Freitag, 29. März 2024

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"999"

Tempolimit-Anzeige in einem Kleinwagen bei unserem "Auto im Alltag"-Test. (gk)

"Soll ich Sie mal zusammen mit dem Auto fotografieren?"

Netter Passant, der gesehen hat, dass wir Aufnahmen von einem sportlichen Testwagen gemacht haben. (gk)

"Geh' Ford"

Abgewandelter "Geh' fort"-Fernsehspruch von Heinz Becker/Gerd Dudenhöffer. (gk)

„Noch reichlich Potenzial“

Toyota-Direktor Ferry Franz über Brennstoffzellen- im Vergleich zu rein batterieelektrischem Antrieb

Von Günther Koch/Life-Magazin

Ferry Franz und der Mirai, die schon zweite Generation der Brennstoffzellenlimousine von Toyota. Foto: Toyota 

Erlangen – Toyota mit der Limousine Mirai, Hyundai mit dem kompakten Crossover Nexo, Opel bereitet sein leichtes Nutzfahrzeug Vivaro dafür vor, BMW in Kooperation mit Toyota sein großes SUV-Modell X5: Ist der Zeitpunkt jetzt gekommen, zu dem man Wasserstoff-angetriebene Brennstoffzellen-Fahrzeuge in Serie auf den Markt bringen kann? „Massentauglicher und effizienter auf jeden Fall“, sagt der für das Thema „Wasserstoff“ bei Toyota zuständige Direktor Ferry Franz, Jahrgang 1966, geboren in Mühlheim/Ruhr, im Interview nach dem jüngsten „Beyond Zero“-Termin der Japaner im fränkischen Erlangen, räumt aber auch ein, dass „noch eine Menge Raum für die weitere Entwicklung“ bleibe.

Bei Ihrem Mirai haben Sie den Preis für Kunden bereits von der ersten zur zweiten Generation um fast 20 Prozent reduziert. Damit sind Sie im Segment der Fünf-Meter-Premiumlimousinen auf Augenhöhe mit einem konventionellen Verbrenner, ohne jede Elektrifizierung, kleinstem Motor und gleiche Ausstattung vorausgesetzt.

Ferry Franz: Damit wird unser Mirai sicher noch attraktiver, bewegt sich mit einem dem Segment geschuldeten Preis aber immer noch im eher gehobenen Segment über 60 000 Euro. Mehr Volumen kommt automatisch mit mehr Derivaten.

Was spricht für solche Fahrzeuge?

Ferry Franz: Einfachheit der Bedienung, Haltbarkeit und Spaß am Fahren. Ich liebe Autofahren, bin aber kein großer Freund des Tankens. Da der Mirai genau diesem Nutzerprofil entgegenkommt, sprich: sich ähnlich verhält wie ein Verbrenner, also kurze Tankzeiten von etwa fünf Minuten und hohe Reichweiten von über 500 Kilometern in der realen Alltagsnutzung, trifft er nicht nur mein Nutzerverhalten, sondern auch mein Herz, da ich ohne Kohlendioxidausstoß und dank Onboard-Elektrolyse elektrisch, also unheimlich leise und entspannt unterwegs bin.

Und wie sieht es mit der Haltbarkeit der Brennstoffzelle?

Ferry Franz: Ein entsprechender Shuttle-Anbieter hatte 45 Mirai in der Nutzung, mit denen in zwei Jahren über 5,5 Millionen Kilometer ohne einen einzigen außerplanmäßigen Werkstattaufenthalt zurückgelegt worden sind. Wir haben anschließend einige Fahrzeuge mit Fahrleistungen von etwa je 180 000 Kilometer getestet – und keinen nennenswerten Verschleiß der Brennstoffzellenleistung feststellen können.

Toyotas Brennstoffzellen-Mirai in Frontansicht mit Markenlogo sowie Blick unter die Haube.

Muss man die Anschaffungskosten in diesem Fall nicht relativ sehen?

Ferry Franz: Muss man, denn zweifelsohne sind 63 900 Euro viel Geld, im Vergleich zum Wettbewerb aber beinahe ein Sonderangebot. Ich bekomme dafür immerhin eine hervorragend ausgestattete Limousine der Fünf-Meter Klasse mit modernster Antriebs- und Sicherheitstechnologie.

Es gibt noch viel zu tun, was die Elektroinfrastruktur betrifft. Und dann wäre zusätzlich noch ein Netz an Wasserstofftankstellen aufzubauen, von denen es aktuell in Deutschland vielleicht 100 gibt. Wie soll das flächendeckend gehen? Wer ist da besonders gefragt?

Ferry Franz: Wir dürfen hier nicht den Fehler begehen, nur auf Deutschland zu schauen! Mit den aktuell 92 Tankstationen kann ich Deutschland zwar problemlos bereisen, und zwar überall hin, habe aber ein Problem sobald ich beispielsweise die Grenze nach Frankreich Italien oder Osteuropa überschreite. Die Pläne der EU, alle 150 Kilometer eine Wasserstofftankstelle im Fernstreckennetz zu installieren, würde hier eine dramatisch positive Wende versprechen. Ein überaus positiver Schritt ist dabei gerade in Deutschland vorgenommen worden, da die Tank & Rast, also der Betreiber der meisten Autobahntankstellen, Partner bei dem Wasserstoff-Infrastrukturanbieter H2 Mobility geworden ist. Mit Sicherheit ist jedoch noch eine gemeinsame Anstrengung der verschiedenen Player aus Politik und Wirtschaft nötig, um das Thema voranzubringen. Das Gleiche gilt analog aber auch für den Ausbau der Ladeinfrastruktur.

Und was muss sonst a) technisch und b) von der Infrastruktur her noch alles von wem gelöst werden? Wo hat der Hersteller, wo der Staat dann noch eine Bringschuld?

Ferry Franz: Der Staat hat eine ordnungspolitische Aufgabe, die auch aktuell angegangen wird. Es fehlt eventuell an Anreizen oder Erleichterungen, um grünen Wasserstoff in nennenswertem Umfang etwa aus Windenergie herzustellen. Die Hersteller haben hinwiederum die Bringschuld, Produkte anzubieten und auch systemischer zu denken. Neben Pkw, sollte hier vor allem auch an Busse und Nutzfahrzeuge gedacht werden. Gerade Letztere haben keine signifikanten Einschränkungen bei der Zuladung, wenn Wasserstoff-Technologie zum Einsatz kommt. Im preissensiblen Logistikbereich ein nicht zu unterschätzender Vorteil!

Blick ins Cockpit des Mirai, Heck-/Seitenansicht, Modellschriftzug und offenes Gepäckabteil.

Es dürfte mit Blick auf den Klimawandel doch immer wichtiger werden, Wasserstoff sauber herzustellen, oder?

Ferry Franz: Wie beim Strom: Ein Wasserstofffahrzeug ist wie ein batterieelektrisches nur so sauber wie der Wasserstoff oder der Strom, der vertankt beziehungsweise geladen wird. Insofern ist für tatsächliche Kohlendioxidneutralität grüner Wasserstoff nötig. Gleichzeitig kann aber sogar der Einsatz von grauem Wasserstoff gerechtfertigt sein, wenn der, wie zum Beispiel häufig in Produktionsprozessen der chemischen Industrie der Fall, sonst einfach nur in die Atmosphäre abgegeben würde. Nur mal so als Zahlenspiel: Laut „Windretter“-Initiative gehen jedes Jahr mehr als 5,5 Terrawatt Energie verloren, weil Windräder in Deutschland abgestellt werden müssen, da die Netze den Strom nicht aufnehmen können. Wenn man daraus Wasserstoff, grünen Wasserstoff, herstellen würde, könnte man über 1,1 Millionen Mirai mit einer durchschnittlichen Fahrleistung von 14 000 Kilometer ein Jahr lang grün betanken.

Sonne und Wind richten sich bekanntlich nicht nach dem Strombedarf. Zu wenig Abnehmer für überschüssigen Strom bedeutet: Die Anlagen müssen vom Netz.

Ferry Franz: Mit überschüssigem Strom ließe sich dann künftig jedoch eben mittels Elektrolyse Wasserstoff erzeugen, wodurch der zum umweltfreundlichen Stromspeicher werden und für die unterschiedlichsten Zwecke genutzt werden kann.

Es ist immer wieder zu hören, der Wirkungsgrad gegenüber Elektroautos könnte besser sein, weil das Erzeugen von Wasserstoff mit Strom und die erneute Umwandlung wiederum in Strom gleich doppelt den Wirkungsgrad beinträchtigen. Was ist da dran?

Ferry Franz: Hier braucht man nicht lange um den heißen Brei herumzureden. Platt reduziert auf reines Fahren, ohne zu betrachten, wie die Energie ins Fahrzeug kommt, stimmt das: Die Effizienz eines Brennstoffzellenantriebs ist geringer als die eines batterieelektrischen, der seine gespeicherte chemische Energie fast ohne Verluste an Elektromotoren abgibt.

Und wenn man sich hier die komplette Wertschöpfungskette anschaut?

Ferry Franz: Wird deutlich, dass der Strom für batterieelektrische Fahrzeuge durch Transportwege zum Ladepunkt und nicht zu vernachlässigende Ladeverluste das Thema Wirkungsgrad beeinflussen und Diesel und Benziner eine nochmals schlechtere Energieeffizienz aufweisen. Einen wichtigen Punkt sollten wir zudem nicht vergessen: Bei der Entwicklung des Brennstoffzellenantriebs haben wir noch reichlich Potential für Weiterentwicklungen und Optimierung. Auch hier muss die Antwort mehrdimensional sein und wir sollten nicht nur einen Sektor wie die Individualmobilität im Pkw betrachten, sondern auch andere Transportaufgaben oder Anwendungen im stationären Betrieb.

Ist ein Wasserstoff-/Brennstoffzellenauto besser als ein batterieelektrisches Elektroauto?

Ferry Franz:  Hier wäre eine pauschale Antwort zu kurz gesprungen. Wir glauben, dass es spezifische Nutzungsmuster gibt, für die die eine Antriebstechnologie besser ist als die andere. Da wir uns bereits sehr früh mit elektrifizierten Antrieben beschäftigt haben, sind wir heute in der glücklichen Lage, alle Antriebsarten anbieten zu können, um so die unterschiedlichsten Bedarfe abdecken zu können.

Das Toyota-Zauberwort ist aktuell noch, was den Antrieb von Autos betrifft, Hybrid. Wann werden es Wasserstoff und Brennstoffzelle sein? Anders gefragt: Wann könnte der Durchbruch für Wasserstoff-angetriebene Brennstoffzellenautos und damit klimafreundlichere, vielleicht sogar klimaneutrale Mobilität erreicht sein?

Ferry Franz: Toyota hat eine lange Historie bezüglich der Schadstoffreduzierung. Schon 1997 haben wir mit dem Prius den ersten Hybrid eingeführt, decken heute das Preissegment von knapp über 20 000 bis gut 150 000 Euro mit dieser Antriebstechnologie ab. Damit haben wir es auch geschafft, führend bei der Kohlendioxidverringerung in Europa zu sein.

Sie sprechen von Mobilität für alle, wollen niemanden zurücklassen: Wie geht das?

Ferry Franz: Indem man alle elektrifizierten Antriebstechnologien im Portfolio hat, b beginnend mit Hybrid, Plug-in-Hybrid über batterieelektrisch bis hin zur Brennstoffzelle. Damit decken wir die komplette Bandbreite umweltverträglicherer Fahrzeuge ab, verfolgen einen Technologie-offenen Ansatz, bedienen die spezifischen Bedürfnisse unserer Kunden.

Und was ist für Sie der springende Punkt dabei?

Ferry Franz: Dass wir verschiedene Antriebsschwerpunkte in den unterschiedlichen Regionen der Welt sehen und überall umweltfreundlichere Fahrzeuge anbieten wollen, um so zu einem nachhaltigeren Beförderungs- und Transportwesen beizutragen.

Info Wasserstoff-/Brennstoffzellenantrieb

Ein Brennstoffzellenauto ist ein Elektroauto, das quasi im eigenen Kraftwerk an Bord seinen Strom in Echtzeit erzeugt. Die Brennstoffzelle, die chemisch gebundene Energie in elektrischen Strom und Wärme umwandelt, ist Stromlieferant. Als Kraftstoff dient dabei Wasserstoff, der aus dem Tank in die Brennstoffzelle geleitet wird und dort mit dem zweiten Brennstoff, Sauerstoff aus der Umgebungsluft, reagiert. Das System leitet den erzeugten Strom schließlich zum Elektromotor und zur Batterie weiter. Der Auspuff stößt den als Abfallprodukt lediglich entstehenden Wasserdampf aus.

Datenblatt Toyota Mirai

Motor: Elektromaschine. Brennstoffzellen: 330. Leistung Elektromotor: 134/182 kW/PS. Maximales Drehmoment: 335/0-3267 Newtonmeter/Umdrehungen pro Minute. Beschleunigung: 9,2 Sekunden von 0 auf Tempo 100. Höchstgeschwindigkeit: 175 Stundenkilometer. Batteriekapazität: 1,24 Kilowattstunden. Verbrauch: Laut Toyota 0,79 bis 0,89 Kilo Wasserstoff pro 100 Kilometer. Reichweite: 650 Kilometer. Grundpreis: 63 900 bis 73 900 Euro.

KoCom/Fotos: Günther Koch

7. November 2021