 400 Kilometer Reichweite vor. Fotos: Koch/Audi
San Francisco – You like it? Die Frage von Bram Shot scheint eher rhetorisch gemeint. Denn natürlich erwartet der kommissarische Audi-Chef schon, dass das neue Modell, das er gerade präsentiert, gefällt. Schließlich handelt es sich dabei – spät, aber immerhin – um das erste in Serie rein elektrisch angetriebene der Volkswagen-Premiumtochtermarke, Motto „Vorsprung durch Technik“, das noch in diesem Jahr ab 79 900 Euro starten soll.
Drohnen zaubern die vier Audi-Ringe in den Abendhimmel über der Craneway-Fabrikhalle.
Von Kompakt- bis Oberklasse
Großflächige Werbetafeln in Downtown San Francisco, quasi im Vorgarten von Tesla-Konkurrent Elon Musk, wo Audi erstmals seinen rein batterie-elektrischen e-tron vorstellt. Im Bill-Graham-Auditorium finden Workshops statt. Die „San Francisco Belle“ bringt rund 1600 Gäste abends nach Richmond an die anderen Seite der Bay Area nördlich des Silicon Valleys, wo 300 Leuchtdrohnen zunächst die vier Audi-Ringe und 550 weitere dann den e-tron-Schriftzug in den Himmel zaubern, ehe Shot zwischen dröhnenden Beats in einer zur Eventlocation umfunktionierten alten Craneway-Fabrikhalle, auf die spezielle Beamer Schaltplan-ähnliche, bläuliche Muster projizieren, verkündet, dass Audi bis 2025 von der Kompakt- bis zur Oberklasse zwölf Elektro-Modelle im Angebot haben will.
Der Lader "The Charger" ist bereit für die Premiere. Dann fährt der neue Audi-e-tron auf die Bühne.
Systemleistung liegt bei 408 PS
Den Anfang macht der e-tron, ein 4,90 Meter langer, 1,93 Meter breiter und 1,61 Meter hoher SUV mit 2,92 Metern Radstand, 660 Liter großes Gepäckabteil, Raumangebot und Komfort wie in einem Oberklasse-Modell. Gleich zwei Elektromotoren treiben Audis ersten, zumindest lokal vollkommen schadstofffreien Serienstromer mit 408 PS Systemleistung und drehmomentstarken 664 Newtonmetern an. Beschleunigung in 5,7 Sekunden von 0 auf Tempo 100, Höchstgeschwindigkeit elektronisch abgeregelt bei 200 Stundenkilometer.
Rund 1600 Gäste wohnen der Veranstaltung bei. Im Mittelpunkt steht Audis erster Serienstromer.
Allrad ist Permanent vollvariabel
Der elektrische Quattro-Allrad regelt permanent vollvariabel die bestmögliche Verteilung der Antriebsmomente zwischen beiden Achsen. Meist nutzt der e-tron die Elektromaschine hinten. Wird mehr Leistung gefordert, verschiebt die Elektronik die Kraft bedarfsgerecht sogar vorausschauend nach vorn, noch bevor bei Glätte oder schneller Kurvenfahrt Schlupf auftritt, der Wagen unter- oder übersteuert. Dass die Antriebskomponenten tief und zentral eingebaut sind, trägt zum sportlichem Charakter und flotterer Querdynamik bei.
Die Frontpartie wirkt ziemlich bullig. Unter der Haube sitzt kein herkömmlicher Verbrennungsmotor mehr.
Die Luftfederung ist serienmäßig
Das Batteriesystem ist in einem flachen, breiten Block unter der Kabine zwischen beiden Achsen untergebracht. Je nach Fahrsituation, Straßenzustand oder persönlichen Vorlieben sind gleich sieben verschiedene Fahrprofile einstellbar. Die serienmäßige Luftfederung mit Adaptivdämpfern soll eine größere Spreizung zwischen geschmeidigem Abrollkomfort und sportlich-stabilem Handling erlauben. Je nach Geschwindigkeit und Fahrerwunsch passt sich die Luftfeder individuell an die Straßengegebenheiten an. Sie kann das Höhenniveau der Karosserie um bis zu 76 Millimeter variieren. Vor allem auf längeren Strecken soll das Absenken die Aerodynamik verbessern und somit die Reichweite begünstigen.
Das Cockpit nimmt Anleihen von jüngsten Modellen der Marke. Heck-/Seitenansicht.
Mehr als 400 Kilometer Reichweite
Die geben die Ingolstädter mit Blick auf ihre 95-Kilowattstunden starken Akkus schon nach neuem Prüfzyklus mit mehr als 400 Kilometern an, woran mit bis zu 30 Prozent allein die neuartige Rückgewinnung von Energie ihren Anteil hat. Die geschieht beim e-tron auf zwei Arten: Geht der Fahrer vom Fahrpedal, erfolgt Schub-, tritt er aufs Verzögerungspedal, beginnt Bremsrekuperation. In beiden Fällen wandeln die Elektromotoren als Generatoren Bewegungs- in Elektroenergie um. Laut Audi kann der e-tron an Schnellladesäulen mit bis zu 150 Kilowatt Gleichstrom laden, womit er in etwa einer halben Stunden bereit für die nächste Längere Etappe wäre. Alternativ soll das Laden bei Wechselstrom mit bis zu 11, optional mit 22 Kilowatt möglich sein. Die Ingolstädter versichern, e-tron-Kunden über einen eigenen Ladedienst „einfachen Zugang zu etwa 80 Prozent aller öffentlichen Ladestationen in Europa“ zu gewähren. Eine Karte genüge, um den Vorgang zu starten. Das problemlose Laden will Audi an den europaweit 72 000 Ladepunkten eben mit dieser Karte ermöglichen, im ersten Jahr sogar kostenfrei.
Das Gepäckabteil fasst 660 Liter. Und so sieht das Elektro-SUV-Modell von der Seite aus.
Das Laden soll bequemer werden
Ab 2019 soll es noch bequemer gehen, wenn sich das Auto selbst autorisiert und an der Ladesäule freischaltet. Lösungen für die eigene Garage reichen vom mobilen System über 230-Volt-Haushaltsanschluss und 400-Volt-Drehstromsteckdose über das vernetzte System mit doppelter 22-Kilowatt-Ladeleistung bis zu intelligenten Funktionen ebenfalls über App.
Auch Audi-Amerika-Chef Scott Keogh setzt auf die mit der Weltpremiere eingeläutete Elektro-Offensive.
Die Außenspiegel sind nur noch virtuell
Die Designer haben sich darum bemüht, durch spezielle Details das Moderne der Elektrifizierung dieses in der belgischen Hauptstadt Brüssel gebauten Wagens außen wie innen sichtbar zu machen. Dazu gehören neben den virtuellen Außenspiegel – auf zwei Displays im Innenraum wird die von Kameras eingefangene Außenansicht gezeigt, sonst gibt es außen keine Spiegel mehr – etwa auch ein dritter Bildschirm, der den elektrischen Antrieb in den Mittelpunkt rückt, und eine umfangreichere Vernetzung, was Infotainment und Fahrerassistenzen betrifft.
Das richtige Konzept zur richtigen Zeit
Shot spricht von einer „neuen Ära“ für Audi und die Mobilität. Denn bislang haben sich die Ingolstädter in Sachen Alternativantriebe auf Plug-in-Hybrid-Modelle fokussiert. Aus europäischer Sicht ist Jaguar mit dem I-Pace schneller gewesen. Zudem hat sich Mercedes beeilt, noch kurz vor Audi seinen Elektro-EQC-SUV vorzustellen. der aber erst 2019 auf den Markt kommt. Und nach dem Elektro-Mini der gleichnamigen BMW-Tochter im nächsten Jahr sieht die Kernmarke im Konzern, die mit dem i3 einst ganz vorn bei den Elektroautos dabei war, ihren elektrifizierten X3 offenbar sogar erst für 2020 vor. Doch mitunter geht es in der Tat, wie Audi betont, letztlich nicht darum, der Erste, sondern zur richtigen Zeit einfach nur mit dem richtigen Konzept an der richtigen Stelle zu sein. Shot jedenfalls likes it!
KoCom/Fotos: Günther Koch/Audi
18. September 2018