Im Kart über die Meere
Auf Kreuzfahrt mit der Norwegian Bliss / Branche sieht Wettlauf der Reedereien / Klassisch oder spektakulär?
Von Nikolaus Findling/Life-Magazin
Die Norwegian Bliss unterwegs in den Gewässern vor Alaska. Foto: Norwegian Cruise/Anja Merkel
Miami - Auf Deck 18 senkt sich die Starterflagge und eine Gruppe behelmter Motorsportler ermittelt auf einer kurvenreichen Strecke den schnellsten Kartfahrer auf den sieben Weltmeeren. Auf Deck 20 erleben zeitgleich wagemutige Passagiere ein spannendes und schweißtreibendes Abenteuer in der Laser-Tag-Arena. Wiederum andere Urlauber wagen sich in eine der Wasserrutschen, deren Verlauf fast vier Meter über die Bordwand hinaus führt – und das in knapp 50 Metern Höhe über dem Meer. Im Theater perfektioniert derweil das Bordensemble wieder und wieder seine Tanzschritte für die Musical-Produktion Havana, während sich die Mitarbeiter in den mehr als ein Dutzend Restaurants und den 14 Bars auf den Abend sowie die mehr als 4000 hungrigen und durstigen Gäste vorbereiten. Willkommen an Bord der Norwegian Bliss, dem neuesten Schiff der Norwegian Cruise Line (NCL), die ihren Sitz in Miami hat!
Magic Carpet
Die Wettlauf der Reedereien um das spektakulärste Angebot auf dem Markt – die Schilderung zeigt es – beschleunigt sich. Gerade erst schickte Royal Carribean Cruises (RCL) mit der Symphony of the Seas den größten Ozeandampfer überhaupt auf die Reise. Die RCL-Schwester Celebrity Cruises nimmt Ende des Jahres die Edge in Empfang, die über eine Deckfläche in der Größe eines Tennisplatzes verfügt, die sich wie ein Fahrstuhl auf verschiedene Ebenen des Schiffes bewegen lässt – Magic Carpet nennt Celebrity das Konzept. Und die Scenic Eclipse hat einen eigenen Expeditionshubschrauber an Bord, wenn sie im August ihren Betrieb aufnimmt. Frühere Alleinstellungsmerkmale wie Eislaufbahn an Bord, schiffseigene Brauerei oder Bowlingbahn auf hoher See wirken da wie Relikte aus einer anderen Zeit – und doch sind Jungfernfahrten der damit ausgestatteten Schiffe noch gar nicht so lange her.
(K)eine ruhige Kugel
Beispiel Bowlingbahn: Die war auf der Norwegian Pearl, als sie im November 2006 in See stach, sozusagen der letzte Schrei der Branche. Auch die brandneue Norwegian Bliss verfügt über einen Kegel-Bereich. Der aber befindet sich im rund um die Uhr geöffneten Pub „Locals“ versteckt in der Ecke – und wird bei der Präsentation des Schiffes mit keinem Wort erwähnt. Wer will auch eine ruhige Kugel schieben, wenn nur ein paar Meter entfernt Kartbahn, Wasserpark und Laser-Tag-Arena locken? Ruhe ist ohnehin ein kostbares Gut auf der Norwegian Bliss. Nach dem Motto „Lass immer Musik um mich sein“ wird fast jeder öffentliche Bereich des Schiffes zumindest tagsüber nonstop beschallt. Bars und Restaurants sowieso, aber auch die endlos langen Gänge des 300-Meter-Schiffes, die Außendecks, die Poollandschaft – und sogar die Observation Lounge.
Mit 180-Grad-Panorama
Die ist – ob mit oder ohne Musik – der eigentliche Star des bei der Meyer Werft in Papenburg gebauten Kreuzfahrers. Die Observation Lounge erstreckt sich über sagenhafte 325 Quadratmeter auf Deck 15 und bietet durch raumhohe Fensterfronten ein 180-Grad-Panorama – von Mai bis September auf die spektakulären Landschaften Alaskas, sonst auf die Inseln der Karibik. Die Norwegian Bliss ist nach Angaben der Reederei das erste Schiff in der Flotte, das mit Blick auf das Einsatzgebiet entworfen wurde. In den Sommermonaten wird es ausschließlich vor dem größten US-Bundesstaat unterwegs sein. Insbesondere für den US-Markt scheint der Blick aus dem Kart auf kalbende Gletscher dabei offensichtlich kein Widerspruch. Bei einem Jahresurlaubsanspruch von 15 oder nur 10 Tagen packt der Durchschnittsamerikaner, Average Joe genannt, so viel in eine Reise, wie es nur geht.
Der Weg ist das Ziel
Und da geht tatsächlich viel auf der Norwegian Bliss. Das umgerechnet rund 800 Millionen Euro teure Schiff bestätigt den Trend der Branche, demzufolge der Weg das Ziel ist. Ob Broadway-Show oder romantisches Dinner im französischen Le Bistro, ob Party in der Silent Disco (bei der die Tanzwütigen Bluetooth-Kopfhörer tragen und aus vier Musikkanälen wählen können), ob Honkytonk-Stimmung im Texas Smokehouse Q, ob Live-Auftritt einer Beatles-Revival-Band im Cavern Club, ob ein Rendezvous mit dem Glück im riesigen Casino – die Unterhaltungsoptionen an Bord scheinen endlos.
„Wieder mit Ozean verbinden“
Bei aller Fokussierung auf die Nonstop-Bespaßung hat die Norwegian Cruise Line mit der Bliss aber auch jene Kundschaft im Visier, die nach einer klassischen Kreuzfahrt sucht. „Wir wollen die Passagiere wieder mit dem Ozean verbinden“, sagt Norwegian-Cruise-Line Präsident Andy Stuart. Die Observation Lounge ist ein Beispiel für dieses Konzept – ein anderes die Möglichkeit, in einigen Restaurants draußen auf dem Promenadendeck zu speisen und in diversen Bars den Drink aufgelehnt auf die Reling zu genießen.
Noch Alleinstellungsmerkmal
Stichwort Drinks: Die sind mit Ausnahme der sogenannten „Just Cruise“-Angebote grundsätzlich im Reisepreis enthalten. Im Gegensatz zu All-Inclusive-Paketen der Konkurrenz gibt es bei NCL keine speziellen AI-Getränkemenüs. Das „Premium All Inclusive“ genannte Reisepaket deckt Getränkebestellungen bis 15 US-Dollar pro Glas - bei höherpreisigen Spirituosen wird der Differenzbetrag in Rechnung gestellt – in allen Restaurants und Bars ebenso ab wie – natürlich – sämtliche Mahlzeiten in den Buffet- und Hauptrestaurants, Trinkgelder und 100 Minuten Internetzugang während der Reise. Ein Preisbeispiel für die Norwegian Bliss sind sieben Tage Alaska ab/bis Seattle, Innenkabine ab 1349 Euro (mit Hin- und Rückflug ab Deutschland ab 2573 Euro), Balkonkabine ab 2459 Euro (3253 Euro). Information: Norwegian Cruise Line Deutschland-Büro, Kreuzberger Ring 68, 65205 Wiesbaden, Telefon 0611-36070, www.ncl.de
KoCom/Fotos: Nikolaus Findling/Norwegian Cruise Line/Anja Merkel
29. Mai 2018