Heiße Spuren
Autor Felix Scholz über regionale Kriminalromane / Beispiel Marburg / Nächstes Mal Verkehrskonzept „Move 35“
Von Günther Koch/Life-Magazin
Felix Scholz auf der Mauer bei der Lutherischen Pfarrkirche oben in Marburg. Foto: Felix Scholz
Marburg – Felix Scholz schreibt Bücher. Neben solchen für Kinder auch Kriminalromane für Erwachsene. Wobei es durchaus einen Trend zu geben scheint, deren Handlung statt im Dschungel einer anonymen Großstadt auch in der Provinz, etwa in der mittelhessischen, spielen zu lassen, konkret in Marburg. Auch ein Grund dafür, warum das im Fall des Autors so ist: „In Marburg“, betont Scholz im Interview mit uns, „bin ich geboren und nach einem längeren Ausflug nach Biedenkopf, wo ich zur Schule gegangen bin, wohne ich jetzt wieder in der Universitätsstadt an der Lahn.“
Tod in Marburg: Gibt’s schon eine heiße Spur?
Felix Scholz: Allerdings! Und zwar gleich mehrere. Die Ermittler konzentrieren sich anfangs vor allem auf die Marburger Burschenschaften, mit denen das Opfer im Clinch lag, und auf die in Marburg ansässigen Pharmakonzerne, wo gerade ein neues, revolutionäres Impfstoffverfahren entwickelt wird. Schnell stellt sich aber heraus, es gibt noch mehr Verdächtige.
Und das Marburger Mörderspiel? Wer ist da alles verdächtig?
Felix Scholz: Ein ganzer Haufen. Das Opfer ist ein gewaltiger Unsympath und hat deswegen eine Menge großer und kleiner Feinde angesammelt. Bis die Ermittler sich einen Überblick verschafft haben, dauert es eine Weile.
Ganz kurz: Worum geht’s im „Tod in Marburg“, erschienen 2022?
Felix Scholz: Die Leiche einer Frau wird in der Lahn gefunden, in ihrer Brust eine gewaltige Stichwunde. Schnell stellt sich heraus, dass sie von einem mittelalterlichen Schwert durchbohrt wurde, einer Waffe, wie sie von den Marburger Burschenschaften genutzt wird. Allerdings arbeitete das Opfer auch an einem ganz neuen Verfahren zur Herstellung von Impfstoffen, das jedem Pharmakonzern, der es in die Finger bekäme, Milliardengewinne verspräche. Die Ermittlungen leben vor allem von den gegensätzlichen Ermittlern Momsen und Zaster. Der Eine ein linker Weltverbesserer direkt aus der Marburger Studentenschaft und der Andere ein harter Knochen, der gerne Methoden zum Einsatz bringt, die heutzutage nicht mehr gern gesehen werden.
Und worum im „Marburger Mörderspiel“, erschienen 2024?
Felix Scholz: Vom Kaiser-Wilhelm-Turm, den in Marburg alle als Spiegelslustturm kennen, wird ein junger Student in den Tod gestoßen. Der hatte nicht nur seine Finger in der ein oder anderen Gaunerei im Spiel, sondern auch so viele Feinde, dass man sie kaum zählen kann. Wieder gehen Momsen und Zaster auf die Suche nach dem Täter.
Warum gerade Marburg?
Felix Scholz: Die Stadt lebt von ihren Gegensätzen: rechte Burschenschaften und linke Studentenschaft, alte Gemäuer und junge Bewohner, Tradition und Moderne. Hier kann man sich wunderbar einen Plot ausmalen, in dem diese Gegensätze nicht so reibungslos miteinander auskommen, wie es in der Regel der Fall ist.
Was hat sonst noch den besonderen Reiz ausgemacht, die Handlung der beiden Kriminalromane ausgerechnet in der sonst doch eher beschaulichen Universitätsstadt an der Lahn anzusiedeln?
Felix Scholz: Vor allem die Vielfältigkeit und die Historie. Durch das ständig wechselnde Publikum, das sich durch die zyklisch zu- und abwandernde Studentenschaft ergibt, hat Marburg eine bunte Bevölkerung und Kultur, wie man es sonst nur aus Großstädten kennt. Der historische Kern der Stadt, mit Elisabethkirche, Alter Universität und Landgrafenschloss, fordert außerdem geradezu dazu auf, ihn als Schauplatz für eine Geschichte zu verwenden.
"Schließlich kenne ich mich hier am besten aus"
Wann und in welcher konkreten Situation kam denn die Idee, Krimis auch mal in Marburg spielen zu lassen?
Felix Scholz: Regionalkrimis sind seit einigen Jahren im Trend und ich dachte mir, dass es ein günstiger Zeitpunkt sein könnte, über dieses Genre auf dem Buchmarkt Fuß zu fassen. Zwar gab es damals schon die Romane von Rainer Güllich und Jürgen Hövelmann, doch diese waren bereits vor einiger Zeit erschienen und ich glaubte – wie sich herausstellen sollte zurecht –, dass noch Platz für einen weiteren Autor von Marburger Krimis vorhanden wäre. Marburg sollte es schon sein, schließlich kenne ich mich hier am besten aus, finde es besonders spannend, durch die alten Gassen zu schlendern.
Was spricht für die Stadt? Was vielleicht sogar gegen sie? Gab es Zweifel, die erst ausgeräumt werden mussten?
Felix Scholz: Gegen Marburg spricht sicherlich der relativ kleine Markt an Buchkäufern. Ich bin sehr froh, dass der Emons-Verlag das Risiko eingegangen ist, in einen Regionalkrimi zu investieren, der nur eine kleine potentielle Leserschaft vorweisen kann. Wie sich herausgestellt hat, sind die Krimis aber auch ein ganzes Stück über Marburg hinaus beliebt. Für Marburg sprechen hingegen die bereits erwähnten Gegensätze. Um einen Krimi zu schreiben, braucht es solche Gegensätze, an denen sich die Figuren und die Handlung reiben können. Das sah im Übrigen auch mein Verlag so. Sie sagten mir damals, dass sie vor allem der Konflikt zwischen rechten Burschenschaften und linker Studentenschaft gereizt hätte. In Großstädten (mein Verlag sitzt in Köln) gibt es natürlich die gleichen Konflikte, doch sie verschwinden hinter all den anderen, die es in einer kleinen Stadt wie Marburg nicht oder nur selten gibt.
Wie fand danach die Umsetzung statt?
Felix Scholz: Es gibt viele Methoden, ein Buch zu schreiben, und ich kann nur jedem raten, die für sie oder ihn beste herauszufinden, bevor man sich ans Werk macht. Eines meiner großen Vorbilder ist Stephen King, doch ich könnte niemals so arbeiten wie er. King schreibt einfach drauf los, setzt Ideen sofort um, kennt das Ende seiner eigenen Geschichten nur selten, wenn er mit dem Schreiben beginnt. Ich hingegen brauche Struktur, einen groben Handlungsrahmen, an dem ich mich orientieren kann. Also schreibe ich die Geschichte erst einmal in ganz groben Zügen nieder – auf etwa fünf Seiten. Dieses Grundgerüst baue ich dann nach und nach aus, ergänze Details, ändere hier und da etwas ab und festige die Verbindung von Handlungssträngen, die mir zu lose erscheinen. Am Ende bügle ich das Ganze dann noch einmal glatt, bessere Fehler aus und gebe der Sprache noch einen Feinschliff.
Wie sind die Recherchen gelaufen?
Felix Scholz: Für die Stadt selbst waren keine größeren Recherchen nötig. Während meiner Studienzeit habe ich Flyer ausgetragen und so selbst die versteckten Ecken Marburgs kennengelernt. Selbstverständlich musste dieses oberflächliche Bild noch ein wenig durch historische Fakten erweitert werden, was mich aber nicht so lange beschäftigt hat wie die Recherche zur Polizeiarbeit. Hier musste ich mir ganz klassisch zunächst vieles anlesen, bevor ich so manches wieder verworfen habe, um der Handlung etwas mehr Spielraum und den Dialogen mehr Witz verleihen zu können.
Wie lange hat‘s im Fall der zwei Marburger Krimis gedauert, sie zu schreiben?
Felix Scholz: Der erste floss mir sehr schnell aus den Fingern. Das war zur Zeit des ersten größeren Lockdowns 2020 und ich hatte aufgrund von Kontaktverboten viel Zeit. In zwei Monaten war alles auf Papier gebracht. Beim zweiten Teil musste ich die Schreibarbeit zwischen meiner eigentlichen Arbeit als Lehrer unterbringen. Dann waren es schon etwa neun Monate. Ganz allgemein kann ich aber sagen, dass ich pro Seite etwa 1,5 Stunden benötige – inklusive aller Schritte, die nach dem ersten Entwurf folgen, also etwa der langwierigen Arbeit mit dem Lektorat.
Alles wie geplant? Oder sollte die Handlung ganz oder in Teilen anders ablaufen?
Felix Scholz: Während des Schreibens fällt hier und da schon auf, dass ein Handlungsstrang nicht so funktioniert, wie man es sich vorgestellt hat. Da muss man dann in den sauren Apfel beißen und diesen Teil noch einmal neu beginnen oder zumindest teilweise abändern. Im ersten Teil war zum Beispiel ein anderes Ende geplant. Dem Überarbeitungsprozess fielen dann etwa fünfzig Seiten zum Opfer. Das bedeutet natürlich noch einmal eine ganze Menge Arbeit. Dennoch möchte man natürlich die bestmögliche Version seiner Geschichte veröffentlicht wissen.
"Der Oberbürgermeister hat sich bisher noch nicht gemeldet"
Und nach der Veröffentlichung: Hat es Reaktionen aus Marburg gegeben, positive, negative, vielleicht sogar offizielle?
Felix Scholz: Das Stadtoberhaupt hat sich bisher noch nicht gemeldet. Ich forciere das allerdings, indem ich im nächsten Buch einen gewissen Dr. Torsten Speer den Posten als Oberbürgermeister übernehmen lasse. Vielleicht kitzelt das ja eine Reaktion aus ihm heraus. Die Reaktionen aus dem restlichen Marburg sind in der Regel sehr positiv. Die allermeisten erfreuen sich sehr daran, die ihnen bekannte Stadt einmal aus einer literarischen Perspektive zu entdecken. Negative Rückmeldungen gibt es in der Regel, wenn man sich Freiheiten in der Beschreibung Marburgs nimmt, um die Handlung spannender, zielführender, konsistenter zu gestalten. Manchmal lasse ich die Ermittler beispielsweise kleine (wirklich nur kleine) Umwege fahren, um sie an Marburger Sehenswürdigkeiten vorbeizuführen. Das kommt bei manchen nicht gut an.
Was sagen Zuhörerinnen und Zuhörer, die zu den Lesungen kommen?
Felix Scholz: Die haben meistens die Frage, wann denn endlich ein Hörbuch erscheint. Ich vermute dahinter zwei verschiedene Gründe: Erstens – eher unwahrscheinlich – empfinden sie meine Lesestimme wohl als sehr angenehm. Oder sie sind zweitens lesefaul und würden sich gerne beim Bügeln Kopfhörer aufsetzen und berieseln lassen, was ich für deutlich wahrscheinlicher halte. Um die Frage hier aber einmal zu klären: Leider liegt die Entscheidung über Hörspiel oder kein Hörspiel beim Verlag und nicht beim Autor. Der Verlag wiederum scheut sich selbstverständlich, einen Haufen Geld in ein Aufnahmestudio und einen professionellen Sprecher zu investieren. Sollten die Bücher in den nächsten Jahren aber noch erfolgreicher werden, wird das Hörbuch ganz sicher bald unter einigen Weihnachtsbäumen liegen.
Warum werden Krimis eigentlich so gern gelesen?
Felix Scholz: Ich glaube, dass der Mensch ein wenig zwischen den Stühlen sitzt. Einerseits sehnt er sich nach dem Nervenkitzel, den das Leben in einer gefährlichen Welt unseren frühzeitlichen Vorfahren in den genetischen Code gefräst hat. Andererseits haben wir uns sehr an ein friedliches, ruhiges Leben in sicheren und beheizten Wohnungen gewöhnt. Der Krimi erlaubt es uns, die Sehnsucht nach Gefahr ungefährlich zu realisieren – nämlich auf dem Sofa.
Welches ist deren zentrales Merkmal, etwa neben der Frage nach Täter, Motiv oder Folgen der Straftat, die den Leser in Spannung versetzen soll?
Felix Scholz: Ein Blick auf den heutigen Buchmarkt zeigt, dass sich kaum ein Genre so vielfältig präsentiert wie der Krimi. Von Rita Falks humorvollen Eberhofer-Krimis, bei denen der eigentliche Fall gern mal hinten runterfällt, bis hin zu Stieg Larssons brutaler und teilweise verstörender Milleniums-Trilogie ist alles dabei. Der gemeinsame Nenner bleibt jedoch der Spaß am Miträtseln, die Frage, die uns Seite um Seite umblättern lässt: Wer ist es denn nun gewesen?
Wie baut man bei einem Kriminalroman den Spannungsbogen auf, der sich aus der Aufklärung eines Verbrechens ergibt?
Felix Scholz: Selbstverständlich darf die Auflösung nicht vorweggenommen werden. Einen Krimi, bei dem von Anfang an klar ist, wer es gewesen ist, lesen wahrscheinlich nur die wenigsten zu Ende. Allerdings sollte man sich auch dafür hüten, zu viele Ablenkungen oder gar lose Fäden, die zu nichts führen, zu inszenieren, denn der Leser möchte schließlich Miträtseln. Wenn man ihm dabei zu viele Steine in den Weg legt, verliert er die Lust. Es muss der gekonnte Mittelweg sein, der Wiegeschritt zwischen Hinführung an eine vermeintliche Lösung und die Entfernung von dieser bei neuen Hinweisen und Indizien.
"Auf der anderen Seite ist der 'Name der Rose' auch ein Detektivroman"
Thriller, Detektiv-, Polizei-, Spionagegeschichte: Wie hoch ist der literarische Anspruch des Genres Krimi einzuschätzen? Mehr als nur Unterhaltung?
Felix Scholz: Das lässt sich pauschal nur schwer beantworten. Hier ist von Schund bis Meisterwerk alles vertreten. Auf der einen Seite wird der Markt geflutet mit schwach geschriebenen, kaum lektorierten Billigwerken, auf der anderen Seite ist etwa Umberto Ecos „Der Name der Rose“ auch ein Detektivroman. Wer also auf den Krimi hinab schaut und ihn abtut als literarischen Ramsch, der liegt sicher ebenso falsch wie jene, die denken, dass alles, was auf Papier gebracht ist, einem gewissen Anspruch genügt.
Zurück nach Marburg: Gegen wen dürfte wohl nächstes Mal ermittelt werden? Butler, Gärtner, Klempner wie in einem Lied als Parodie auf populäre Stereotype in Krimis insbesondere in den 1960er-Jahren, Stichwort Edgar-Wallace- oder Agatha-Christie-Verfilmungen, sind doch jedenfalls schon alte Hüte, oder?
Felix Scholz: Auch wenn ich selbst eine große Schwäche für die Klassiker habe, so halte ich es doch für schwierig, heute noch einen solchen Krimi zu schreiben, ohne ihn ironisch umzustülpen. Ich glaube im Übrigen, dass ein Jahrhundert-Talent wie Agatha Christie heute ganz andere Bücher schreiben würde als zu ihrer Zeit. Mein nächster Krimi ist derweil schon fast fertig. Das Thema wird, ganz wie im ersten Teil, wieder sehr aktuell sein. Es geht nämlich in großen Teilen um ein Verkehrskonzept namens „Move 35“. Nachdem ich erlebt habe, wie sehr die Gemüter dadurch erhitzt worden sind, war mir klar, dass ich dieses Potential für einen Krimi nutzen muss.
Und welcher Titel bietet sich an?
Felix Scholz: Mit den Titeln ist es so eine Sache. So viel freie Hand mir der Verlag auch lässt, bei den Titeln werden wir uns nur selten einig. Bisher hat sich der Verlag immer durchgesetzt. Die Titel „Tod in Marburg“ und „Marburger Mörderspiel“ stammen also gar nicht von mir. Der Arbeitstitel vom dritten Teil ist „Feuer in Marburg“. Wir werden sehen, was am Ende auf dem Cover prangt – hoffentlich schon 2025.
Zur Person
Felix Scholz, Jahrgang 1988, in Marburg geboren, ist studierter Germanist, Lehrkraft für Deutsch als Fremdsprache und arbeitet unter anderem als Lehrer für Integrationskurse. Der Autor tritt bei Lesungen und Poetry Slams auf, bei denen verschiedene Künstlerinnen und Künstler mit selbstgeschriebenen Texten gegeneinander antreten. Neben Kinderbüchern wie „Annes Traumpläne“ schreibt er auch Kriminalromane. Diesbezüglich bereits erschienen sind im Kölner Emons-Verlag (https://emons verlag): „Tod in Marburg“ (2022, 272 Seiten, 13 Euro) und „Marburger Mörderspiel“ (2024, 304 Seiten, 14,00 Euro). Internetinformation: https://www.instagram.com/felix_f_u_scholz/.
KoCom/Fotos: Winfried Heidl/Jan Wehnert, beide Mauritius Images, und Felix Scholz
17. Oktober 2024