„Hey Alfa“
Italienische Stellantis-Premiummarke steht mit Junior-Veloce-SUV nun ebenfalls erstmals unter Vollstrom
Von Günther Koch/Life-Magazin
Der vollelektrische Veloce ist das Spitzenmodell der neuen Junior-Einstiegsbaureihe. Foto: Koch
Dudenhofen – Er ist Alfa Romeos neues Einstiegsmodell. Es gibt ihn als Mildhybrid und sogar gleich zweimal als Vollstromer. Die Einstiegspreise fangen bei 29 500 Euro an, gehen über 39 500 hoch bis 48 500. Wir haben den Junior, der eigentlich Milano heißen sollte, jetzt zum ersten Mal gefahren – in der sportlichen Spitzenversion Veloce. Die Auslieferung erster 136- und 156-Elektro-PS-Exemplare ist laut Alfa-Romeo-Deutschland-Sprecherin Dorothea Knell noch für Mitte September und Mitte Oktober vorgesehen. Geplant ist, dass der 280-Elektro-PS-Veloce Anfang 2025 folgt.
Auf Stellantis-Plattform
Segula-Testgelände im Rodgauer Stadtteil Dudenhofen. Streckennetz rund 80 Kilometer. Verschiedene Straßenprofile zur Fahrzeugerprobung. Darunter Hochgeschwindigkeits-, Komfort-, Geräusch-, Marter-, Berg-, Kalibrierungs-, Dynamik-, Handlingstrecke. Da steht dem Junior, sportlich-elegant im italienischen Karosseriedesign und angekündigt als sportliches Cuore-Sportivo-Herz der Marke, einiges bevor. Das kompakte fünfsitzige SUV – 4,17 Meter lang, 1,78 Meter breit, 1,50 Meter hoch, Radstand 2,55 Meter, Kofferraum 400 bis 1265 Liter – baut auf Konzernebene auf einer Stellantis-Elektroplattform auf, auf der auch Schwestermodelle wie die elektrifizierten DS3, Fiat 600, Jeep Avenger, Lancias jüngst präsentierter Ypsilon und Opel Mokka entstehen. Sonst treten die Italiener mit dem Elektro-Junior auch gegen vergleichbare Premiumwettbewerber wie Volvos neuen EX30 an.
Blick auf die Veloce-Frontpartie mit Markenlogo und Scudetto-Kühlergrill.
Bis zu Tempo 200 Spitze
Der stärkere der beiden Vollstromer verfügt über einen 280-PS-Elektromotor mit durchzugsstarken 345 Newtonmetern Drehmoment. Er beschleunigt diesen leer 1590 Kilo schweren Junior in 5,9 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100, macht ihn sogar 200 Stundenkilometer schnell. Die Kraft wird dabei auf die Vorderräder übertragen. Beim Getriebe handelt es sich um eine Ein-Gang-Reduktionsautomatik. Die Kapazität der recht klein geratenen Batterie beträgt brutto/netto 51/54 Kilowattstunden. Auch würde gerade dem Spitzenmodell eine die Reichweite verlängernde Wärmepumpe wie im Fall des 156-PS-Stromers sicher guttun. Zur ersten nationalen Fahrvorstellung hat Alfa Romeo noch keine Angaben über Reichweite und Verbrauch gemacht, weil der Wagen noch nicht homologiert ist. Die Werte dürften kombiniert bei mehr als 400 Kilometern und mehr als 15 Kilowattstunden pro 100 Kilometer liegen.
Blick unter die Haube und ins Cockpit, das ebenfalls sportliche Akzente setzt.
Mit straffer Sportlichkeit
Schon beim geführten Fahren über die einzelnen Streckenanschnitte auf dem Dudenhofener Testgelände zeigt sich: Das Sportfahrwerk dieses tiefer gelegten, mit Sportbremsen versehenen und ab Werk auf 20-Zöllern mit 225er-Reifen unterwegs befindlichen Alfas ist straff ausgelegt. Die Dynamikregelung setzt sich aus den drei Fahrprogrammen Dynamic, Natural und dem sparsameren Advanced Efficiency zusammen. Die direkte Lenkung arbeitet präzise. Die Scheibenbremsen packen standfest zu. Der Komfort in Sachen Federung wirkt eingeschränkt. Das für Elektroautos relativ geringe Gewicht zahlt sich beim Beschleunigen und beim Fahrverhalten aus. Selbst im Grenzbereich ist der nur frontangetriebene Wagen etwa beim vehementeren Durcheilen von Kurven immer noch gut beherrschbar. Für Technik-Interessierte: Die Ingenieure haben ihm – neu bei einem Stromer – ein mechanisch die Kraft verteilendes Sperrdifferenzial an der Antriebsachse spendiert. Alfa-Produktmann Michael Meffert beschreibt dessen Funktionsweise so: „Verliert ein Rad an Bodenhaftung, wird das überschüssige Drehmoment sofort zum Antriebsrad gegenüber geleitet.“
Das Veloce-Gepäckabteil fasst 400 bis 1265 Liter. Heck-/Seitenansicht.
Scudetto neu interpretiert
Außen haben die Designer beim Junior den ikonischen V-förmigen Scudetto-Kühlergrill neu interpretiert, auch innen sportliche Akzente gesetzt. Man schaut auf ein schickes Lenkrad mit Leder und Alcantara. Der dem Fahrer leicht zugewandte Touchscreen ist verhältnismäßig klein. Darunter sind auf einer Leiste sogar noch Tasten etwa für die Klimatisierung angebracht. Zum ersten Mal setzen die Italiener – „Hey Alfa“ – ChatGPT als Sprachassistenz in einem Modell der Marke ein. Die Navigation errechnet passende Ladestopps für die Route, gibt die jeweils notwendige Ladedauer an.
Veloce ist die Spitzenausstattung. So sieht der Elektro-Junior von der Seite aus.
Gleich dreifach verstellbar
Die Verarbeitung wirkt alles in allem solide. Die Materialqualität könnte - Stichwort Hartplastik am Armaturenbrett und an den Türen - besser sein, wenigstens in der höchsten Ausstattungsstufe. Das Cockpit ist insgesamt übersichtlich. Platz ist vorn noch ganz ordentlich vorhanden. Die Sitze dort geben sehr guten Seitenhalt. Hinten geht es für Erwachsene vor allem in Sachen Kniefreiheit allerdings etwas beengter zu. Praktisch ist, den Laderaumboden im unerwartet geräumigen Gepäckabteil in drei Höhen einstellen zu können. Für das Ladekabel gibt es vorn unter der Haube ein eigenes Fach. Das Veloce-Serienpaket ist nicht zuletzt, was die elektronischen Assistenzen betrifft, ziemlich umfangreich bestückt.
Als Milano angekündigt
Und warum Alfa wenige Tage nach der Vorstellung des City-SUV dessen Namen, nämlich Milano (nach der norditalienischen Stadt Mailand, in der Alfa Romeo 1910 als Unternehmen gegründet worden ist), geändert hat? Die italienische Regierung soll, wie es heißt, die eigentliche Modellbezeichnung verhindert haben, indem sie den Angaben zufolge darauf pochte, dass ein Fahrzeug mit dem Namen Milano auch in Italien gebaut werden müsse, um nicht gegen Gesetze zu verstoßen, die ausländische Produkte mit italienisch klingenden Namen verbieten. Die Konzernmutter Stellantis jedenfalls lässt den nach dem Streit neu Junior genannten Alfa in Tichy in Polen bauen. Der ist auch im Fall des Veloce ein nicht ganz billiger Hingucker und ziemlich sportlicher Stromer, an dessen Garantie – nur zwei Jahre (bei allerdings unbegrenzter Kilometerleistung) – die Italiener noch arbeiten sollten.
Datenblatt
Motor: Elektro. Leistung: 207/280 PS/kW. Maximales Drehmoment: 345 Newtonmeter. Beschleunigung: 5,9 Sekunden. Höchstgeschwindigkeit: 200 Stundenkilometer. Antrieb: Vorderrad. Getriebe: Ein-Gang-Reduktionsautomatik. Verbrauch: Kombiniert wohl mehr als 15 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Reichweite: Kombiniert wohl mehr als 400 Kilometer. Batteriekapazität (brutto/netto): 51/54 Kilowattstunden. Ladeleistung (Wechsel-/Gleichstrom): 1,8-11,0/100 Kilowatt. Ladedauer: Je nach Anschluss 27 Minuten für 20 auf 80 Prozent bis unter 6 Stunden. Grundpreis: 48 500 Euro.
KoCom/Fotos: Günther Koch
28. August 2024