Regent Beverly Wilshire
Auf den Spuren einer ungewöhnlichen filmischen Romanze im Pretty-Woman-Hotel
Von Günther Koch/Life-Magazin
Das Regent Beverly Wilshire ist das „Pretty Woman“-Hotel. Foto: Koch
Beverly Hills – Wilshire Boulevard/Ecke Rodeo Drive. Luxus und Glamour haben hier, zu Füßen der Santa-Monica-Berge zwischen Bel Air und West Hollywood, einen Namen: Regent Beverly Wilshire.
Männer noch im Livree
James Crown kennt das. Er fährt öfter mit seiner dunklen Limousine und den getönten hinteren Scheiben zwischen den beiden Flügeln der Nobelherberge vor, die noch die Tradition alter Grandhotels wahrt. „Hier“, sagt der 62-Jährige, der die Prominenz vom oder zum Beverly Wilshire chauffiert, „ist es besser, unentdeckt ein- oder auszusteigen.“ Wo Männer im Livree stilvoll Autotüren öffnen oder schließen – und dabei dezent zur Begrüßung oder zur Verabschiedung ihren Kopf ein wenig neigen. „Was müssen das dann damals erst für Zeiten gewesen sein“, scheint Crown auf einmal in Gedanken an vergangene Tage zu versinken, die er selbst nur aus Erzählungen kennt.
Als die Filmindustrie wuchs
Damals, das war zu Beginn des vorigen Jahrhunderts. Als die Filmindustrie immer weiter wuchs, Produktionen immer aufwändiger wurden und die am Kinohimmel aufsteigenden Stars immer höhere Gagen verlangen konnten. Es war, deutet Manfred Braunger in seinem „Los Angeles“-Führer (Polyglott, 1996) an, als die ersten von ihnen begannen, von Hollywood nach Beverly Hills umzuziehen. Als die Straßen noch eher ländlich geprägt waren. Als das hügelige Terrain beste Gelegenheiten bot, Villen und Residenzen durch geeignete Standorte „wirkungsvoll“, so Braunger, „in Szene zu setzen“.
Von Mary Pickford bis George Gershwin
Stars aus der Stummfilmzeit sollen zu den ersten wirklich Bekannten gehört haben, die sich in Beverly Hills niederließen. Mary Pickford zum Beispiel und Douglas Fairbanks. Ihre „Villa Pickfair“ am Summit Drive, so erzählt man sich, sei Treffpunkt einer illustren Gesellschaft aus Prominenten von George Bernhard Shaw über Albert Einstein bis hin zum damaligen US-Präsident Calvin Coolidge gewesen; zu Freunden der Familie zählten Charlie Chaplin, Greta Garbo, Rudolph Valentino. Namen von Berühmtheiten gehen noch immer um, die die Stadt einst ihren Wohnsitz nannten: Igor Strawinsky, Lion Feuchtwanger, Sergej Rachmaninow, William Wyler, Fritz Lang, Marlene Dietrich, George Gershwin ... Um sie und andere ranken sich die Geschichten und Legenden, die an der Schaffung des Mythos Beverly Hills beteiligt waren. Und mitten drin, quasi als Herzstück, das Beverly Wilshire.
Von Elvis Presley bis zum Dalai Lama
Es öffnete 1928 erstmals seine Pforten. Säulen und dekorative Bauelemente schmücken die Fassaden, die an den Stil der italienischen Renaissance erinnern. Hinter dem Haupttrakt befanden sich früher Bungalows, die ebenfalls noch zum Haus gehörten. 1991 ist das Hotel, fast 400 Zimmer und Suiten und ein aus der Privatvilla von Sophia Loren in Italien nachempfunder Pool, aufwändig renoviert worden. Die Gästeliste reicht von Elvis Presley bis Warren Beatty, John Lennon bis Michael Caine, Michael Douglas bis Farrah Fawcett, Dustin Hoffmann bis Anjelica Huston, Walter Matthau bis Al Pacino, vom japanischen Tenno bis zum tibetischen Dalai Lama. Schon in der Lobby bricht der architektonische Pomp mit spiegelndem Marmor über den Gast herein.
Welcome, Mister Malkovich!
Schauspieler, Regisseur und Produzent John Malkovich schaut gerade im Beverly-Wilshire-Restaurant The Blvd vorbei, von dem aus man einen tollen Blick hinüber zum Rodeo Drive hat. Hinten, vor Wolfgang Pucks Steakhaus Cut, wird die Schlange der Wartenden immer länger. Ihre Tisch sind noch nicht frei. „Am besten“, empfiehlt die junge Dame am Empfang, „sie reservieren gleich – für übernächste Woche“.
Unscheinbar in einer Vitrine
In einem kleinen Nebengang zwischen Cut und The Blvd. Unscheinbar in einer Wandvitrine. Fast versteckt. „Szenen 29,30“, steht da. Und: Regent Beverly Wilshire Hotel. Lobby. Nachts. Sie gehen hinein. Vivian trägt den Trenchcoat. Vivian: „Toll, jetzt sehe ich aus wie eine Nutte im Regenmantel.“ Sie schaut auf. Bleibt stehen. Die Lobby ist hell und weitläufig, voll mit mächtiger Holzverkleidung. Selbst um diese Zeit herrscht noch Betrieb. Männer in Anzügen und Frauen mit Pelzen und Juwelen gehen vorbei. Vivians Gesicht scheint den plötzlichen Schreck, den sie beim Anblick von all diesem Luxus bekommt, zu verbergen. Vivian nimmt Edwards Arm. Vivian: „Lass uns gehen.“ Edward führt sie durch die Lobby. Einige Leute starren sie an. Edward stoppt an der Rezeption, fragt nach Nachrichten für ihn, schaut sie durch, findet nicht, was er sucht. Edward: „Und bitte lassen Sie uns noch etwas Champagner und eine Schüssel Erdbeeren kommen.“
„Sorry, ich konnte nicht anders“
Sie gehen zum Lift. Eine reiche Frau wirft von oben herab einen arroganten Blick auf sie. Vivian kann nicht mehr an sich halten. Sie öffnet ihren Mantel nur leicht, aber doch weit genug, um ein langes Bein zu enthüllen. Vivian: „Liebling, ich glaub’, ich habe eine Laufmasche in meiner Strumpfhose. (Schaut auf ihr Bein) Oh, ich trag’ ja gar keine.“ Die Tür zum Lift öffnet sich. Edward und Vivian gehen hinein. Das andere Paar wartet auf den nächsten. Die Tür schließt. Frau: „Nächstes Mal gehen wir ins Bel Air.“ Hotel. Lift. Nachts. Der junge Liftboy trägt eine saubere rote Uniform, die ein bisschen scheint. Als sich die Tür schließt, nickt er Edward zu. Vivian: „Sorry, aber ich konnte nicht anders.“ Edward: „Versuch’ es!“
Der Multimillionär und die Bordsteinschwalbe
Es ist dies die vor Fotos, einem Kinoplakat und zwischen Uhrwerbung ausgelegte Original-Drehbuchseite zu dem Film, der die Geschichte vom Multimillionär und der Bordsteinschwalbe erzählt. Für sie, die Prostituierte, ist der Straßenstrich in Los Angeles wenig einträglich, bis er, der Finanzmogul, eines Tages ihren Weg kreuzt. Der Gentleman nimmt sie mit in sein Penthouse im Hotel und ist von ihr so angetan, dass er 3000 Dollar bietet, wenn sie ihm eine Woche lang zu Diensten steht. Aus dem hässlichen Entlein wird ein Schwan – und aus der erst rein geschäftlichen bald eine Liebesbeziehung.
Lediglich das Äußere diente als Kulisse
Wer im Beverly Wilshire nach mehr Spuren der Romanze sucht, tut dies vergeblich. Selbst in der Chronik des Hauses sind nur zwei Sätze vermerkt: Für den Film - der Julia Roberts an der Seite von Richard Gere den Durchbruch brachte - habe lediglich das Äußere des Hotels als Kulisse gedient. Das Innere sei in einem Studio nachgebildet worden. Oh, Pretty Woman.
Mit der Eleganz einer Lady
Ob er sie auch schon chauffiert habe? „Schauen Sie mal“, sagt James Crown und deutet zu den exklusiven Läden Richtung Rodeo Drive, „da drüben sind die Einkaufsszenen mit Julia gedreht worden, als sie ihren Bordsteinlook ab- und die Eleganz einer Lady angelegt hat. Da geht man zu Fuß, da muss man nicht fahren. Auch als Amerikanerin nicht.“
Info „Pretty Woman“
Als Titel des 1990 unter der Regie von Garry Marshall entstandenen Films war ursprünglich „3000“ vorgesehen – nach der Summe, die Vivian (Julia Roberts) für ihre Liebesdienste von Edward (Richard Gere) bekommen sollte. Erst später ist er nach dem gleichnamigen Titelsong von Roy Orbison umbenannt worden. Es war zunächst kein Happy-End geplant. Vivian sollte nach einer Woche zu ihrer früheren Beschäftigung zurückkehren. Man erwog sogar, dass sie im Hotel angestellt werden oder einen anderen Liebhaber finden sollte. Doch das Drehbuch wurde geändert. Der Sportwagen, den sich Edward zu Beginn ausleiht, ist ein Lotus Esprit mit einer für US-Amerikaner ungewohnten Handschaltung. Vivian sieht sich einmal im Fernsehen Charade an, ehe sie nach unten geht, um Edward zu suchen. An dem Tag, als gedreht werden sollte, dass sie von ihm für einen Opernabend ein Rubin-Collier bekommt, war Roberts tief deprimiert. Marshall wies Gere an, sich was einfallen zu lassen, um sie aufzuheitern. Als Edward die Luxusschatulle öffnet, lässt er plötzlich, für alle unerwartet, den Deckel wieder zuschnappen. Roberts' aufgeregtes Quieken und Lachen in dieser Szene ist echt und spontan. Christover Reeve und Al Pacino sind übrigens vor Drehbeginn für Edwards Rolle vorgeschlagen worden. Und Molly Ringwald sollte Vivian spielen. Doch sie lehnte ab. Wie Daryl Hannah.
Info Beverly Hills I
Beverly Hills ist eine zum Los Angeles County gehörende Villenstadt in Kalifornien an der Westküste der USA. Sie ist völlig umgeben von Los Angeles, zählt nur rund 34 000 Einwohner. Viele Filmschauspieler, Regisseure und andere Wohlhabende wohnen dort in eleganten Häusern inmitten prachtvoller Gärten. Beverly Hills – der Name sagt es – liegt auf hügeligem Gelände. Mit dem Rodeo Drive verfügt der Ort über eine der teuersten Einkaufsstraßen der Welt. Die nahegelegenen Hollywood-Studios nutzen ihn immer wieder für Film- und Fernsehproduktionen. Wir waren im „Pretty Woman“-Hotel Regent Beverly Wilshire (fünf Sterne, 395 Zimmer/Suiten, luxuriös eingerichtet, Ecke Rodeo Drive, www.regenthotels.com/beverlywilshire) untergebracht.
Info Beverly Hills II
Nach Beverly Hills reist man am besten über Los Angeles an. Der Flug dauert von Deutschland aus über zehn Stunden. Als Tourist reicht der Reisepass. Die Zeitumstellung beträg minus neun Stunden. Das Klima im Süden Kaliforniens, etwa auf der Höhe von Marokko in Nordafrika gelegen, ist einladend, mild und warm, die Region Ganzjahres-Reiseziel. Kulinarisch sind die verschiedensten Richtungen von asiatisch über europäisch und jüdisch bis hin zur Latino-Küche zu finden; es gibt gute Weine und gutes Bier. Information: Visit USA Comitee Germany, Thalkirchner Straße 14, 80337 München, www.vusa-germany.de.
KoCom/Fotos: Günther Koch
1. Juni 2016