Auf, zum Walberla!
Deutschland ist schön: Eine Tour durch die Fränkische Schweiz / Berge, Bier und Druiden
Von Günther Koch/Life-Magazin
Blick vom Walberla in die Fränkische Schweiz nordöstlich von Nürnberg. Foto: Koch
Nürnberg – Es hat mit Nürnberg begonnen, das verlängerte fränkische Wochenende. Mit der Fränkischen Schweiz setzen wir es fort, fahren nach Nordosten an Fürth und auf der Autobahn A73 an Erlangen vorbei Richtung Forchheim, Ziel „Walberla“. Christina Summerer hat es uns empfohlen. „Das zum Beispiel“, so die Chefin des Privathotels Vosteen in Nürnberg, „könnten Sie sich anschauen.“
Mit rund 510 Metern markanteste Erhebung
Bei Forchheim verlassen wir die Autobahn. Es dauert nicht lange und die ersten Schilder zwischen Wiesenthau und Kirchehrenbach weisen darauf hin: Das vom Volksmund so genannte „Walberla“ ist mit rund 510 Metern zwar nicht die höchste, aber die wohl doch markanteste Erhebung in der Region, eine Art Tafelbergmassiv, das zusammen mit dem noch etwas höheren Rodenstein offiziell Ehrenbürg heißt.
Kleine Walburgis-Kapelle schon 1360 erstmals erwähnt
Auf halber Strecke geht es nur noch zu Fuß langsam weiter bergauf. Steine weisen den Weg. Die Sonne scheint. Schnell wird es einem warm. Doch oben, von wo aus man herrliche Ausblicke weit ins Land hinunter genießt, wehen ziemlich heftige Winde, über die sich an den Kanten des Plateaus vor allem die Drachen- und Gleitschirmflieger freuen. Die kleine Walburgis-Kapelle auf dem Berg ist 1360 erstmals urkundlich erwähnt worden, hat der Ehrenbürg zu ihrem volkstümlichen Namen verholfen, denn: „In jener Urkunde wird auch ein Jahrmarkt erwähnt“, schreibt ein Chronist. Das Walberlafest jeden ersten Sonntag im Mai zieht heute jedenfalls in der Tat Tausende von Besuchern an. Wegen der seltenen Pflanzen haben die Behörden das Walberla unter Naturschutz gestellt.
Viele kleine Privatbrauereien
Das Gebiet ums Walberla gilt als Europas größtes zusammenhängendes Süßkirschen-Anbaugebiet sein. Doch nicht nur Obst spielt eine große Rolle hier. In der Fränkischen Schweiz geht es auch und vor allem um – Bier. Das typische der Region soll der dunkele Gerstensaft sein. Größere Brauereien bieten aber, wissen Kenner, längst auch andere Sorten wie Helles, Weißbier und Pils an. Meist handelt es sich bei den Brauereien um kleinere Privatbetriebe, die lediglich ein- oder zweimal in der Woche brauen und oft nur in einigen wenigen Gasthäusern ausschenken.
Bis ins Guinness-Buch der Rekorde
Mit etwa 70 Brauereien soll die Region sogar über die weltweit höchste Brauereidichte verfügen. Und als Ort hat es diesbezüglich, bestätigt der Michael-Müller-Verlag, der einen Führer über die Fränkische Schweiz herausgegeben hat, Aufseß im oberfänkischen Landkreis Bayreuth bis ins Guinness-Buch der Rekorde geschafft, wo vier Brauereien im Ortskern und in den Ortsteilen Heckenhof, Hochstahl und Sachsendorf auf nur etwa 1500 Einwohner kommen. Na dann, Prost!
Ausgangspunkt Egloffstein
Für einen Wochenendausflug in die Fränkische Schweiz bietet sich zum Beispiel Egloffstein als Ausgangspunkt an. Im Gasthof zur Post kommt natürlich fränkische Küche auf den Tisch, die aber nicht nur aus Schäufele-Schweineschulter und Bratwürsten bestehen muss, wenn Gastwirtin Erika Heid junge, gefüllte Bauerntäubchen mit Kartoffelkloß oder gedünstetes Filet vom Waller im Wurzelsud auf die Teller zaubert.
Weiter zum Hain bei Wohlmannsgesees
Am nächsten Morgen geht es zum Druidenhain bei Wohlmannsgesees. Eine Wildkräuter-Expertin wie Rosa Schmidt könnte durch das „Jura-Meer“ führen. Oder, fragen die Reiseführer-Autoren spannungsvoll, handelt es sich doch um eine keltische Kultstätte? Denn, so der Auszug aus der aktuellen Auflage des von Hans-Peter Siebenhaar und Michael Müller selbst verfassten „Fränkische Schweiz“-Bandes, in der Hallstatt- und Latènezeit um 800 vor Christus bis Christi Geburt sind Siedlungen und Wehranlagen keltischer Stämme in Oberfranken nachweisbar, zum Beispiel auf der Ehrenbürg oder auf dem Burgberg bei Burggaillenreuth.
Mit mystischem Flair
Die Kelten hatten demnach eine hoch entwickelte Kultur. In ihrer Gesellschaft sei die Priesterkaste hoch angesehen gewesen. „In die Geheimnisse der Sternen- und Zauberkunde waren nur die Druiden eingeweiht.“ Das mystische Flair des Druidenhains hat laut Siebenhaar und Müller schon damals Menschen in den Bann gezogen. Immer wieder habe man mit Blick auf die merkwürdige reihenförmige Anordnung der Felsen vermutet, die Druiden hätten sie bewusst zu Gassen angeordnet.
Am Stammsitz derer von Aufseß
Szenenwechsel. Im Bierdorf Aufseß kann man sich einer Besichtigung anschließen, etwa der Brauerei Rothenbach, zu der ein uriger Gasthof gehört, wo etwa Forelle nach Müllerinnen-Art, original fränkische Schäufele auf Dunkelbiersoße, fränkischer Sauerbraten oder Brauerschnitzel mit deftiger Zwiebel-Speck-Füllung zur Wahl stehen. Und wie wäre es mit einem herzhaften Fest- oder Zwickelbier dazu? Im romantischen Schloss, Stammsitz derer von Aufseß, ist Baron Eckart der Herr. Der geschichts- und kunstbegeisterte Ahn Hans Freiherr von und zu Aufseß hat übrigens das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg gegründet. Im Bergfried befinden sich sein ehemaliges Studierzimmer, die bescheidene Wohnung samt alter Bibliothek, Waffen und Rüstungen.
Geistreiches von der Streuobstwiese
Schließlich Pretzfeld, wo schon die Urgroßmutter von Johannes Haas 1901 das Recht zur Obstbrennerei erworben hat. Doch erst der Urenkel, der vor mehr als zehn Jahren den elterlichen Betrieb übernahm, führte Siebenhaar und Müller zufolge die traditionsreiche Brennerei zu neuen Höhen, Motto „Geistreiches von der Streuobstwiese“. Die Edeldestillation führt mehr als 100 verschiedene Destillate und Liköre. Der Gast kann in einem Nebengebäude, wo einst Scheune und Kuhstall standen, die feinen, aromatischen Ergebnisse des Jungbrenners verkosten; auch die Brenngeräte stehen dort. Ist es warm, sitzt es sich im Hofgarten schön, wo es je nach Saison Obst wie Kirschen, Äpfel und Birnen gibt. Eine Probierstube ist vorhanden, die Besichtigung der Brennerei möglich.
„Von einem Paradies durchs andere“
Auf all das hat Johann Paul Friedrich Richter wohl verzichten müssen. Der Dichter, bekannt als Jean Paul, muss sich dennoch damals wie im Garten Eden gewähnt haben, als er 1798 über die Fränkische Schweiz schrieb: „Hier läuft der Weg von einem Paradies durchs andere.“
Info Fränkische Schweiz I
Bei der Fränkischen Schweiz nordöstlich von Nürnberg handelt es sich um eine bis über 600 Meter hohe Mittelgebirgslandschaft mit markanten Felsformationen, Höhlen und Gewässern. Bekanntere Orte sind Pottenstein, Gößweinstein, Muggendorf, Ebermannstadt, Streiberg, Egloffstein und Waischenfeld. Entlang der Burgenstraße sind allein für dieses Gebiet mehr als 15 Schlösser, Burgen und Ruinen aufgelistet. Das Museum in Tüchersfeld fasst größere Sammlungen über die Region zusammen. Wir waren in Nürnberg im Hotel Vosteen (drei Sterne, am Rand der Altstadt nahe der Burg, zehn Zimmer, alle im Stil der 1950er-, 1960er-Jahre eingerichtet, sehr persönlich, mittlere Preiskategorie, www.hotel-vosteen.de) und im „Drei Raben“ (vier Sterne, Altstadt, 22 Zimmer/Suiten, alle Nürnberger Mythen oder Sagen erzählend, mittlere Preiskategorie, www.hoteldreiraben.de) untergebracht.
Info Fränkische Schweiz II
Kulinarisch geht es im Fränkischen eher rustikal zu, etwa mit Potackn-Kartoffel- oder Metzel-Wurstsuppe, Schäufele-Schweineschulter mit Klößen oder Gewerch-Teller mit gepökelt-gekochten Rindermaulstücken. Am besten dazu schmeckt Bier. Es gibt aber auch gute Frankenweine und Obstbrände. Reiseführer-Tipp: „Fränkische Schweiz, Bamberg, Bayreuth“ (15,90 Euro), „Nürnberg, Fürth, Erlangen“ (12,90 Euro) aus dem Erlangener Michael-Müller-Verlag, der inzwischen das Internetportal www.gscheitgut.de online hat, um die regionale Küche mit ihren Spezialitäten und die Ausflugskultur zu stärken. Information: Tourismuszentrale Fränkische Schweiz, Oberes Tor 1, 91320 Ebermannstadt, Telefon 09194-799979, www.fraenkische-schweiz.com.
Service Auto
Die Fränkische Schweiz ist verkehrsmäßig sehr gut angebunden. Mit dem Auto erfolgt die Anreise am besten über die Autobahnen A3 (Frankfurt-Würzburg), A6 (Heilbronn-Amberg), A9 (Berlin-München) oder A73 (Bamberg-Erlangen). Nürnberg ist Bahnknotenpunkt und verfügt über einen teilweise auch international ausgerichteten Flughafen.
KoCom/Fotos: Günther Koch
15. Oktober 2015