Zu Fuß über die Alpen
Vom Tegernsee nach Südtirol / Auf den Spuren von Geheimrat Goethe und Feldherr Hannibal
Von Kurt Sohnemann/Life-Magazin
Auf sieben Etappen geht es über 184 Kilometer vom Tegernsee nach Sterzing. Fotos: Sohnemann
Gmund/Sterzing – „Seht mal, ich habe den Führer aus dem Fernsehen mitgebracht“, tönt der Westerländer seiner Gruppe entgegen, als er mit Georg Pawlata die Terrasse des Hotels betritt. Tatsächlich hat Pawlata unter eingefleischten Wanderern inzwischen einen Status erreicht wie einst der Südtrioler Luis Trenker. Über seine Entdeckung eines neuen Wanderweges über die Alpen ist bereits im TV berichtet worden, was eine ungeahnte Resonanz nach sich gezogen hat. Der Innsbrucker hat angeblich den Weg entdeckt, auf dem schon Johann Wolfgang von Goethe, der geheime Rat und Dichter, sowie Hannibal, einer der größten Feldherren der Antike, über die Alpen gezogen sind.
Wie eine Pilgerreise
Es kann aber auch sein, dass es ein anderer Pfad war. Der ausgebildete Bergführer hat jedenfalls einen erschlossen, der es möglich macht, die Alpen zu Fuß zu überqueren. Wanderer nutzen diesen Weg schon zu Tausenden, ohne dass er dadurch übervölkert wäre. Er ist durch seine landschaftliche Schönheit und die abwechslungsreichen Strecken zu einer der beliebtesten Wanderrouten geworden, gleicht einer Art Pilgerreise, die uns mit festem Schuhwerk ausgerüstet aus den Gefilden des idyllischen Tegernsees über das Karwendelgebirge bis ins Eisacktal nach Südtirol führt.
Georg Pawlata ist Wanderführer. Wildbäche und grasende Rinder säumen den idyllischen Weg durch die Alpen.
Auf sieben Etappen
184 Kilometer stehen auf dem Plan, die aber nicht erschrecken sollten, denn das Gepäck wird auf dieser gut organisierten Tour von Bussen zu den jeweils nächsten Herbergen gebracht, für die man sich im Vorfeld entschieden hat. „Man muss auch nicht alle Etappen wandern, kann sich je nach Zeitplan und Anspruch welche aussuchen“, erzählt Pawlata. Wobei nahezu alle die sieben Etappen auch in Angriff nehmen, die leicht bis mittelschwer gehalten sind, um möglichst viele Interessierte anzusprechen.
Startpunkt für die sieben Etappen ist der malerische Tegernsee. Grenzstein zwischen Österreich und Italien.
Knapp 1500 Höhenmeter
Manchmal sind es Salamander, die den Bergwanderern über den Weg laufen, Kühe, die ein oder andere Gams. Auch die Vielfalt der Flora begeistert bei den Auf- und Abstiegen. Während das Tal um Gmund am Tegernsee noch zum Baden in dem malerischen Gewässer animiert, ist es einige Etappen später bei der Überquerung des Alpenkamms schon etwas kühler, so dass sich zweckmäßigere, wärmere Kleidung empfiehlt. Wir übersteigen die Baumgrenze. Die Gastronomie im Pfitscherjoch-Haus auf der italienischen Seite der Zillertaler Alpen in 2275 Metern Höhe zieht alle Register. Immerhin sind knapp 1500 Höhenmeter überwunden, die dann in Südtirol im Norden Italiens seicht bergab führen und im malerischen Sterzing enden.
Ein blühender Genuss, wenn Alpenrosen die Wege säumen. Je höher es geht, desto karger zeigt sich die Landschaft
Mit großem „Ü“ versehen
Wegweiser kennzeichnen die Route, auf der das große „Ü“ für „Alpenüberquerung“ die Richtung vorgibt. Die Wege sind bei normalem Wetter gut zu gehen, werfen aber bei Eis und Schnee, was selbst im Sommer in höheren Lagen schon mal passieren kann, Probleme auf für den einen oder anderen Marschierer aus der norddeutschen Tiefebene. Doch die einzelnen Wanderpunkte, an denen man sich seine Stempel abholen kann, sind grundsätzlich mit Fachkundigen besetzt, die ihre Kenntnisse über das Wetter nicht für sich behalten. Auch Hoteliers oder Herbergseltern sind in Wetterwarnungen eingeweiht.
Im Herzoglichen Braustüberl Tegernsee ist die Brotzeit-Platte kulinarische Pflicht. Unterwegs zum Pfitscherjoch.
Einzigartige Fülle
Wer in wärmeren Jahreszeiten auf der Strecke unterwegs ist, atmet neben der Höhenluft den Duft einer vielseitigen Blütenpracht ein, die vom Enzian bis zu Alpenrosen reicht. Wasserfälle, klare Bergseen, Zirbenwälder und Almwiesen mit einzigartiger Blumenfülle lassen die Herzen derer höher schlagen, die sich inmitten der Natur am wohlsten fühlen. Der Charme der Alpendörfer auf deutscher und norditalienischer Seite rundet das Wandervergnügen ab. Wer die Alpenüberquerung angeht, darf am Ende nicht nur stolz auf seine sportliche Leistung sein, er wird schon während der Etappen von der Natur reichlich für seine Aktivitäten belohnt.
Kulinarisch verwöhnt
Aber auch Liebhaber alpenländischer Kost werden auf diesem Fußweg regelrecht verwöhnt, denn in allen Orten, die auf dieser mit Hütten, Pensionen und Hotels nur so gespickten Route liegen, haben sich Restaurants auf ihre Pilgergäste eingestellt. Das beginnt schon am Tegernsee, wo das Herzogliche Bräustüberl neben einkehrenden Prominenten auch die übrigen Wandersleut‘ mit selbstgebrautem Bier, Brezeln und Weißwurst sowie deftigen Brotzeiten versorgt. Etwas spitzfindiger darf der Gaumen dann am Achensee sein, wo der Fischbestand des Sees die Gerichte mit Bachforellen, Saiblingen und Renken aufwertet. Im Grundgerüst eine Tiroler Speisenkarte dürfen natürlich Speck und Kaiserschmarrn nicht fehlen. Die Auswahl der Pensionen und Hotels ist vielfältig, kann für jeden individuellen Geschmack und Geldbeutel gewählt werden.
Auf dem höchsten Punkt
Nicht versäumen sollten man die Einkehr im Pfitscherjoch-Haus, das auf dem höchsten Punkt der Wanderung thront und dessen Wirte allein schon aufgrund ihrer urig-lockeren Art einen Besuch verdienen. Internet-Information: www.die-alpenueberquerung.com.
KoCom/Fotos: Kurt Sohnemann
30. September 2018