Freitag, 22. November 2024

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GALERIA REISE Auf Teneriffa. Foto: Michael-Müller-Verlag
GALERIA REISE Auf Madeira. Foto: Michael-Müller-Verlag
GALERIA REISE In Siena, Stadt der Contraden. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE In Florenz, Stadt der Kunst. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE (Fast) alles Chianti in der Toskana. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Im Agriturismo Poggio alle Lame. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Alte Zeiten im Hessenpark. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Bei den Ostfriesen in Greetsiel. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Boots-Idylle Im Oste-Land. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Am Golf von Neapel. Foto: Michael-Müller-Verlag
GALERIA REISE In Astrid Lindgrens Südschweden. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Die pfälzische Weinstraße entlang. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE In der Bretagne. Foto: Michael-Müller-Verlag
GALERIA REISE Im Freilichtmuseum Bad Sobernheim. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE In den schottischen Highlands. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Auf der istrischen Halbinsel. Foto: Rainer Waldinger
GALERIA REISE Vom Comer See in die deutsche Provinz. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Wetter zwischen Burgwald und Wollenberg. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Heimat Hunsrück. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Frauen in Marburgs Stadtgeschichte. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Am Point Alpha in der Rhön. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE An der Mosel entlang. Foto: Günther Koch

Gute Reise!

"Eine Dame lebt in Venedig, / die ist mit achtzig noch ledig. / Sie beklagt sich nicht, / sie lächelt und spricht: / „Vielleicht war das Schicksal mir gnädig.“

Die Limericks, die Sie an dieser Stelle immer lesen, stammen alle von Ole Haldrup. Sein „Buch der Limericks“ (2003), dazu „Lirum, Larum, Limerick“ (2004) und „Das Geheimnis der fünften Zeile" (2007) sind zu beziehen über: Nereus-Verlag, Susanne Happle, Johann-von-Werth-Straße 6, 79100 Freiburg, Telefon 0761-403802, nereus-verlag @gmx.de. (gk)

Flüstern im Birnbaum

Deutschland ist schön: Havelland (III) / Beim Herrn von Ribbeck auf Ribbeck / Wiste 'ne Beer?

Von Günther Koch/Life-Magazin

 

Der neue Birnbaum vor Ribbecks Dorfkirche trägt schon Früchte. Foto: Havelland-Tourismus

Ribbeck – Wo sich Brandenburg im Westen vor den Toren von Potsdam und Berlin noch weiter und menschenleerer zeigt. Wo die Felder größer sind und sich Hochspannungsleitungen wie ein riesiges Spinnennetz über die Gegend um Wustermark und Nauen herum zu legen scheinen. Wo in Berge, im letzten Dorf davor, ein Kommunikationsunternehmen überdimensional an einer Bushaltestelle direkt an der Bundesstraße 5 magentafarben Werbung für die digitale Welt von morgen macht – da ist es vor allem für Ältere nicht mehr weit bis zur Erinnerung an längst vergangene Schultage. Und dieses Gedicht:

Das Gedicht, Vers 1

„Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, / ein Birnbaum in seinem Garten stand. / Und kam die goldene Herbsteszeit / und die Birnen leuchteten weit und breit, / da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl, / der von Ribbeck sich beide Taschen voll. / Und kam in Pantinen ein Junge daher, / so rief er: ‚Junge, wiste 'ne Beer?‘ / Und kam ein Mädel, so rief er: / ‚Lütt Dirn, kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn.‘“

Eine überlieferte Familiensage

Die 1889 auf Basis einer überlieferten Familiensage entstandene Ode von Theodor Fontane, dem großen Dichter-Sohn dieser Region, über einen großzügigen Gutsherrn hat Generationen von Jungen und Mädchen beim Auswendiglernen und Aufsagen sicher nicht nur Schweißperlen auf die Stirn getrieben, sondern das kleine Dorf im Brandenburgischen auch weit über die Grenzen hinaus im ganzen Land bekannt gemacht. „Mit ziemlicher Sicherheit können wir heute sagen, dass mein Vorfahr Hans-Georg von Ribbeck (1689-1759) Theodor Fontane zu diesem Gedicht inspiriert hat“, sagt Friedrich-Carl von Ribbeck, der Nachfahr. „Für mich war gleich nach der Wende klar, nach Ribbeck zurückzukommen und mir den Hut für die Fortsetzung der Familientradition aufzusetzen.“

Das Gedicht, Vers 2

„So ging es viele Jahre, bis lobesam / der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam. / Er fühlte sein Ende, 's war Herbsteszeit. / Wieder lachten die Birnen weit und breit. / Da sagte von Ribbeck: ‚Ich scheide nun ab, / legt mir eine Birne mit ins Grab.‘ / Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus, / trugen von Ribbeck sie hinaus, alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht / sangen ‚Jesus meine Zuversicht‘. / Und die Kinder klagten, das Herze schwer: / ‚He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?‘“

Nur Originalstumpf noch erhalten

Den Birnbaum auf dem Ribbeckschen Grab hat ein Sturm am 20. Februar 1911 umgeworfen. Nur noch der Stumpf ist geblieben, wird sorgsam in der Dorfkirche verwahrt. Ein neuer Birnbaum ist erst im Jahr 2000 wieder gepflanzt worden. „Vorher, zu DDR-Zeiten, war das alles für uns kein Thema“, erinnert sich eine Frau aus der Kirchengemeinde, die wir beim Falten von Flyern in dem kleinen Gotteshaus treffen, an ihre Kindheit im Ort. „Wahrscheinlich zu dekadent.“

Das Gedicht, Vers 3

„So klagten die Kinder, / das war nicht recht, / ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht. / Der neue freilich, der knausert und spart, / hält Park und Birnbaum strenge verwahrt. / Aber der alte, vorahnend schon / und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn, / der wußte genau, was damals er tat, / als um eine Birn ins Grab er bat. / Und im dritten Jahr, aus dem stillen Haus, / ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.“

Und Fontane denkt sich seinen Teil dazu

Graue Wolken ziehen übers Land. Es nieselt. Würde nicht dieser Name auf dem Schild am Ortseingang stehen, viele wären wahrscheinlich aus dem Straßendorf, das noch immer den rauputzgrauen Charme eines bröckelnden Sozialismus versprüht, genauso schnell wieder raus wie sie reingekommen sind. Ein älterer Mann hat an der Zufahrt zum Schloss, seit 1893 Familiensitz derer von Ribbeck, zu tun. Wir fragen, wo man einen Kaffee trinken kann. „Ich glaube, es gibt kaum einen Ort, der auf die geringe Einwohnerzahl bezogen, nämlich zuletzt nur noch rund 310, so viele Cafés hat wie wir“, sagt der Mann, denkt nach, rechnet, kommt auf „mindestens sechs“ – und Dichter Fontane, abgebildet auf einem Stromkasten schräg gegenüber, denkt sich wohl seinen Teil dazu. 

Das Gedicht, Vers 4

„Und die Jahre gehen wohl auf und ab, / längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab. / Und in der goldenen Herbsteszeit / leuchtet's wieder weit und breit. / Und kommt ein Jung übern Kirchhof her, / so flüstert's im Baume: ‚Wiste 'ne Beer?‘ / Und kommt ein Mädel, so flüstert's: ‚Lütt Dirn, / kumm man röwer, ick gew di 'ne Birn.‘“

Ein Rundgang durch das Dorf

Ein ganz normaler Mittwoch. Ribbeck wirkt wie ausgestorben. Selbst um das Schloss herum, 1947 enteignet und bis 2004 als Alten- und Pflegeheim, heute im Landkreisbesitz Museum, Veranstaltungsort und Restaurant, sind kaum Menschen zu sehen. Im Gutshof befindet sich, Stichwort Birne, eine Brennerei. Die alte war einmal eine Getreidemühle. Im einstigen Waschhaus hat ein Hofladen seine Pforten geöffnet. Der Pfarrgarten breitete sich zwischen Pfarrhaus und -scheune aus. Die frühere Gaststätte „Zum Birnbaum“ hat bis in die 1950er-Jahre hinein als Tankstelle gedient, das Café Theodor als Kinderheim und -garten.  

Das Gedicht, Vers 5

„So spendet Segen noch immer die Hand / des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.“

Wahrheit oder Legende?

Ist es nun Wahrheit oder alles nur Legende? Fest steht: Fontanes Gedicht lebt. Es zieht Touristen auf der Suche nach dem Baum an, der aus dem Grab des großzügigen Hans-Georg von Ribbeck gewachsen und Birnen vor allem für arme Leute gespendet haben soll. In der zu einem Café umgestalteten Alten Schule gleich beim Schloss und der Kirche, unter der sich die Ribbecksche Gruft befindet, wirkt Fontanes Ballade nach - bei einer Tasse Kaffee und am besten bei einem Stück Birnenkuchen.

Weitere Deutschstunde

Welche weitere Deutschstunde in der Alten Schule von Ribbeck noch auf dem Plan steht, lesen Sie im nächsten Teil unserer „Deutschland ist schön“-Serie diesmal über das Havelland, in der wir schon die Region rund um die Blütenstadt Werder, die eher bodenständige havelländische Küche mit Rübchen und Zander und als weiteren Service mit dem Resort am Schwielowsee eine Möglichkeit zur Übernachtung vorgestellt haben. Ausflüge nach Potsdam und Berlin schließen sich am Ende noch an.

Info Ribbeck

Der kleine Ortsteil von Nauen im brandenburgischen Havelland ist 1375 urkundlich erstmals mit den Ribbecks und deren Rittergütern erwähnt. Der letzte Gutsherr aus dem Hause starb 1945 im Konzentrationslager Sachsenhausen. Fontanes berühmtes Gedicht geht auf eine 1875 von Ribbeck-Enkelin Hertha von Witzleben verfasste Ballade zurück. Bis Potsdam sind es 40, bis Berlin 50 Kilometer. Wir waren im Resort Schwielowsee (Vier-Sterne-Superior-Anlage, 156 Suiten-, Zimmer-, Apartment- und Pfahlhaus-Einheiten, www.resort-schwielowsee.de) untergebracht. Information: Tourismusverband Havelland, Schloss Ribbeck, Theodor-Fontane-Straße 10, 14641 Nauen/Ortsteil Ribbeck, Telefon 033237-859030, www. havelland-tourismus.de

Service Auto

Ins Havelland reist man mit dem Auto am besten über die A2 Hannover-Berlin, die A9 Nürnberg-Berlin, die A10 und den Berliner Ring oder die A24 Hamburg-Berlin an. Ab Wustermark geht es über die Bundesstraße 5 an Nauen und Berge vorbei nach Ribbeck. Werder ist Regionalexpress-Bahnstation. Die nächsten Flughäfen sind Tegel und Schönefeld in Berlin. Mit dem Boot oder Schiff gelangt man auf dem Wasserweg von Elbe, Oder und Spree in die Potsdamer und Brandenburger Havelseen oder in die Flusslandschaft der unteren Havelniederung.

KoCom/Fotos: Havelland-Tourismus

26. Juli 2016