Mit eigenem Kraftwerk
Toyota-Neuauflage des Brennstoffzellen-Mirai geräumiger, mit mehr Reichweite und deutlich preiswerter
Von Günther Koch/Life-Magazin
Der Mirai fährt weiter als klassische Limousine mit Wasserstoffantrieb vor. Fotos: Koch
Köln-Marsdorf – Die Zukunft, auch die automobile, hat auf Japanisch schon etwas länger einen ganz konkreten Namen: Mirai. Am Deutschland-Sitz im Kölner Stadtteil Marsdorf hat Toyota gerade die zweite Generation seiner Brennstoffzellen-Limousine vorgestellt. Sie soll noch ab Anfang März zum deutlich günstigeren Einstiegspreis ab 63 900 Euro bei den Händlern stehen. Toyota-Sprecher Thomas Heidbrink begründet das damit, „dass wir jetzt in die Masse gehen“. Was heißen soll, weltweit pro Jahr künftig 30 000 Einheiten von diesem Modell zu verkaufen statt wie zuletzt nur 3300.
In der oberen Mittelklasse
Das Auto: Den Mirai gibt es bei uns seit 2015. Mit ihm ist Toyota in der oberen Mittelklasse unterwegs. Gegenüber dem viersitzigen Vorgänger, damals der erste in Großserie gefertigte Pkw mit Wasserstoffantrieb, hat der deutlich gefälligere fünfsitzige Nachfolger in der Länge auf 4,97, in der Breite auf 1,88, beim Radstand auf 2,92 Meter zugelegt, baut mit 1,47 Metern flacher, wirkt auch durch die gestrecktere Motorhaube stattlicher. Die Kabine mit ordentlich Kopf- und Beinfreiheit selbst im Fond mutet geräumig an. Im Vergleich dazu fällt das Stauabteil, zuvor 361 Liter, weiter ziemlich klein aus; zudem ist die Rücksitzlehne nicht umklappbar. Man sitzt bequem, genießt ganz gute Rundumsicht. Zum Eingewöhnen ins Digitalcockpit mit 12,3-Zoll-Zentraldisplay sollte man sich nach wie vor etwas Zeit nehmen. Die Klima-Bedieneinheit unterhalb vom Touchdisplay stört optisch den sonst positiven Gesamteindruck innen, weil sie nicht bündig abschließt.
Blick auf die Frontpartie mit dem Markenlogo vorn.
Wasserstoff und Sauerstoff reagieren
Der Antrieb: Herzstück ist zweifellos das kompaktere und leichtere System aus jetzt 330 (vorher 370) Brennstoffzellen mit deutlich gewachsener Leistungsdichte. In ihnen, quasi im eigenen Kraftwerk an Bord, reagieren Wasserstoff und Sauerstoff chemisch miteinander, geben die im Wasserstoff enthaltene Energie als Strom frei, der sich in der Batterie speichern lässt oder gleich den 182-PS-Elektromotor (vorher 154) antreibt, wobei als Nebenprodukt lokal keinerlei Schadstoffe entstehen, sondern bloß – reines Wasser. Die wichtigsten technischen Daten sonst: 335 Newtonmeter Drehmoment vom Start weg bis 3267 Touren. 9,2 Sekunden für die Beschleunigung aus dem Stand auf Tempo 100. Höchstgeschwindigkeit 175 Stundenkilometer. Hochvolt-Lithium-Ionen-Akku. Die Reichweite geben die Japaner mit bis zu 650 (vorher bis zu 450) Kilometern an. „Immerhin 30 Prozent mehr“, rechnet Heidbrink vor, weist auf die neue Plattform mit verbesserter Antriebsanordnung und drittem Tank für plus 20 Prozent Wasserstoff hin, dessen Verbrauch sich mit 0,79 bis 0,89 Kilo so zumindest im Datenblatt findet. Einmal Volltanken soll „weniger als fünf Minuten“ dauern.
Unter der Motorhaube sitzen die Brennstoffzellen. Blick ins Cockpit.
Antriebskomponenten ausgewogen verteilt
Das Fahren: Beim Start zu unserer ersten Ausfahrt hat der Bordcomputer des über Stufenlos-Automatik und Hinterräder angetriebenen, leer doch bis zu 1950 Kilo schweren Mirai noch 332 Kilometer Restreichweite angezeigt. Nach rund 90 Testkilometern mit normalen Orts-, Landstraßen- und flotteren Autobahnfahrprofilen sind es am Ende noch 241 gewesen bei im Schnitt 1,33 Kilo Wasserstoffverbrauch. Auch das Fahrverhalten ist überarbeitet. Dass die Antriebskomponenten – Brennstoffzellen vorn, Tanks im Unterboden, Elektromotor hinten – in puncto Gewicht ausgewogen verteilt sind und für einen niedrigen Schwerpunkt sorgen, trägt zu sehr agilem Unterwegssein mit starker (Elektro-)Kraftentfaltung bei. Die beiden Fahrmodi Normal und Eco sind für eher gelassen-sparsameren Vorwärtsdrang da. Die Einstellung Sport schärft das Ansprechverhalten von Fahrpedal und Lenkrad, sonst eher komfortabel ausgelegt, ohne sich künstlich anzufühlen, nach, alles fühlt sich direkter und straffer an. Beim Bremsen ist Energie-Rückgewinnung möglich. Wie in einem Stromer eben.
Modellschriftzug hinten. Das Gepäckabteil ist klein geblieben.
Zwischen drei Lines kann gewählt werden
Die Ausstattung: Schon in der Basisausführung ist der Mirai etwa mit LED-Scheinwerfern, Zweizonen-Klimaautomatik, Multimedia, 12,3-Zoll-Touchscreen, Navigation, Safety-, Soundsystem, Smartphone-Einbindung, Rückfahrkamera und 19-Zoll-Leichtmetallrädern mit 235er-Reifen bestückt. Als Excecutive fährt er mit Bi-LED-Adaptivleuchten, 360-Grad-Kamera, Rückfahr-, Totwinkel-, Parkassistenz, wertigerer Ledernachbildung, Lenkradheizung und Ambientebeleuchtung in acht Farben vor, verlässt als Advanced mit festem Panoramadach, Dreizonen-Klimaautomatik, Ledersitzen, Einparkhilfe, Headup-Display, digitalem Innenspiegel mit Kamera, Sitzheizung vorn und 20-Zöllern mit 245er-Reifen das Werk.
Heck- und Seitenansicht der jetzt ziemlich stattlichen Limousine.
Vorerst noch immer Exoten
Alles in allem: Schön. Leise. Sauber. Sogar reinere Luft, die abgeführt wird, als die, die aus der Umgebung angesaugt wird. Auf Wunsch sogar eine Animation, die zeigt, für wie viele Menschen der Wagen die Luft schon gereinigt hat. Dazu ordentlich Power etwa zum Beschleunigen. Mehr Reichweite. Sehr gute Ausstattung. Samt einer Taste, um das destillierte Wasser nach außen abzugeben. Und das alles für 15 700 Euro weniger als zuvor. Zusätzlich mit 7500 Euro Umweltbonus und gewerblichem Leasing ab 429 Euro einschließlich Wartung und Verschleiß. Trotzdem bleiben Autos wie der Mirai, seit 2018 ebenfalls der teurere Brennstoffzellen-Nexo von Hyundai, ein Kompakt-SUV, vorerst noch immer Exoten. Auch wenn Toyota feststellt, dass das Wasserstoff-Tankstellennetz mit 90 Station aktuell eine „problemlose Reise durch die Bundesrepublik von Nord nach Süd und von West nach Ost“ erlaubt. Und nach erfolgtem Vorverkaufsstart, so Markensprecher Heidbrink, „bereits über 100 Mirai der zweiten Generation verkauft sind“.
Datenblatt
Motor: Elektro. Brennstoffzellen: 330. Leistung Elektromotor: 134/182 kW/PS. Maximales Drehmoment: 335/0-3267 Newtonmeter/Umdrehungen pro Minute. Beschleunigung: 9,2 Sekunden von 0 auf Tempo 100. Höchstgeschwindigkeit: 175 Stundenkilometer. Batterie: Hochvolt-Lithium-Ionen. Kapazität: 1,24 Kilowattstunden. Verbrauch: Laut Toyota 0,79 bis 0,89 Kilo Wasserstoff pro 100 Kilometer. Reichweite: 650 Kilometer. Grundpreis: 63 900 bis 73 900 Euro.
KoCom/Fotos: Günther Koch
9. Februar 2021