Bei den Góralen
In der Pieniny-Nationalparkregion bei Szczawnica im Süden Polens an der Grenze zur Slowakei
Von Rainer Waldinger/Life-Magazin
Die Floßfahrt auf dem Dunajec im Pieniny-Nationalpark ist ein Erlebnis. Fotos: Waldinger
Szczawnica – Er gehört zu den schönsten Landschaften in Polen: Auch deshalb haben wir uns gefreut, in die Region des Nationalparks Pieniny-Gebirge und den Kurort Szczawnica in der Woiwodschaft Kleinpolen im Süden des Landes zu reisen.
Blick auf Brunnen und Kurhaus von Szczawnica. Helena Mankowa bei der Wasserausgabe in der Trinkhalle.
Nahe der Slowakei
Es ist September, das Wetter rund 115 Kilometer südlich von Krakau, wo der Dunajec ein tiefes Durchbruchstal mit mehreren Hundert Meter hohen Wänden ins Gebirge geschnitten hat und die Grenze zur Slowakei markiert, angenehm. „Inzwischen gut sonnig“, hat Klaus Klöppel vom Polnischen Fremdenverkehrsamt zuvor schon auf dem Weg nach Polen angekündigt, „aber nicht zu heiß, ideal für Aktivtouristik“. Wer will, kann wie wir diese wunderbare Landschaft bei einer rasanten Floßfahrt, gesteuert von Mitgliedern eines Volksstammes in diesem Grenzland, den Góralen in ihren bunten Kostümen, bei einer Tour entlang des Ufers auf dem Dunajec-Radweg und bei einer Wanderung durch das Gebirge zur Aussichtsplattform auf dem Drei-Kronen-Berg Trzy Korony erleben.
Blick auf Schloss Niedzica vorn und die Ruine von Czorszyn hinten. Im Innenhof von Schloss Niedzica.
Heilkraft der Quellen
Von Sromowce Nizne starten wir, aus Krakau kommend, die Floßfahrt bis zum Kurort Szczawnica, quartieren uns dort im Modrzewie Park ein, dem einzigen Fünf-Sterne-Haus in der Region. Abends treffen wir Helena Mankowska von der Firma Thermaleo, die die meisten Objekte im Kurviertel besitzt. Helena, so heißt es, habe mir ihren beiden Brüdern das Kurviertel in den vergangenen Jahren aus dem Dornröschenschlaf gerissen. Schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist der inzwischen über 7000 Einwohner zählende Kurort für seinen hohen Erholungswert bekannt. Sein Name leitet sich vom hier wachsenden alkalischen Sauerampfer, polnisch Szczaw zwyczajny, ab. Die klimatischen Bedingungen sind günstig. Kurgäste können von den Heilkräften der Quellen profitieren, die Bikarbonat, Natrium und Jod enthalten, eben reich an Mineralsalzen sind. Auf das Behandeln von Atemwegserkrankungen, Beschwerden des Verdauungstraktes, des Bewegungsapparates und von Allergien sind sie in Szczawnica spezialisiert.
Die Erzengel-Michael-Kirche in Debno. Blick in den Innenraum des hölzernen Gotteshauses.
„Museum der Gesundheit“
Erst 2005, so heißt es im Ort, habe die polnische Regierung das populäre örtliche Spa, immerhin über 200 Jahre alt, seinen Vorkriegsbesitzern zurückgegeben. Letzter privater Eigentümer ist demnach ein Graf gewesen, Adam Stadnicki, dessen Enkel Andrzej Mańkowski Gründer des neuen Uzdrowiskowe Museums im Zentrum Szczawnicas ist. Dabei handelt es sich um eine Art kleines „Museum der Gesundheit“ mit Exponaten, die Tradition und Kultur des Ortes bezeugen, sowie mit Dauer- und Wechselausstellungen, die mit der Geschichte von Szczawnica zugleich die der Pieniny-Region beschreiben.
Die Kirche in Debno ist seit 2003 Weltkulturerbe. Der Nationalpark Pieniny eignet sich für Jogger ...
Im Tal des Grajcarek
Szczawnica selbst liegt etwa 500 Meter hoch im Tal des Grajcarek, einem Zufluss des Dunajec, zwischen den Gebirgsketten Pieniny und Beskid Sadeck. Bekannt ist die Gegend auch für ihre regionalen kulinarischen Besonderheiten, etwa für verschiedener Käse- und Honigsorten. Wer im Winter kommt, darf sich über viele Skiwege und -pisten freuen. Die mit zwei Kilometern längste bei Palenica verfügt über eine viersitzige Sesselbahn für bis zu 2200 Personen pro Stunde. Das Skigebiet Palenica gehört zum Skipassverband TatrySki.
... genauso wie vor allem für Wanderer. Selbst der, der Felsen erklettern will, kommt auf seine Kosten.
Nordöstlich der Hohen Tatra
Den Pieniny-Nationalpark, auch Nationalpark Pieninen genannt, gibt es seit 1932. Er erstreckt sich über mehr als 23 Quadratkilometer nordöstlich der Hohen Tatra. Kalkstein bildet die malerischen, fast senkrechten weißen Wände entlang des Dunajec. Bekannteste Erhebung dürfte der 982 Meter hohe Drei-Kronen-Berg Trzy Korony sein, während sich der Wysoka in den Kleinen Pieninen, in denen sich auch die Homole-Schlucht befindet, sogar 1050 Meter in die Höhe streckt. Charakteristisch für diese Berge sind die nackten Felswände und die isolierten Felsen. Bis zu 15 000 Tierarten sollen hier leben, was immerhin etwa der Hälfte der polnischen Fauna entsprechen würde. Auch neue Arten, vor allem Falter und Insekten, sind zuletzt entdeckt worden. Zu den Seltenheiten gehören Uhu, Mauerläufer, Merle, Sperlingskauz, Dreizehen-, Schwarzspecht und Schwarzstorch. Luchse streifen durch die Wälder, Otter leben im und am Dunajec. Die seltene und wärmegewöhnte Felsflora sowie weitere wertvolle Pflanzen stehen unter Schutz.
Aussichtspunkte gibt es gleich mehrere im Nationalpark. Wer Natur pur sucht, ist hier richtig.
Burgen und Holzkirche
Aus dem 13. Jahrhundert stammt die innerhalb des heutigen Nationalparks erbaute Pieniny-Burg, die mit 779 Metern als höchstgelegenes Bergschloss in Polen gilt. Zwei weitere Burgen sind an beiden Seiten der am Dunajec entlang führenden Wege erbaut worden, Niedzica und Czorsztyn, für viele Polen die am schönsten gelegenen im Land. Die Floßfahrt auf dem Dunajec dürfte die größte touristische Attraktion sein. Neben dem Aussichtspunkt auf dem Drei-Kronen-Berg Trzy Korony finden sich noch weitere im Park, von denen aus sich schöne Panoramen auf benachbarte Bergketten wie Hohe Tatra, Gorce und Magura bieten. Die 2003 in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommene Erzengel-Michael-Kirche in Debno aus dem 15. Jahrhundert mit dem wohl ältesten Kirchturm Polens besteht aus Lärchen- und Tannenholz, ist ohne Verwendung von Nägeln errichtet worden. Der Innenraum besticht durch seine mehrfarbige Wandgestaltung.
Von hohen Gipfeln geht der Blick hinunter ins Tal. Angehörige des Volksstamms der Góralen steuern die Flöße ...
Mit dem Rad nach Lesnica
Neben der Floßfahrt auf dem Dunajec und einer für Ungeübte vielleicht nicht ganz so leichten Wanderung hoch zur Berghütte Try Korony und weiter zur Aussichtsplattform auf dem Drei-Kronen-Gipfel können wir ebenfalls eine etwa 30 Kilometer lange Radtour empfehlen. Sie führt auf ganz gut ausgebauter Strecke mit leichteren Steigungen zur Berghütte nahe Lesnica hinauf in die Slowakei, zum Roten Kloster, zur mittäglichen Einkehr in die Herberge Orlica und am Dunajec zuletzt wieder zurück nach Szczawnica. Eben in einer Landschaft, die als eine der schönsten in Polen gilt.
... und erläutern, was an den Ufern des Dunajec zu sehen ist. Im Nationalpark lässt sich auch gut radfahren.
Info Polen/Pieniny-Region I
Unser Nachbarland im Osten mit der Hauptstadt Warschau ist etwa 313 000 Quadratkilometer groß, zählt rund 38,5 Millionen Einwohner. Amtssprache ist Polnisch, mit Englisch, mitunter selbst Deutsch, kommt man aber ebenfalls ganz gut weiter. Landeswährung ist nach wie vor der Zloty, wobei ein Euro etwas mehr als vier Zloty entspricht. Krakau, von Frankfurt/Main etwa anderthalb Flugstunden entfernt, ist die Hauptstadt der Woiwodschaft Kleinpolen im Süden des Landes, zu der auch die Pieniny-Region samt Kurort Szczawnica gehören. Klimatisch geht es in der hügeligen, teilweise sogar gebirgigen Gegend mit einer ganzen Reihe von Kur- und Urlaubsorten kontinental gemäßigt zu mit Sommern, die in der Regel nicht ganz so heiß sind, und Wintern, die nicht nur in höheren Lagen durchaus auch etwas strenger sein können.
Diese Berghütte befindet sich bereits in der Slowakei. Dreh- und Angelpunkt dieser Reise war Szczawnica.
Info Polen/Pieniny-Region II
Wir waren in Szczawnica im Hotel Modrzewie Park (fünf Sterne, 17 Zimmer/Suiten, moderne Einrichtung, familiäre Atmosphäre, auf einer Anhöhe am Ortsrand gelegen, www.mparkhotel.pl) untergebracht. Zu regionalen kulinarischen Besonderheiten der eher deftigen Küche Polens gehören etwa geräucherter Oscypek-Schafskäse, Kwasnica-Suppe aus Sauerkrautwasser mit Fleischeinlage und Gemüse, grobe Kielbasa-Lisiecka-Wurst sowie gulaschähnliches Maczanka und süße Obwarzanek-Kringel. Polen ist mehr Bier-, Wodka- und Sliwowica- als Weinland. Information: Polnisches Fremdenverkehrsamt, Hohenzollerndamm 151, 14199 Berlin, Telefon 030-2100920, www.polen.travel.
Service Auto
Wer mit dem Auto anreisen will: Von Berlin sind es über Wroclaw/Breslau etwa 700, von Dresden teilweise durch Tschechien noch rund 630 Kilometer bis in die Pieniny-Region. Innerhalb geschlossener Ortschaften ist 50, außerhalb 90, auf Schnellstraßen 100/120, auf Autobahnen Tempo 140 erlaubt. Die Promillegrenze liegt bei nur 0,2. Selbst Busse und Bahnen verkehren mehr oder weniger regelmäßig von Deutschland aus nach Krakau, von wo aus es dann noch etwa 115 Kilometer bis nach Szczawnica sind. Der Krakauer Flughafen, benannt nach Papst Johannes Paul II., in Balice gut zehn Kilometer westlich vom Zentrum ist auch der für die Pieniny-Region nächstgelegene internationale.
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KoCom/Fotos: Rainer Waldinger
1. Oktober 2018