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"999"

Tempolimit-Anzeige in einem Kleinwagen bei unserem "Auto im Alltag"-Test. (gk)

"Soll ich Sie mal zusammen mit dem Auto fotografieren?"

Netter Passant, der gesehen hat, dass wir Aufnahmen von einem sportlichen Testwagen gemacht haben. (gk)

"Geh' Ford"

Abgewandelter "Geh' fort"-Fernsehspruch von Heinz Becker/Gerd Dudenhöffer. (gk)

IAA: Das Gespräch

Ford-Deutschland-Chef Gunnar Herrmann über den Diesel und einen "gewaltigen Umbruch"

Von Günther Koch/Life-Magazin

Gunnar Herrmann ist Bernhard Mattes als Ford-Deutschland-Chef nachgefolgt. Fotos: Koch

Frankfurt/Main – Da ist sich Gunnar Herrmann sicher: „Die Dieseldiskussion wird uns noch längere Zeit begleiten“, sagt der Ford-Deutschland-Chef beim Vorstandsdinner am Vorabend der Pkw-IAA in Frankfurt/Main.

Früher war der Diesel beliebt, weil er verbrauchsarm ist. Jetzt aber hat er es schwer. Er ist regelrecht in Verruf geraten. Zu Recht?

Gunnar Herrmann: Nein! Er ist nach wie vor sehr viel besser als sein Ruf. Eigentlich kann, wer für den Klimaschutz ist, nicht gegen den Diesel sein. Schließlich ist seine Kohlendioxid-Bilanz besser als die von vergleichbaren Benzinern.

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IAA 2017: Ford stellt die nächsten Fiesta-Varianten wie den ST und den aufgefrischten Mustang vor.

Aber da sind noch die Stickoxide.

Gunnar Herrmann: Auch die sind in den jüngsten Motorengenerationen im Griff.

Was muss trotzdem besser werden, konkret und möglichst bald?

Gunnar Herrmann: Natürlich die Luftqualität! Wir haben dazu kürzlich erst eine Umweltinitiative vorgestellt, die unter anderem beim Kauf eines neuen Ford ein umfangreiches Verschrottungsprogramm für ältere Dieselfahrzeuge aller Marken vorsieht. Es geht um Autos bis einschließlich Abgasnorm Euro 4, die bis 2006 zugelassen worden sind. Wir zahlen diesen Kunden einen modellabhängigen Umweltbonus zwischen 1750 und 8000 Euro, wenn sie noch in diesem Jahr einen neuen Ford kaufen.

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IAA 2017: Der EcoSport hat ein Facelift bekommen. Die robustere Fiesta-Active-Version kommt 2018.

Saubere Motoren, neue Produkte wie jetzt wieder bei der IAA sind das eine, wie sich die Mobilität in Zukunft verändern wird, das andere. Vor allem Antworten zu finden auf die Frage, was das alles für uns bedeutet, ist wichtig. Wie sieht denn die Zukunft der Mobilität und die Mobilität der Zukunft aus Ihrer Sicht aus?

Gunnar Herrmann: Spannende Frage, auch deshalb, weil der Wandel bereits begonnen hat. Er passiert jetzt! Wir stehen am Anfang eines gewaltigen Umbruchs, der uns alle betrifft und der unsere individuelle Mobilität grundlegend verändern wird.

Sie meinen Digitalisierung, Big Data, autonom fahrende Autos, neue Antriebstechnologie, neue Mobilitätskonzepte?

Gunnar Herrmann: Genau das. Ford gibt es mittlerweile seit 114 Jahren. Wir kennen und können Wandel! Wir haben das Wissen, die Erfahrung mit elektrifizierten Antrieben – und wir haben eine Strategie.

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IAA 2017: Auch der Tourneo Custom ist überarbeitet. Fords Ecoboost-Motoren sind verschieden stark.

Die wie aussieht?

Gunnar Herrmann: Bis 2020 investiert Ford weltweit umgerechnet mehr als vier Milliarden Euro. In den kommenden fünf Jahren werden wir 13 neue Elektromodelle für die globalen Märkte präsentieren, darunter ein komplett neues Crossover Utility Vehicle mit reinem Elektroantrieb und einer voraussichtlichen Reichweite von über 450 Kilometern.

Wie weit sind Sie beim autonomen Fahren?

Gunnar Herrmann: Wir entwickeln ein voll autonomes Fahrzeug, das ab 2021 in Großserie produziert werden soll. Es hat weder Lenkrad noch Pedale, soll zunächst bei digitalen Mobilitätsdienstleistern zum Einsatz kommen, zum Beispiel für Dienste wie Ride Sharing und Robo-Taxi.

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IAA 2017: Gleich zweimal Ford-Performance, links in einem Simulator, rechts der Motorsport-GT.

Und was Partnerschaften betrifft?

Gunnar Herrmann: Schließen wir neue, etwa mit der StreetScooter GmbH, einer Tochtergesellschaft der Deutschen Post. Zusammen bringen wir bis Ende nächsten Jahres 2500 batterieelektrische Lieferfahrzeuge für den innerstädtischen Liefer- und Verteilerverkehr der Post auf die Straßen. Sie basieren auf unseren Transit-Fahrgestellen.

Stichwort urbane Mobilität, die ebenfalls ein Schwerpunkt bei dieser IAA ist: Wie könnte die bei uns in 2030 aussehen?

Gunnar Herrmann: Da haben wir vier Szenarien entwickelt. Das erste geht davon aus, dass die meisten Personen nach wie vor ein eigenes Fahrzeug besitzen. Elektroautos haben den technologischen Durchbruch ebenso geschafft wie autonome Fahrzeuge. Die Menschen schätzen das Leben in den Vororten, da sie dort eine höhere Lebensqualität vermuten und die Lebenshaltungskosten da günstiger sind als in Innenstädten.

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IAA 2017: Das GT-Heck deutet die Kraft des Supersportlers an, den es auch zum Zusammenbauen gibt.

Und wenn das eigene Auto so etwas wie das Luxusgut für eine gutbetuchte Minderheit wird?

Gunnar Herrmann: Dann besteht zweifellos die Gefahr einer gewissen Spaltung der Gesellschaft, wenn die Mehrheit der Stadtbewohner in Europa wohl oder übel öffentliche Verkehrsmittel nutzen muss. Das ist das zweite Szenario, in dem Elektrofahrzeuge oder autonome Autos immer noch Nischenprodukte sind, der Verbrennungsmotor dagegen technisch ausgereift ist.

Wann könnte der Anteil der Personen, die ein eigenes Auto besitzen, noch kontinuierlich sinken?

Gunnar Herrmann: Wenn Stadtbewohner und Unternehmen die Wahl zwischen einer Vielzahl von Transportsystemen haben. Auch der Automobilhandel hat sich in diesem dritten Szenario verändert: E-Commerce ist das Gebot der Stunde für Gebrauchtfahrzeuge ebenso wie für Neuwagen.

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IAA 2017: Hier sind die ST-Line-Modelle aufgereicht. Fords Stand ist großflächiger auch personalisiert.

Mit der sauberen Luft wäre das dann allerdings so eine Sache, oder?

Gunnar Herrmann: Weil die insgesamt steigende Zahl von Fahrzeugen und marktfreundlichen Rahmenbedingungen zu einer starken Luftbelastung in den Innenstädten führen würde, in der Tat.

Und welches wäre das futuristischste Szenario?

Gunnar Herrmann: Das vierte, in dem sich in großen Metropolregionen eine neue Form der Mobilität durchsetzt und immer mehr Menschen und Unternehmen statt des eigenen Fahrzeugs elektrisch angetriebene Pods nutzen …

Also spezielle Transportkapseln.

Gunnar Herrmann: … die nach einem Schwarmsystem funktionieren, intelligent miteinander vernetzt und jederzeit verfügbar sind. Die Europäische Union hat dazu in diesem Szenario einheitliche Software- und Hardware-Standards festgelegt.

Und die Automobilbauer?

Gunnar Herrmann: Die stehen untereinander natürlich im harten Pod-Wettbewerb um Servicelösungen, Managementsysteme oder die Produktion der Hardware.

Manche Annahme scheint wahrscheinlicher, manche weniger.

Gunnar Herrmann: Aber alle geben uns wichtige Anhaltspunkte. Auch dazu, wie wir uns aufstellen müssen, um die Zukunft im Sinne unserer Kunden, aber natürlich auch in unserem eigenen mitzugestalten und mitzuprägen, und zwar als Automobil- und als Mobilitätsdienstleister.

Das wäre die Zukunft. Und die Gegenwart?

Gunnar Herrmann: Die darf bei alldem selbstverständlich nicht vernachlässigt werden. Das sehen Sie schon allein daran, dass wir auch den nach wie vor wichtigen konventionellen Verbrennungsmotor weiter verbessern. Aber auch in der Elektromobilität sind wir vorn mit dabei.

In den USA, ja.

Gunnar Herrmann: Aber wir verkaufen da immerhin schon mehr Plug-in-Hybride als alle anderen Hersteller. Und bei den elektrifizierten Fahrzeugen liegen wir auf Platz zwei.

Und in Deutschland?

Gunnar Herrmann: Sind wir auf gutem Weg.

(Ford hat seinen Stand bei der IAA in Halle 9)

KoCom/Fotos: Günther Koch

14. September 2017