"Von Kindheit an"
Radreisen-Organisator Piotr Kaminski über das Fahrradfahren in Polen / Ein Gespräch
Von Günther Koch/Life-Magazin
Piotr Kaminski und Mitarbeiterin Beata Konarska laden die Räder vom Hänger ab. Fotos: Koch
Krakau – „Die Polen sind seit etwa zehn bis fünfzehn Jahren auch in ihrer Freizeit begeisterte Radfahrer“, sagt Piotr Kaminski, der uns gerade bei unserer Fahrradtour durch Krakau und Umgebung begleitet hat. Piotr, Jahrgang 1954, nicht weit von der Grenze zu Weißrussland in Biała Podlaska im Osten Polens geboren, ist Senior eines inzwischen von seinem Sohn geführten und mit In-Natoura kooperierenden Unternehmens namens Kampio mit Sitz in Warschau und Poznan, dem früheren Posen, das sich auf Natur-, Erlebnis- und dort insbesondere Fahrradreisen spezialisiert hat.
Auch in Polen ist nach der Wende doch sicher einiges anders geworden, ebenfalls was das Fahrradfahren in Polen betrifft, oder?
Piotr Kaminski: Anfang der 1990er-Jahre war das Radfahren vor allem auf dem Lande in kleineren Ortschäften weit verbreitet – und da natürlich meist auch notwendig, denn es gab damals noch nicht so viele Autos bei uns. In Großstädten, wo ebenfalls viele darauf angewiesen waren, ist es erst später dann richtig zur Mode geworden, um fit zu bleiben und etwas für die Gesundheit zu tun.
Beata Konarska richtet ein Lenkrad aus. Fahrrad-Stelldichein auf dem Krakauer Hauptmarkt.
Was hat den Ausschlag dafür gegeben, Reisen mit dem Fahrrad in Polen zu organisieren?
Piotr Kaminski: Ich fahre von Kindheit an Rad! In den wirklich schlechten 1980er-Jahren war die Betreuung solche Reisen eine sehr gute Möglichkeit, etwas dazu zu verdienen. Für uns bedeutete es viel, es war so etwas wie die Crème de la Crème der Reisebegleitung.
Sie haben bei unserer gemeinsamen Tour mit dem Fahrrad gerade durch Krakau und Umgebung angedeutet, dass Sie schon damals viel mit Radfahrern auch aus Deutschland unterwegs gewesen sind.
Piotr Kaminski: In jedem Sommer von 1985 bis 1989 war das. Ich hab‘ mich nach der Wende dann gleich entschieden, ein eigenes Reisebüro aufzumachen und Fahrradgäste zu uns nach Polen einzuladen. Aus dem Hobby ist dann ein Beruf geworden, wobei die Entwicklungen von Kampio und In-Natoura, einem Unternehmen, mit dem wir schon seit über 20 Jahren zusammenarbeiten, in etwa gleich verlaufen sind.
Für alle Fälle: Dieser Werkzeugkasten ist gut sortiert. Räder brauchen bei der Rast nicht viel Platz.
Wo radeln die Deutschen in Polen denn am liebsten?
Piotr Kaminski: In Masuren, einem wirklich idyllischen Reiseziel. Es scheint für sie ein verlorenes Naturparadies in Ostpreußen zu sein. Für uns stellen die Deutschen in jedem Fall die wichtigste Gästegruppe dar. Etwa 80 Prozent unserer Gäste kommen aus Deutschland.
Und warum, glauben Sie, ist das so?
Piotr Kaminski: Polen ist kein fremdes Land mehr für deutsche Touristen. Sie fühlen sich bei uns wohl, fast wie zu Hause. Wir sind froh darüber. Polen ist seit Jahren ein für Touristen sehr sicheres und freundliches Land.
Mit Schutzhelm: Krakau-Führerin Monika Olejak. Radverleih vor der früheren Fabryka Schindlera.
Welche anderen Ziele bei Radreisen in Polen gibt es?
Piotr Kaminski: Neben den Touren durch Masuren, die nach wie vor die populärsten sind, bieten wir Radreisen etwa entlang der Ostsee oder entlang der Weichsel an, durch Pommern, den Białowieża-Urwald, die Biebrza-Sümpfe oder wie jetzt auch durch Krakau und Umgebung.
Wie läuft so eine Reise ab, etwa nach Masuren?
Piotr Kaminski: Die Gäste treffen in Warschau ein. Wir bringen sie mit dem Bus nach Masuren. Die Fahrt dorthin dauert etwa vier Stunden. In jedem Hotel beziehungsweise in jeder Pension verbringen wir zwei Nächte. Es gibt interessante Besichtigungen. Wir sind etwa von 9 bis 17 Uhr mit ausreichend Pausen unterwegs, legen jeden Tag zwischen 40 bis 60 Kilometer zurück, was auch die mit unseren 7- bis 21-Gang-Rädern schaffen können, die nicht jeden Tag Fahrrad fahren. Insgesamt dauert so eine Reise mit dem Rad durch Masuren sieben Tage. Was wir wollen, ist, dass unsere Gäste aktiv einfach nur die Zeit, unser Land und die polnische Gastfreundschaft genießen.
Vor der Kirche im Krakauer Stadtteil Podgorze. Ein Rad wirbt für polnische Pierogi-Teigtaschen.
Wie könnte das Radfahren in Polen noch beliebter werden?
Piotr Kaminski: Wichtigste Aufgabe sollte in den nächsten fünf Jahren in jedem Fall der weitere Auf- und Ausbau der Infrastruktur sein, sprich der Radwege, und zwar auf allen Strecken. Unsere Gäste sind in ganz Europa unterwegs, dort an sichere, weitgehend asphaltierte und speziell für Fahrradfahrer konzipierte Wege gewöhnt. Ich denke, auch so könnten wir dazu beitragen, unseren Ruf als sicheres, gastfreundliches und trotz allem zudem ebenfalls weltoffenes Land nachhaltig zu fördern.
Interview beendet Artikelfolge
Dieses ergänzende Interview rundet unserer „Krakauer Trilogie“ ab, beendet die Artikelfolge. Vorher sind bereits erschienen: "Heiliger Vater! 'Polens Schönste' / Über Wianki, Wawel und Wojtyla / Ein Stadtbummel“ (Teil I), „An der Weichsel entlang – Nationalheld, Kloster und ein kleines Paradies auf Erden / Ein Radausflug“ (Teil II) sowie "In der Fabryka Schindlera - Jüdisches Leben in der Lipowa 4 und in Kazimierz / Eine Spurensuche". Diese Reise ist vom Polnischen Fremdenverkehrsamt in Zusammenarbeit mit der Stadt Krakau und dem Natur-, Erlebnis- und Radreisenanbieter und In-Natoura-Partner Kampio (Ostródzka Straße 31, 60-461 Poznan/Polen, Telefon 0048-(0)-61-2332794, www.kampio.com.pl) organisiert worden.
KoCom/Fotos: Günther Koch
24. Juli 2017