Wer den Frieden will
Warum das Panzermuseum in Munster in der Heide kein Museum wie jedes andere sein kann
Von Günther Koch/Life-Magazin
Schon zum Nachdenken: Am Eingang des Panzermuseums in Munster. Foto: Koch
Munster – Ein Schild an der Autobahn A7 in der Lüneburger Heide. Es weist auf das Deutsche Panzermuseum in Munster etwa auf halbem Weg zwischen Hannover und Hamburg hin. Die rund 15 000 Einwohner zählende Kleinstadt in Niedersachsen ist vor allem für ihre sogar gleich zwei Truppenübungsplätze bekannt, zwischen denen sie liegt.
Mit Benjamin-Zitat gleich am Anfang
Hans-Krüger-Straße 33. Ein riesiger Felsblock vor dem Eingang. Panzermuseum steht darauf. Und darunter die Zahl 1983, das Jahr der Eröffnung. Auf der Wand des Gebäudes gleich dahinter die Worte „Wer aber den Frieden will, der rede vom Krieg.“ Walter Benjamin hat das 1926 gesagt, der deutsche Philosoph, der als Jude und Kommunist 1933 das Exil wählt, in dem er 1940 im Alter von nur 48 Jahren Selbstmord begeht – aus Angst vor einer Auslieferung an die Nationalsozialisten. Für Museumssprecherin Julia Engau ist das, was Benjamin da formuliert hat, eine „wunderbar kondensierte Antwort auf die Kritik an uns“. Engau sagt: „Wir reden vom Krieg, weil wir den Frieden wollen!“
Väter mit Söhnen, Großväter mit Enkeln, ganze Familien
Klemens Umlandt treffen wir an der Kasse. Der Museumsführer weist auf die besondere Konzeption und Gliederung der Einrichtung hin. „Folgen Sie einfach nur der roten Linie!“ In einer Vitrine im Vorraum ist militärische Kleidung ausgestellt. Schräg gegenüber hängt das große Bild „Der Reitergeist“. Väter mit ihren Söhnen schauen es sich an. Großväter mit ihren Enkeln gehen vorbei, ganze Familien. Ein junges Paar aus Japan prüft vorsichtshalber vorher seine Fotoausrüstung. Betreuer sind bemüht, einer Gruppe von kleinen Jungs im Schulalter die wachsende Unruhe zu nehmen. „Ja“, sagt eine der Begleitpersonen zuletzt, „ihr könnt nachher draußen auch noch in einen Panzer gehen.“
Dazwischen persönliche Kriegsschicksale
Fünf Hallen, 10 000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, 6000 Exponate: „Roter Faden ist die Entwicklung der deutschen gepanzerten Truppen im 20. Jahrhundert“, schreiben Stadt, Bundeswehr und Förderverein im Internet über ihr Museum. Vom leichten Kampfwagen aus dem Jahr 1918 bis zum modernen Leopard sind Panzer aller Art aus verschiedenen Ländern zu sehen, militärische Lkw, Pkw, Motorräder, unterschiedlichste Handfeuerwaffen, Uniformen wie die Feldjacke von Generalfeldmarschall Erwin Rommel aus dem Jahr 1944, Orden, Ehrenzeichen, Turmtrainer, Funkgeräte, Zieloptiken und andere Ausrüstungsgegenstände. Persönliche Fotos und Briefe erzählen dazwischen von Kriegsschicksalen.
Bis zum nachgestellten Feldlager in Afghanistan
Unter ihren jeweiligen Flaggen stehen sich Deutschland-Ost und Deutschland-West stellvertretend für den damaligen Warschauer Pakt und die Nato noch einmal militärisch gegenüber. Ein nachgestelltes Feldlager vermittelt Eindrücke von jüngsten Bundeswehr-Einsätzen und Gefahren wie denen in Afghanistan. Auf dem Freigelände kann man durch die enge Luke ins Innere eines dieser stählernen Kolosse steigen. Platzangst darf man dabei keine haben. Technische Details werden erklärt, historische Hintergründe beschrieben, „wobei es allerdings nicht nur“, so Klemens Umlandt, „um Militär-, sondern eben auch um Kultur-, Sozial-, Wirtschafts- und um Politikgeschichte geht“.
„Natürlich auch negative Stimmen“
Julia Engau weiß, dass es „natürlich auch negative Stimmen“ gibt. „Ein Panzermuseum braucht niemand“ werde der Einrichtung, die 2015 knapp 114 000 Besucher gezählt hat, oft vorgehalten. Oder: „Sowas verherrlicht doch nur den Krieg.“ Aber gerade deshalb, sagt Engau, habe man das Benjamin-Zitat ans Haus streichen lassen, in großen Lettern und mit oranger Farbe. Ein Museum wolle zum Denken anregen, ein Ort der Diskussion sein. Aus diesem Blick sei man „sehr wohl ein Museum wie jedes andere“. Und doch „Unsere Exponate sind nun aber Tötungsmaschinen und keine Trecker.“ Das sei die Herausforderung, es zu schaffen, dass Besucher die Menschen hinter den so raumnehmenden Stahlmonstern sehen. „Wir versuchen Geschichten über Menschen zu erzählen, Menschen, die in, hinter, vor und schlimmstenfalls unter den Panzern waren.“ Über die Exponate gebe es „so viel mehr zu berichten als nur die rein technischen Kennzahlen, mehr als Panzerquartett“.
Die „Aura des Objekts“ durchbrechen
Für Engau sind Panzer in einem Museum „sehr strahlkräftig“: Stehe man davor, „fällt es schwer, etwas anderes als diese Masse wahrzunehmen“. Diese „Aura des Objekts“ sei zwar nicht einfach zu durchbrechen, doch mühe man sich darum, „für mehr Aspekte um das Exponat herum zu interessieren“. Einer davon könnte – ganz aktuell etwa im Krieg in Syrien oder im Irak – der sein, dass Panzer nach wie vor eine große Rolle spielen, indem ältere Modelle, die sonst schon lange im Museum stehen, in Ländern wie diesen „durchaus noch immer im Einsatz sind und dort leider dazu beitragen, Geschichte zu schreiben“.
Ein früherer Richtschütze erinnert sich
Günther Koch, ein Namenskollege aus Wetter in Hessen, steht im Museum vor einem ab 1964 gebauten Leopard I. Als Richtschütze ist er darauf Ende der 1960er-, Anfang der 1970er-Jahre im Panzerbataillon 63 in Stadtallendorf bei Marburg ausgebildet worden. Der Wehrpflichtige musste in dieser Zeit gleich zweimal mit seiner Einheit zu Übungen auch nach Munster verlegen. „Einmal sogar bis kurz vor Weihnachten.“ Dass solches Militärgerät im Ernstfall Tod und Verderben auf beiden Seiten bringen kann, ist dem heute 67-Jährigen klar. Er erinnert sich: „Am meisten Angst haben wir damals beim scharfen Schuss gehabt, da ging so ein Ruck durch den Panzer!“ Information: Deutsches Panzermuseum, Hans-Krüger-Straße 33, 29633 Munster, Telefon 05192-2552, www.daspanzermuseum.de.
Info Lüneburger Heide I
Das Militär hat im Nordosten Niedersachsens im Dreieck Hannover-Bremen-Hamburg viele Spuren hinterlassen, nicht nur in Munster. Ein Abkommen mit Großbritannien und Kanada regelte von 1963 bis 1994 die Nutzung von Flächen in der Heide insbesondere für Panzer. Nach Einstellung des Übungsbetriebs nahm sich der Verein Naturschutzpark der Areale an, renaturierte und rekultivierte sie. Heute dienen die meist flachwelligen Heide-, Geest- und Waldgebiete vornehmlich auch wieder der Erholung. Die besondere Kulturlandschaft erstreckt sich über rund 1070 Quadratkilometer. In 35 Gemeinden leben etwa 90 000 Einwohner. Wichtige Städte und Kreise in der Hohen Heide, der Nord-, Süd- und Ostheide sind neben Lüneburg und Munster etwa noch Bad Fallingbostel, Celle, Gifhorn, Heidekreis, Schneverdingen und Uelzen.
Info Lüneburger Heide II
In der Heide kann man wandern, sie per Rad oder Kutsche erkunden. In Ebstorf, Isenhagen, Lüne, Medingen, Wienhausen und Walsrode finden sich mittelalterliche Klöster, in Bergen-Belsen die Gedenkstätte eines NS-Konzentrationslagers. Vogelpark Walsrode und Skihalle Bispingen sind bekannt. Die Winter hier sind eher mild, die Sommer nicht ganz so heiß. Wer länger bleiben will: In Schneverdingen können wir den „Schäferhof“ (Naturotel, 21 Zimmer/Suiten, gemütlicher Landhaus-Stil, mitten in der Heide, regionale Küche, www.hotel-schaeferhof.com) empfehlen. Heidschnuckenbraten, Heidekartoffeln, Heidespargel, Heidehonigparfait, Schnuckenbräu und Heideküsschenschnaps sind Heidespezialitäten. Information: Lüneburger Heide GmbH, Wallstraße 4, 21335 Lüneburg, Telefon 04131-3090, www.lueneburger-heide.de.
Service Auto
Über die A2 aus Richtung Westen und Osten sowie über die A7 aus Richtung Norden und Süden ist die Lüneburger Heide autobahnmäßig sehr gut angebunden. Hamburg und Hannover sind die größeren Knoten-. Lüneburg, Celle und Uelzen auch ICE-Bahnhöfe. Von den drei internationalen Flughäfen Hamburg, Hannover und Bremen ist man jeweils in rund einer Stunde in der Heide. Mietwagen der Kompaktklasse ab dort kosten für drei Tage zwischen 80 und 100 Euro.
KoCom/Fotos: Günther Koch
3. November 2016