Durch Strom zerlegt
Toyota, Mirai, wie grüner Wasserstoff mobil machen kann und was Jule Verne schon damals wusste
Von Günther Koch/Life-Magazin
Beim aktuellen Mirai handelt es sich schon um die zweite Generation. Fotos: Koch
Dauerthal – An sein erstes Auto kann sich Jörg Müller noch gut erinnern. „Ein Elektroauto“, sagt der gebürtige Dessauer, Jahrgang 1964, „ein Trabi, mit Akkus umgebaut“, mit dem man sonst aber, so der gelernte Kerntechniker, eigentlich nicht so viel habe anfangen können. Heute könnte der Gründer, Hauptanteilseigner und Vorstandsvorsitzende des Energieversorgers Enertrag in Dauerthal bei Prenzlau aus einer stattlichen Unternehmensflotte von mehr als 30 alternativ angetrieben Fahrzeugen verschiedener in- und ausländischer Marken wählen, darunter zwei Toyota Mirai.
Die Frontpartie weist das Markengesicht mit dem Logo vorn über dem Kühlergrill auf.
Auf „Zero Emission“-Tour
So wie die wasserstoffangetriebenen Limousinen mit eigenem Brennstoffzellen-Kraftwerk an Bord an diesem Tag im Rahmen der „Zero Emission“-Tour des japanischen Herstellers für Testfahrten auch in noch etwas größerer Zahl auf dem Enertrag-Firmengelände in Brandenburg zur Verfügung stehen. Zweite Generation. Obere Mittelklasse. Deutlich gefälliger und geräumiger als die erste 2014. 4,97 Meter lang. 1,88 Meter breit. 1,47 Meter hoch. Radstand 2,92 Meter. Kofferraum, zuvor 361 Liter, nach wie vor recht klein. Die Technik kompakter und leichter. Neue Plattform. Bessere Antriebsanordnung. Dritter Tank für 20 Prozent mehr Wasserstoff. Jetzt 330 (vorher 370) Brennstoffzellen mit höherer Leistungsdichte, in denen Wasserstoff und Sauerstoff chemisch miteinander reagieren. Die im Wasserstoff enthaltene Energie wird als Strom freigeben, der sich wiederum in der Batterie speichern lässt oder gleich dazu dient, den 182-PS-Elektromotor (vorher 154) anzutreiben, wobei als Nebenprodukt lokal keinerlei Schadstoffe entstehen, sondern nur – reines Wasser.
Einen Verbrenner sucht man hier unter der Haube vergebens. Blick ins moderne Cockpit.
Alles schön, leise und sauber
Die weiteren wichtigsten technischen Daten sonst: Vom Start weg 335 Newtonmeter Drehmoment bis 3267 Touren. 9,2 Sekunden für die Beschleunigung von 0 auf Tempo 100. Höchstgeschwindigkeit 175 Stundenkilometer. Hochvolt-Lithium-Ionen-Akku mit 1,24 Kilowattstunden Kapazität. Bis zu 650 (vorher bis zu 450) Kilometer Reichweite. Einmal Volltanken in weniger als fünf Minuten. Alles schön, leise und sauber. Sogar die Luft, die abgeführt wird, ist reiner als die, die vorher angesaugt worden ist. Der preisliche Einstieg ab 63 900 Euro bedeutet dennoch 15 700 Euro weniger. Die Förderung beträgt 7500, das gewerbliche Monatsleasing 429 Euro einschließlich Wartung und Verschleiß.
Blick auf den Modellschriftzug hinten. Das Gepäckabteil fällt nach wie vor etwas klein aus.
Vorerst wohl noch immer Exoten
Und doch scheinen Serien-Brennstoffzellen Autos wie der Mirai oder Nexo von Hyundai, ein Kompakt-SUV, vorerst noch immer Exoten zu bleiben. Auch wenn das Wasserstoff-Tankstellennetz mit 90 Station aktuell schon eine zumindest laut Toyota „problemlose Reise durch Deutschland von Nord nach Süd und von West nach Ost“ erlaube.
Heck-/Seitenansicht des viertürigen Fünfsitzers. Und so sieht die Limousine von der Seite aus.
Bedeutung für Energiewende erkannt
Auf die Frage, wie grüner Wasserstoff mobil machen kann, geht beim Termin in Dauerthal auch Enertrag-Chef Müller ein. So sei die Bedeutung dieses aus erneuerbaren Energien gewonnen Energieträgers für die Energiewende erkannt. Die Effizienz eines erneuerbaren Systems mit ihm als Speicher sei hoch. Er eigne sich dafür, ausreichend große Mengen an Strom über längere Zeiträume auch nur annähernd bezahlbar zu speichern. Zudem lasse sich das bestehende Gasnetz für den Transport gut nutzen. Nur mit Wasserstoff ließen sich alle Energiesektoren dekarbonisieren. Man sei bereits in der Lage, ihn so günstig herzustellen, um damit günstiger Auto zu fahren als mit Benzin, was gegenüber einem Verbrenner am höheren Wirkungsgrad eines Brennstoffzellen-Fahrzeugs liege. Grüner Wasserstoff müsse dort eingesetzt werden, wo ein großer Hebel bestehe und er das meiste Kohlendioxid vermeide, vor allem also im Straßenverkehr, noch vor dem Wärmebereich und der Industrie. Steuern, Abgaben und Umlagen auf erneuerbaren Strom verteuerten ihn jedoch.
„Auf unabsehbare Zeit hinaus“
„Die Energie von morgen ist das Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist“, verweist Toyota auf den französischen Schriftsteller Jule Verne, das Jahr 1870 und die betreffende Stelle in einem seiner Romane, wonach die „so zerlegten Elemente des Wassers, Wasserstoff und Sauerstoff, auf unabsehbare Zeit hinaus die Energieversorgung der Erde sichern“ würden. Kein Wunder deshalb auch, dass die Japaner ihrer Wasserstoff-/Brennstoffzellen-Limousine ausgerechnet diesen Namen gegeben haben: Mirai, was im Japanischen schlicht und einfach für Zukunft steht.
KoCom/Fotos: Günther Koch
17. Juni 2021