Hoffen auf Landregen
Sommer im Weinberg / TravelLifeDrive setzt Begleitung der Rheingauer Winzerfamilie Gerhard durchs Jahr fort
Von Günther Koch/Life-Magazin
Jungwinzerin Michaela Gerhard kontrolliert die Trauben. Foto: Waldinger
Hattenheim – Spätfrühling und Frühsommer sind in diesem Jahr über einen jetzt schon längeren Zeitraum hinweg warm, teilweise sogar schwül-heiß gewesen. „Unwetter sind in dieser Vegetationsperiode zumindest bei uns bis jetzt Gott sei Dank ausgeblieben“, sagt Jungwinzerin Michaela vom Weingut Leon Gerhard, deren Familie aus Hattenheim im Rheingau wir im Rahmen einer mehrteiligen Serie durchs Jahr begleiten. Seit Wochen sei es eher das trockene und heiße Wetter, das die Vegetation bestimme.
Dem Wachstum voraus
Im Weinberg sind die Gerhards dem durchschnittlichen Wachstum weiterhin laut Michaela zwei bis drei Wochen voraus. Bei den älteren Reben zeigt sich demnach noch kein Trockenstress durch den fehlenden Regen. Die jungen Anlagen hingegen müssten diesen Sommer gegossen werden, da sie durch die noch kurzen Wurzeln nicht dasselbe Wasserreservoir nutzen könnten. „Für die Reifeentwicklung der Trauben hoffen wir aber in der nächsten Zeit auf einen gleichmäßigen Landregen, den die Reben benötigen.“
Im Moment noch gut
Im Vergleich zum vorherigen Jahrgang halte die extreme Hitzeperiode im Sommer diesmal sehr lang an und auch im Frühjahr habe man bereits früh warme Temperaturen bekommen, die einen frühen Austrieb begünstigt hätten. „Dazu“, erinnert sich Michaela, „hatten wir im Winter eher nasse Tage, wodurch die Wasserressourcen im Boden vorhanden waren und der schnelle Austrieb eben zustande kam“. Wetterereignisse wie 2017 der schwere Frost noch im April, Hagel und Sturm im August und der Starkregen Ende August/Anfang September seien bislang ausgeblieben. „Sollte der gewünschte Landregen in der nächsten Zeit noch einsetzen, sind die Bedingungen zum momentanen Zeitpunkt bei uns jedenfalls sehr gut“, räumt die Jungwinzerin allerdings ein, „dass an der einen oder anderen Traube auf der Sonnenseite bereits Sonnenbrand zu sehen ist“.
Stärkste Entwicklungsphase
„Der Sommer ist bei uns die Phase, in der man die stärkste Entwicklung im Weinberg sehen kann“, sei die der Laubwand beispielsweise und natürlich die der Gescheine zur Traube hin bereits deutlich zu erkennen. Pflanzenschutz, das Unterstützen der Laubwand durch einen Drahtrahmen für einen besseren Halt, das sogenannte Heften, mechanische Unkrautbekämpfung, Bodenbearbeitung sowie das Entblättern und Laubschneiden sind Arbeiten, die in dieser Jahreszeit anfallen. Im Weingut geht es um die Vorbereitungen auf Weinfeste und ähnliche Veranstaltungen. Stände müssen dort auf- und abgebaut, zu Hause Flaschen etikettiert werden.
Die Laubwand entblättern
Schon im Juni seien bereits die meisten der anfallenden Arbeiten in Angriff genommen oder sogar durchgeführt worden, da man in dieser Vegetation drei Wochen früher dran sei, verweist Michaela darauf, dass einige der Arbeiten über die ganzen Sommermonate hinweg mehrmals oder sogar kontinuierlich durchgeführt werden müssten. Die Gerhards sind wieder mit dem Ausschank an den Hattenheimer Weinfässern unten am Rhein an der Reihe. Tochter Michaela gestaltet zusammen mit Pfarrerin Anette Kassing in der Krypta der Wiesbadener Marktkirche eine biblische Weinprobe. Ende Juli stehen eher die Feste im Mittelpunkt. Im Weinberg selbst sei der letzte Pflanzenschutz auszubringen, Laub zu schneiden und die Laubwand zu entblättern. „Und anschließend sollte die Traubenentwicklung beziehungsweise der Zustand des Weinbergs immer wieder kontrolliert werden, denn auch darauf kommt es jedes Mal an.“ Vor dem Herbst sei in jeden Fall wichtig, wie beim Frühjahrsputz im Haushalt den Keller nochmal zu reinigen und Maschinen wie die Presse auf ihre Funktionstüchtigkeit zu testen.
Weinwoche in Wiesbaden
„Derzeit sind wir sehr zufrieden“, ist es eigentlich wie schon im Frühling: „Die eine oder andere Arbeit hätten wir gern etwas früher erledigt, doch gab es auch hier durch den kurzen Zeitraum etwas weniger Spielraum.“ Mitte August geht‘s wieder zur Rheingauer Weinwoche nach Wiesbaden, wo die Gerhards seit Beginn 1976 vertreten sind. „Das Fest gilt mit knapp 100 Ständen als längste Weintheke Hessens und ist für uns auch deshalb, zumal wir aus dem Rheingau gleich um die Ecke kommen, sehr wichtig.“ Wettertechnisch erhoffen sich Vater Werner, Mutter Gudrun, Tochter Michaela und Daniela, die zwar als Bankkauffrau und Bankfachwirtin arbeitet, aber genauso im Weingut hilft, „dringend einen schönen Landregen ohne Unwetter, um die Reife und die Versorgung der Reben zu gewährleisten“. Im Herbst sollte es eher trockenes Wetter mit gemäßigten Temperaturen sein, „um die Trauben im optimalen Zustand in den Keller zu holen“.
„Herbst ist am intensivsten“
„Der Herbst“, sagt Michaela, „ist die Jahreszeit, auf die wir das ganze Jahr im Weinberg hinarbeiten!“ Erst dann deute sich an, wie der Jahrgang bis dahin ist, zumindest in Sachen Traubenzustand und Traubenqualität. Selbst wenn die Trauben alle im Keller seien, lasse sich jedoch noch immer nicht mit Sicherheit sagen, wie der Jahrgang letztlich auf der Flasche sein werde. Der Herbst sei jedenfalls die arbeitsintensivste Zeit mit allem, was im Keller und parallel dazu im Weinberg sowie bei der einen oder anderen Veranstaltung nebenher noch erledigt werden müsse. „Doch es ist auch eine wahnsinnig spannende Zeit!“ Viel früher als geplant, es ist Montag, 6. August, fängt in diesem Jahr wohl auch wegen der heißen Witterung etwa in Bingen die Lese an. „Da haben sie etwas andere Rebsorten und teilweise ebenfalls ein anderes Klima“, weiß Michaela. „Bei uns wird es auf alle Fälle noch etwas dauern, Anfang bis Mitte September wahrscheinlich.“
Die Winzerfamilie Gerhard
… baut auf einer Fläche von knapp fünf Hektar Riesling, Weißburgunder und Spätburgunder an. Vom 2017er-Jahrgang haben die Gerhards rund 26 000 Flaschen abgefüllt. „Es war insgesamt ein herausfordernder Jahrgang“, sagt Jungwinzerin Michaela, die nach ihrer Ausbildung Weinbau und Oenologie in Geisenheim studiert und anschließend im Ausland in Weinbaubetrieben in Südtirol, Österreich und Neuseeland weitere Erfahrungen gesammelt hat. Die 28-Jährige unterstützt Vater Werner, der das Weingut 1990 von den Eltern übernommen hat, in der Weinproduktion, und Mutter Gudrun, die für den Verkauf zuständig ist, hilft wie Schwester Daniela, Bankkauffrau und Bankfachwirtin, bei den Wein- und Hoffesten im Service. Die erste Flaschenabfüllung fand 1919 durch Urgroßvater Heinrich statt. Die Familie selbst ist nachweislich im Rheingau seit 1442 im Weinbau tätig. Information: Weingut Leon Gerhard, Bergweg 5, 65347 Hattenheim, Telefon 06723-3335, www.weingut-leon-gerhard.de.
Die nächsten Folgen
Herbst im Weinberg: Ende Oktober/Anfang November. Winter im Weinberg: Ende Dezember/Anfang Januar. Lesen Sie auch: Weinbau im Rheingau: Michaela Gerhard vom Weingut Leon Gerhard im Gespräch Mehr Schlösser, Burgen, Klöster: Im Weingau, genannt Rheingau / Winzerfamilie gibt Tipps für Aufenthalt Mehr Schon guter Austrieb: Frühling im Weinberg“ Mehr Hoffen auf Landregen: Sommer im Weinberg Mehr Gesundes Lesegut: Herbst im Weinberg Mehr Göttlicher Winzer: Über eine biblische Weinprobe Mehr Nächster Rebschnitt: Winter im Weinberg Mehr
KoCom/Fotos: Michaela Gerhard/Rainer Waldinger
8 August 2018