Ein Meilenstein
Mercedes hat sich mit seiner E-Klasse schon auf den Weg zum autonomen Fahren gemacht
Von Marco Heinemann/Life-Magazin
Mercedes-E-Klasse: Die formschöne Limousine ist seit April am Start. Foto: Rebmann
Stuttgart – Die zehnte Generation der Mercedes-E-Klasse erobert seit April die Straßen. Bei der Driving Experience der Neuauflage jetzt in Stuttgart hat Daimler seine im Umfeld etwa von Audi A6, BMW 5er oder Jaguar XF positionierte gehobene Mittelklasse präsentiert, die den Spagat zwischen der neuesten Fahrzeugtechnik und dem Erhalt von Charaktermerkmalen meisterlich schafft. Fahrassistenzen, Vernetzungsdienste und Fernsteuerungsfunktionen zeigen unverkennbar als mittelfristiges Ziel das autonome Fahren.
Übersichtlichkeit bewahrt
In der bislang innovativsten E-Klasse fühlen sich auch angestammte Fahrer dieses Typs durchaus noch zu Hause. Kein langes Suchen nach Schaltelementen, selbst die neuen Touchfunktionen an Lenkrad und Mittelkonsole sind schnell verinnerlicht. Maßgebliche Bedienerelemente hat der Hersteller an ihren bekannten Plätzen belassen - und nimmt damit langjährigen Mercedes-Fahrern von vornherein jegliche Bedenken vor Ungewohntem. Bewahrte Übersichtlichkeit trotz viel Technik. Ja, so etwas geht!
Technik erschließt auch jüngere Kundschaft
Die Businesslimousine, die aus dem Taxibereich oder Dienstwagensegment nicht mehr wegzudenken ist, erschließt sich mit ihren aktuellen Technologien zudem eine jüngere Kundschaft. Auch ökonomische Aspekte sind berücksichtigt. Zum Marktstart wartet die neue E-Klasse als E220d mit einem völlig neu entwickelten Vierzylinder-Dieselmotor auf, Modellvarianten wie der an der Steckdose aufladbare und effiziente Plug-in-Hybrid E350e, der über 30 Kilometer rein elektrisches und damit lokal emissionsfreies Fahren ermöglicht, sind in Sichtweite.
Komposition für Vernunft und Sinne
Nicht selten entscheiden die Sinne. Als erstes Auto weltweit ist die E-Klasse-Limousine laut Mercedes komplett mit LED ausgestattet. Der geringe Luftwiderstand fängt außen an, setzt sich für das Auge im Innenraum fort: Nichts ist da eckig, nichts kantig. Die optionale Mehrkammer-Luftfederung ringsum verleiht dem Fahrzeug eine sehr gute Straßenlage auch in Grenzbereichen. Den Aufpasser gibt es inklusive: Eine Software für Tempolimits signalisiert automatisch erkannte Geschwindigkeitsbeschränkungen. Praktisch ist das Headup-Display, weil es die Aufmerksamkeit des Fahrers direkt auf der Straße hält.
Sicherer im fließenden Verkehr unterwegs
Der aktive Spurwechselassistent ist als neues Feature ein weiteres Sicherheitselement im fließenden Verkehr. Die Distronic genannte Elektronik bei Schrittgeschwindigkeit signalisiert dem Fahrer auch in niedrigsten Tempobereichen die geringe Distanz zum vorausfahrenden Verkehrsteilnehmer. Perfektioniert wird sie durch die Beheizung. Vorteil dadurch: In Schnee- oder Eisregensituationen gibt es keine Irritationen. Bei erkannter Kollisionsgefahr sendet die vorbeugende Serien-Airbagtechnologie einen hellen Signalton. Das ist selbst für den schlimmsten Fall noch vorausschauend gedacht.
Trotzdem noch intensive Entwicklungsarbeit
Der Mensch braucht ein Auto. Wie lange umgekehrt ein Auto noch den Menschen braucht, um von ihm bedient zu werden, ist unbestimmt. Entwicklungen in die entsprechende Richtung sind jedenfalls in vollem Gang. So sind die Stuttgarter zuversichtlich, ihren Kunden erste hochautomatisierte Fahrsysteme bereits in einigen Jahren anbieten zu können. Langfristig betrachtet wird aus Sicht der zuständigen Forschungs- und Entwicklungssprecherin Katharina Becker vollautomatisiertes Fahren aber noch eine „intensive Entwicklungsarbeit“ brauchen, wobei auch gesetzliche Vorgaben, Haftungsfragen und nicht zuletzt die gesellschaftliche Akzeptanz zu klären seien.
Verantwortung nach wie vor beim Fahrer
Was den juristischen Bereich angeht, darf laut Becker nicht vergessen werden, dass die Verantwortung bei aktuellen teilautomatisierten Systemen nach wie vor beim Fahrer liegt. Er müsse sein Fahrzeug permanent kontrollieren, werde von Assistenzsystemen dabei lediglich unterstützt. Fragen der Haftung von Herstellern und Fahrern würden derzeit diskutiert. Grundsätzlich, so die Daimler AG, stehe das deutsche Haftungsrecht der technischen Entwicklung bisher nicht im Weg. Die Anforderungen an den Fahrer seien unter diesem Aspekt jedoch noch unklar. Darüber hinaus bedürften Fragen bezüglich Datenschutz, Risikoverteilung und Opferschutz einer fächerübergreifenden, ganzheitlichen Antwort durch entsprechende Stellen und Gremien.
Wichtig sind Kommunikation und Interaktion
Mit dem Forschungsfahrzeug F015 „Luxury in Motion“ hat der Hersteller gezeigt, wie er sich die Zukunft des autonomen Fahrens vorstellt. Der Mensch mit seinen Bedürfnissen stehe dabei immer im Mittelpunkt. Wichtig seien Kommunikation und Interaktion zwischen dem Fahrzeug, den Insassen und anderen Verkehrsteilnehmern etwa auch über die Farbe der Beleuchtung. „In unserer Vision“, so Becker, „ist das autonom fahrende Auto ein aktiver und vor allem sicherer Teilnehmer im Verkehr.“
Zuerst in den oberen Klassen
Fahrassistenzsysteme mit teilautomatisierten Funktionen gibt es bei Mercedes heute bereits in S-, E- und C-Klasse. Ein vollautonomer Mercedes wird nach Einschätzung der Fachleute zuerst in den oberen Klassen zu finden sein. Wie bisherige Fahrassistenzsysteme würden entsprechende Fahrfunktionen dann auf die anderen Baureihen übertragen. Nach der internationalen Fahrpräsentation der hier bereits ausführlicher vorgestellten Limousine kündigen die Stuttgarter jetzt auch schon die Weltpremiere des neuen E-Klasse-Kombis an, der nach wie vor bei ihnen als T-Modell firmiert. Sie findet Anfang Juni statt.
Limousine zunächst mit drei Motorisierungen gestartet
Die 240 bis 250 Stundenkilometer schnelle Limousine ist zu Einstiegspreisen ab 45 303 bis 55 602 Euro zunächst mit drei Motorisierungen gestartet, dem Vierzylinder-Benziner E200 mit 184, dem Vierzylinder-Turbodiesel E220d mit 194 und dem Sechszylinder-Selbstzünder E350d mit 258 PS.
KoCom/Fotos: Dieter Rebmann/Mercedes
18. Mai 2016