Mit Boras Gnade
Mit Mercedes durch Dalmatien in Kroatien / Von Trogir über Šibenik bis nach Split
Von Günther Koch/Life-Magazin
Die Laurentius-Kathedrale prägt das Altstadt-Bild von Trogir. Foto: Koch
Split – Letztes Mal war es heftig, sehr heftig. Als der Landeanflug auf den Flughafen Split plötzlich im letzten Moment sogar abgebrochen und die Maschine schleunigst wieder durchstarten musste! „Wegen der Fallwinde“, hat der Kapitän damals nach erfolgreichem zweiten Versuch erklärt. Die könnten bisweilen an der ganzen Adria vom italienischen Triest im Norden bis Montenegro im Süden ziemlich ungestüm von den Bergen hinunter zur Küste fegen, vom Koziak-Gebirge etwa nach Kaštela, wo der Flughafen liegt. Diesmal jedoch ist Bora gnädig, hat vorübergehend nur graue Wolken und leichten Regen mitgebracht. Die Temperaturen sind mild, erreichen bereits über 15 Grad.
Ehe die Saison beginnt
Es ist Frühling. Wir sind in Kroatien, wo Mercedes im dalmatinischen Teil des Landes gerade seine neue A-Klasse vorstellt. Mit der sind wir an zwei Tagen von Trogir, der kleinen Hafenstadt, zunächst ins Landesinnere und dann über Šibenik und an Primošten vorbei wieder zurück an der Küste entlang unterwegs, tags darauf weiter nach Split. Die ersten Hotels, Restaurants und Souvenirläden haben schon wieder geöffnet. Der eine oder andere Stau hat freilich weniger mit mehr Touristen als eher damit zu tun, dass manche Straße doch noch dringend einer Instandsetzung bedarf, ehe die Saison beginnt.
Stein- und Klappbrücke
Auch Trogir ist betroffen. Auf einem Teilstück der wichtigsten Durchfahrt in Richtung Split steht die oberste Teerschicht noch aus. Die Deckel zu den Kanalschächten liegen so frei, dass es besser ist, sie im Slalom zu umfahren, um den Wagen nicht zu beschädigen. Auch wenn der Verkehr vor allem zum Feierabend hin lebhafter wird: In den engen Gassen von Trogirs Weltkulturerbe-Altstadt sind die Einheimischen noch weitgehend unter sich. Der historische Kern liegt auf einer Insel. Wer aufs Festland will, muss über eine enge Steinbrücke. Über eine Klappbrücke geht es zur Insel Čiovo hinüber. Das mittelalterliche Zentrum ist teils von einer Mauer umgeben. Es heißt, es sei städtebaulich in ganz Osteuropa eines der am besten erhaltenen romanisch-gotischen Ensembles.
Drehorte in der Region
Es gibt Stadttor und Stadtmauer, Kathedrale, Festung und Fürstenpalast, Stadtloggia und Uhrenturm. Gelesen haben wir, dass Trogir in einer der Winnetou-Verfilmungen die Stadt Santa Fe dargestellt haben soll, Karl Mays Apachen-Häuptling mit Blutsbruder Old Shatterhand durch die alten Gassen ritt und das Rathaus als Kulisse für den Palast des Gouverneurs diente. Von den Nationalparks Plitvicer Seen, Paklenica und Krka über Platag, Karlobag und den Fluss Zrmanja bis zu Vransko Jezera finden sich in der Region gleich mehrere Drehorte für die Abenteuergeschichten des deutschen Reiseerzählers.
Im Hinterland in der Zagora
Von Trogir geht es ins gebirgigere Hinterland an Prgomet, Primorski und Danilo Gornje vorbei in eine Landschaft, die Zagora, die vom Meer getrennt ist, deshalb ein geschütztes Klima bietet und als eine der vier großen Weinanbaugebiete an Kroatiens Adria gilt. Nach Šibenik ist es nicht mehr weit, aber die Schleife über Skradin, die wir noch fahren, lohnt. Die kleine Stadt in der Nähe des Krka zählt zu den ältesten im Land. Ein Erlebnis sind die Wasserfälle dort. Am größten, nach der Stadt Skradinski Buk genannt, sind „dramatische Szenen“ des „Ölprinz“ gedreht worden. Auch hier lässt Winnetou wieder grüßen!
Beim heiligen Jakob
Zurück ans Meer. Wo der Krka in die Adria mündet, liegt Šibenik mit der Kathedrale des Heiligen Jakob als bedeutendstem Bauwerk. Wie das Gotteshaus mit Tonnengewölbe-Dach aus freitragenden Steinplatten gehört das Verteidigungssystem inzwischen zum Weltkulturerbe. Es besteht aus gleich vier, einst von den Venezianern errichteten Festungen. Die erst 2016 nach entsprechender Renovierung wieder eröffnete mit Namen Baron ist nach einem deutschen Adligen und Feldherrn benannt, der zu Zeiten der Türkenkriege in venezianischen Diensten stand. Der Blick schweift über die Stadt der Treppen, deren Stufen jemand sogar einmal gezählt haben muss: 2800 sollen es sein.
An Primošten vorbei
Nicht weit hinter der direkt am Meer an einem felsigen Naturstrand gelegenen Villa Golden Rays taucht nach einer letzten Biegung Primošten auf. Das frühere Fischerdorf, ein beliebtes Touristen- und Ferienziel, gruppiert sich malerisch unterhalb der Pfarrkirche auf einer Halbinsel. Die Einwohner leben zwar überwiegend vom Tourismus, aber auch Fischfang, Wein- und Olivenanbau spielen offenbar noch eine Rolle. Sollten Sie auf einer Weinkarte übrigens einmal den roten Babić finden: Er stammt aus Primošten, das ursprünglich nur eine kleine Insel war, mit dem Festland zunächst durch eine mobile Brücke verbunden, die später dann durch einen Deich ersetzt worden ist. Daher, so steht es in einer Beschreibung, in der auch von Seeleuten die Rede ist, die Primošten wegen der langen Dürreperioden das „trockene Kap“ nannten, habe der Ort 1564 den heutigen Namen bekommen – nach „primostiti“, was übersetzt so viel wie „überbrücken“ bedeute.
Am Drachenaugensee
Ebenfalls auf einer Insel, in diesem Fall Kopara, findet sich rechter Hand auf dem Weg nach Split das über einen Damm ans Festland angeschlossene Rogoznica. Seine Marina gibt es noch gar nicht so lang. Sie zählt wohl auch deshalb zu den moderneren im Land, bietet nicht nur Geschäfte und Übernachtungsmöglichkeiten, verfügt zusätzlich ebenfalls über Tennisplätze, Fitnessraum, Indoor-/Outdoor-Pool und Nachtclub. Und nicht zuletzt die Nähe zum Drachenaugensee macht sie interessant. Dessen Form gleicht einem Auge, in seiner Tiefe soll der Sage nach ein Drache leben. Vielleicht ist der See durch einen Meteoriteneinschlag entstanden. Als wahrscheinlicher nehmen Wissenschaftler jedoch an, dass es sich dabei um eine typische Karstbildung handelt, eine eingestürzte Höhle mit Verbindung zum Meer. Eine Besonderheit ist, dass der See sich alle paar Jahre trübt und Fische, Quallen und Meeresschnecken dann irgendwie ins offene Meer entschwinden.
Eine Stadt im Palast
Immer öfter taucht an größeren Mauern oder kleineren Buswartehäuschen das Emblem des Fußballvereins Hajduk auf. Wir nähern uns Split. Viele sehen in ihr die „Hauptstadt Dalmatiens“, ohne dass ihr dieser Status bislang freilich jemals offiziell zugesprochen worden ist. Split ist eigentlich eine unglaubliche Stadt, nämlich eine in einem Palast! Ihre Ursprünge gehen auf genau diesen antiken Baukomplex zurück, 38 500 Quadratmeter groß und Alterssitz von Kaiser Diokletian, von dem berichtet wird, er sei als einziger römischer Herrscher freiwillig aus dem Amt geschieden – zusammen mit seinem, ebenso ungewöhnlich, Mitkaiser. Aus dem Palast ist später eine bewohnte Festung geworden, die heute mehr oder weniger den gesamten Bereich der historischen Altstadt umfasst.
Tägliche Inspiration
Von der Uferpromenade Riva zweigen kleine Gassen ins Zentrum ab, wo es Lokale gibt, in denen auf Karten steht, dass es „sogar völlig undenkbar“ sei, darauf Speisen zu finden, die man wählen könne. Jeden Morgen gehe der Küchenchef auf den Markt, suche frischen Fisch und frisches Gemüse aus. Und erst im Laufe des Tages komme dem Meister dann die Inspiration, heißt es. Aber das ist letztes Mal gewesen und eine ganz andere Geschichte.
Info Kroatien I
Kroatien, Mitglied der Europäischen Union, zählt 4,2 Millionen Einwohner. Hauptstadt ist Zagreb. Weitere bekannte Städte sind Split, Rijeka, Zadar, Pula, Šibenik und Dubrovnik. Das Land erstreckt sich direkt an der Adria mit 1778 Kilometer Küstenlinie, samt 1246 Inseln, darunter 47 bewohnt, sogar 6176. Die Küste geht in die dinarische Gebirgsregion mit über 1800 Meter hohen Bergen über. Es folgt die pannonische Tiefebene. Größere Inseln sind Cres, Krk, Brač und Hvar. Es gibt zahlreiche National- und Naturparks. Landessprache ist Kroatisch, Englisch hilft in Zentren weiter, teilweise sogar Deutsch. Landeswährung ist nach wie vor der Kuna. In Regionen wie Istrien oben, Dalmatien mit der bekannten Makarska Riviera in der Mitte und bei Dubrovnik unten ist das Klima mild, die Sommer sind angenehm warm, es wehen in der Regel leichtere Brisen, in höheren Lagen ist es kühler. Frühling und Herbst sind ruhigere Reisezeiten. Badeurlauber ziehen den Sommer vor. Jährlich kommen inzwischen über zehn Millionen Urlauber ins Land.
Info Kroatien II
Wir waren in Trogir im Hotel Brown Beach House (vier Sterne, 42 Zimmer/Suiten, Designerhaus, modern eingerichtet, direkt am Wasser, www.brownhotels/croatia) untergebracht. An Restaurants können wir in Split das Olive Tree unmittelbar an der Uferpromenade Rive empfehlen. Die Küche mit slawischen, ungarischen, österreichischen und türkischen Wurzeln ist an der Küste fischbetont-leicht, im Hinterland herzhaft-deftiger. Spezialitäten der Gegend, die wir bereist haben, sind etwa Kuhkäse Prge aus der Podravina, Salamiaufschnitt und Mustarda-Soße aus Samobor, Pute mit Mlini-Nudeln, Buchweizenbrei Hajdinska Kasa, Kukuruzna Zlevka aus Mais, Vrbovecka Pera oder Varazdinske Kipice. Zu den süßen Samoborer Cremeschnitten schmeckt Samoborski-Likör. Graševina-Welschriesling und Weißer Pinot ragen bei den Weinen hervor. Mit Babic, Dingac, Postup, Vugava, Posip und Grk hat die Region weitere gute Rot- und Weißweine zu bieten. Information: Kroatische Zentrale für Tourismus, Stephanstraße 13, 60313 Frankfurt/Main, Telefon 069-2385350, www.croatia.hr.
Service Auto
Wer mit dem eigenen Wagen anreisen will: Von Passau durch Österreich und Slowenien sind es noch gut 850 Kilometer bis nach Split, von München aus nur wenig mehr. Für die rund 160 Kilometer lange Route von Trogir durchs Hinterland über Šibenik und an Primošten vorbei zurück wieder die Küste entlang zurück sollten Die etwa zweieinhalb Stunden reine Fahrzeit einkalkulieren. Von Trogir nach Split sind es nicht einmal 30 Kilometer. In Orten ist Tempo 50 erlaubt, auf Landstraßen 90, auf Schnellstraßen 110 und auf Autobahnen Tempo 130. Die Promillegrenze liegt bei 0,5. Wie Zagreb, Dubrovnik, Pula, Rijeka, Zadar, Osijek, Brač und Mali Lošinj hat Split einen internationalen Flughafen. Er liegt in Kaštela, gut 15 Kilometer an einer Bucht entlang vom Zentrum entfernt. Auch Bahn-, Bus- und Schiffsanreisen sind möglich. Die Reise in Dalmatien fand mit der neuen Mercedes A-Klasse statt. die zu Einstiegspreisen zunächst ab 30 231 Euro als Benziner mit 163 und 224 sowie als Diesel mit 116 PS bei den Händlern steht.
KoCom/Fotos: Günther Koch
18. April 2018